Mehr Freiheiten für Geimpfte? - Viel Zustimmung bei Berlins Parteien

Berlin (dpa/bb) - Ob Geimpfte gegen das Coronavirus schneller wieder
mehr Freiheiten zurückerhalten sollen als Nicht-Geimpfte, ist
umstritten. Im Berliner Abgeordnetenhaus gibt es dafür viel Zuspruch,
allerdings nicht bei allen Parteien, wie eine Umfrage der Deutschen
Presse-Agentur unter den Fraktionen zeigt. Das Robert Koch-Institut
(RKI) geht davon aus, «dass Geimpfte bei der Epidemiologie der
Erkrankung wahrscheinlich keine wesentliche Rolle mehr spielen», wie
es in einem RKI-Bericht an das Bundesgesundheitsministerium heißt.
Die Einschätzung bezieht sich auf das Übertragungsrisiko «spätesten
s
zum Zeitpunkt ab dem 15. Tag nach Gabe der zweiten Impfdosis».

Grünen-Fraktionsvorsitzende Antje Kapek forderte, ein Impf-Nachweis
sollte die gleiche Geltung haben wie ein aktueller negativer
Corona-Test. «Wenn von Menschen keine Infektionsgefahr ausgeht,
müssen sie ihre vollen Freiheitsrechte leben können, das hat nichts
mit Privilegien zu tun», so die Grünen-Politikerin. «Wir müssen
allerdings bedenken, dass sich bislang noch nicht alle impfen lassen
können, die wollen, und dass nicht alle Menschen geimpft werden
können, beispielsweise Schwangere oder Kinder.»

Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Thomas Isenberg,
sieht das ähnlich: «Wenn die Studienlage des RKI stimmt, müssten alle

Geimpften die gleichen Rechte bekommen wie Nicht-Geimpfte mit
negativen Test.» Isenberg warnte allerdings, bevor flächendeckende
Öffnungen für Menschen mit Test oder Impfung in Betracht kämen, sei
zunächst eine harte Vollbremsung nötig, um die aktuelle dritte Welle
massiv einzudämmen. «Außerdem besteht auch bei Geimpften ein
Restrisiko der Virusverbreitung, weshalb Abstands- und Hygieneregeln
für sie weiter sinnvoll sind.»

Der Vorsitzende der Linksfraktion, Carsten Schatz, sagte: «Wenn es so
ist, dass geimpfte Menschen das Virus nicht weiter übertragen können,
gibt es keine rechtliche Grundlage dafür, ihre Grundrechte weiter
einzuschränken.» Das gehe aus dem Infektionsschutzgesetz klar hervor.
«Es geht also mitnichten um Privilegien für geimpfte Menschen,
sondern darum, ihre Grundrechte wiederherzustellen.» Das RKI habe
eine Übertragung trotz Impfung aber noch nicht vollständig
ausgeschlossen. «Deshalb halten wir eine Debatte darüber derzeit für

wenig zielführend.»

CDU-Fraktionschef Burkard Dregger drängt auf mehr Tempo: «Wenn sicher

ist, dass vollständig Geimpfte andere nicht mehr anstecken, dann
müssen sie ihre Rechte zurück erhalten», forderte er. «Denn es gibt

dann keinen Grund mehr, sie ihnen zu verweigern. Jeder muss so
schnell wie möglich ein Impfangebot erhalten.»

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Sebastian Czaja sagte, wenn die
Grundlage für eine Grundrechtseinschränkung wegfalle, müsse auch die

Einschränkung wegfallen. «Das darf aber vor dem Hintergrund der
desaströsen politischen Versäumnisse bei der Impfkampagne nicht zu
gesellschaftlichen Spannungen führen, da für viele Impfwillige noch
kein Impfstoff zur Verfügung steht.» Deshalb erwarte die FDP vom
Regierenden Bürgermeister neue, smarte Regeln um möglich zu machen,
was möglich sei, anstelle eines Dauer-Lockdowns.

AfD-Fraktionschef Georg Pazderski lehnte Lockerungen ausschließlich
für Geimpfte ab. «Grundrechte gelten für alle und dürfen nicht durc
h
fragwürdige gesundheitspolitische Vorgaben ausgehebelt werden»,
argumentierte er. Die Partei fordere ein sofortiges Ende aller
Freiheitsbeschränkungen ohne Bedingungen. Hinzu komme, dass Bund und
Länder Deutschland in ein Impfchaos geführt hätten. «Niemand wagt
noch eine Prognose, ob und wann selbst diejenigen, die dazu bereit
sind, überhaupt geimpft werden», so Pazderski. «Alleine deswegen
verbietet sich die Verquickung von gesetzeswidrigem Freiheitentzug
und Impfen auf freiwilliger Basis.»