SPD-Minister wollen Testpflicht für Betriebe durchsetzen

Bei den Corona-Tests in Firmen ist das Ziel noch lange nicht
erreicht. Die Wirtschaft stemmt sich mit Macht gegen gesetzliche
Auflagen - doch SPD-Minister werden ungeduldig. Können sie sich
durchsetzen?

Berlin (dpa) - Gegen den Willen der Wirtschaft wollen Arbeitsminister
Hubertus Heil und Vizekanzler Olaf Scholz (beide SPD) noch in dieser
Woche eine Corona-Testpflicht für Unternehmen durchsetzen. «Ich will,
dass wir das am Dienstag in der Bundesregierung beschließen», sagte
Heil der «Bild am Sonntag» - der Koalitionspartner Union ist bislang
allerdings dagegen.

Heil argumentierte: «Alle müssen jetzt ihren Beitrag im Kampf gegen
Corona leisten, auch die Arbeitswelt. Um die zu schützen, die nicht
von zu Hause arbeiten können, brauchen wir flächendeckend Tests in
den Betrieben.» Eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene
Umfrage unter Beschäftigten hatte ergeben, dass aktuell 61 Prozent
einen Arbeitgeber haben, der Corona-Tests anbietet.

«Das ist deutlich zu wenig, unsere Vereinbarung zielte auf eine
Testquote von 90 Prozent», sagte Scholz der «Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung». Deshalb sei die Zeit der Appelle vorüber. «Wir
müssen die Unternehmen verbindlich dazu verpflichten, ihren
Beschäftigten ein Testangebot zu machen», forderte der
Finanzminister. Mehr Homeoffice, medizinische Masken und
umfangreiches Testen - «das könnte man auch als nationale Pflicht
begreifen», sagte Scholz: «Es gibt Dinge, die man einfach tut, weil
es sich gehört.»

Heils Pläne sehen nach Informationen der «Bild am Sonntag» vor, dass

alle Mitarbeiter, die nicht im Homeoffice sind, das Recht auf einen
Corona-Test pro Woche bekommen. Wer viel Kundenkontakt habe oder mit
Lebensmitteln arbeite, solle Anspruch auf zwei Tests haben. Es reiche
aus, wenn der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern Selbsttests zur
Verfügung stelle. Die SPD-Fraktionsspitze forderte generell zwei
wöchentliche Tests - auch unabhängig von der Infektionslage.

Eine Testpflicht könnte über eine verschärfte Arbeitsschutzverordnung

im Paket mit dem geplanten Infektionsschutzgesetz beschlossen werden.
Das Arbeitsministerium hatte bereits in der vergangenen Woche
mitgeteilt, eine Verschärfung sei vorbereitet und könne zügig
umgesetzt werden.

Die Union und auch die Arbeitgeber lehnen eine Testpflicht bislang
ab. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) betonte, er setze auf
Freiwilligkeit der Unternehmen, die zugesagt hätten, ihr Testangebot
auszubauen. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sagte der
dpa: «Es ist im Interesse der Unternehmen, dass ihre Mitarbeiter
gesund sind, gesund bleiben und sich nicht gegenseitig mit dem Virus
infizieren.» Glaubwürdig werde Heil mit seiner Forderung aber erst,
wenn die öffentliche Hand selbst erfülle, was sie von den Unternehmen
erwarte. «Schulen und andere öffentliche Einrichtungen haben damit
noch zu kämpfen», betonte sie.

Der BDA betonte, die Wirtschaft halte sich an die Vereinbarungen mit
der Bundesregierung. «Der mit der Bundesregierung verabredete
Testappell sah zwar keine Zielquote vor, aber die deutsche Wirtschaft
steht selbstverständlich zu ihrer gesamtgesellschaftlichen
Verantwortung», sagte eine Sprecherin. «Keine Partei sollte mit der
Pandemie Wahlkampf machen. Das gehört sich nicht.»

Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf,
kritisierte die Pläne für eine Testpflicht als «Verzweiflungstat»,
um
von eigenen Versäumnissen abzulenken: «Glaubwürdiger wären die
Planungen, wenn die Politik mit gutem Beispiel voranginge», sagte
Wolf. Fast fünf Millionen Menschen arbeiteten im öffentlichen Dienst.
«Wie viele von ihnen werden bereits regelmäßig pro Woche getestet?
Wenn die öffentliche Hand diese Erfahrung gemacht hat, können wir
noch mal miteinander reden.» Die Autoindustrie fordert mehr Tempo bei
Impfungen ihrer Beschäftigten. Die Präsidentin des Branchenverbandes
VDA, Hildegard Müller, sagte «Bild am Sonntag», Betriebsärzte seien

gut organisiert und vorbereitet und sollten rasch Impfstoff bekommen.

Der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG),
Klaus-Dieter Hommel, sprach sich dafür aus, alle Arbeitgeber
gesetzlich zu verpflichten, Beschäftigten mindestens zweimal in der
Woche kostenlose Tests zu ermöglichen. Die Freiwilligkeit von Tests
müsse unverändert gewährleistet bleiben, eine Dokumentation über di
e
Teilnahme oder Ergebnisse dürfe nicht erfolgen.