Debatte um Corona-Maßnahmen: Schwesig schließt Verschärfung nicht aus

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie finden Bund und Länder nur schwer
zu einer gemeinsamen Linie. Angesichts wieder rasch steigender
Infektionszahlen gewinnt die Debatte um ein einheitliches Vorgehen an
Fahrt. Doch gehen die Meinungen noch immer weit auseinander.

Schwerin (dpa/mv) - Wegen des zuletzt starken Anstiegs der
Infektionszahlen ist auch für Mecklenburg-Vorpommern eine
Verschärfung der Schutzmaßnahmen absehbar. «Die Zahlen sind viel zu
hoch», sagte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) am Montag in
Schwerin. Aus Regionen komme bereits die Nachricht, dass die Zahl der
in Kliniken versorgten Patienten zunehme. «Das müssen wir uns
anschauen und deshalb kann ich Verschärfungen auch nicht
ausschließen», erklärte die Regierungschefin. Corona-Infektionszahlen

mit einer verlässlichen Aussagekraft für das Land seien
voraussichtlich erst zur Wochenmitte zu erwarten. Schwesig verwies
auf den Meldeverzug aus dem Landkreis Vorpommern-Greifswald und die
Ostertage, an denen weniger Menschen getestet worden seien.

Nach Angaben des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lagus) lag
der 7-Tage-Inzidenzwert für Mecklenburg-Vorpommern zuletzt bei 124
Infektionen pro 100 000 Einwohner in einer Woche. Anfang April hatte
der Wert landesweit noch deutlich unter dem für Verschärfungen
wichtigen Schwellenwert von 100 gelegen, der aktuell nur noch in der
Stadt Rostock und im Kreis Vorpommern-Rügen unterschritten wird.

In Kreisen und kreisfreien Städten mit einem 7-Tage-Inzidenzwert von
über 100 soll es zur Eindämmung der Ansteckungsgefahr künftig
bundeseinheitlich Ausgangsbeschränkungen geben. Dafür soll das
Bundesinfektionsschutzgesetz rasch geändert werden. Schwesig hatte
dies ausdrücklich begrüßt. «Wir brauchen anhand der Infektionslage,

der Inzidenzen klare Regeln, was kann auf sein, was muss geschlossen
sein», sagte sie. Eine Konkretisierung und Vereinheitlichung der
Regeln werde die Unterstützung Mecklenburg-Vorpommerns finden.
Bestimmte Beschränkungen und Instrumente gehörten ins Bundesgesetz.

Skeptisch äußerte sich dazu allerdings Koalitionspartner CDU. «Es ist

sicherlich gut, dass mehr Einheitlichkeit hergestellt werden soll.
Doch zugleich muss auch die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben»,
mahnte der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Wolfgang Waldmüller.
Mecklenburg-Vorpommern habe die bundesweit größten Landkreise. Da
könne es leicht passieren, dass in einer Stadt der Inzidenzwert weit
über 100 hinausschieße, in einem 20 Kilometer entfernten Amt aber
vielleicht nur 25 erreiche. «Die Wirksamkeit einer pauschalen
Ausgangsbeschränkung dürfte da schwer nachweisbar sein», sagte
Waldmüller unter Verweis auf einschlägige Gerichtsurteile.

Zudem sei die Orientierung allein an den Inzidenzwerten den Bürgern
nicht zu vermitteln. Impfquoten, Tests und Klinikauslastungen müssten
bei der Festlegung regionaler Schutzmaßnahmen ebenso Berücksichtigung
finden. «Mecklenburg-Vorpommern sollte den eingeschlagenen Weg
weitergehen und auch gegenüber dem Bund verteidigen», sagte
Waldmüller. Am Freitag ist ein Landes-Corona-Gipfel geplant, bei dem
über das weitere Vorgehen in der Pandemie beraten werden soll.

Unterdessen äußerte sich auch die Opposition in
Mecklenburg-Vorpommern kritisch zu den jüngsten Anti-Corona-Vorstöße

von Land und Bund. Die AfD und die FDP bezeichneten geplante
Änderungen am Bundesinfektionsschutzgesetz als überzogen. «Das
stoische Abstellen auf einen Inzidenzwert von 100 ist längst
überholt», sagte FDP-Landeschef René Domke. Die vorgesehenen
Ausgangssperren seien bis auf wenige Ausnahmen unverhältnismäßig.

Die AfD-Landtagsfraktion nannte die geplanten bundesweit geltenden
Maßnahmen «drakonisch». Die Länderchefs könnten dann nur noch
beteiligungslos zusehen, wie die von Kanzlerin Angela Merkel (CDU)
verordneten Maßnahmen automatisch in Kraft gesetzt würden, hieß es.

Die Linken und die Grünen kritisierten, dass Kinder bei Schnupfen in
MV nur noch mit einem PCR-Test in die Kita dürfen. Die
Spitzenkandidatin der Grünen für die Landtagswahl, Anne Shepley, warf
der Landesregierung vor, das Problem der Pandemiekontrolle auf die
Familien abzuwälzen.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Linken im Landtag, Torsten
Koplin, meinte: «Statt durch mehr Transparenz Vertrauen zu schaffen,
wird dieses durch das Vorgehen der Sozialministerin einmal mehr
erschüttert.» Er forderte, die Impfung des Personals an Schulen
schnellstmöglich abzuschließen.