Landkreise kritisieren Bundes-Notbremse als Misstrauensvotum

Berlin (dpa) - Die deutschen Landkreise haben die Pläne zur
Vereinheitlichung der Corona-Schutzmaßnahmen scharf verurteilt. «Der
vorliegende Entwurf ist ein in Gesetz gegossenes Misstrauensvotum
gegenüber Ländern und Kommunen», sagte der Präsident des Deutschen

Landkreistages, Reinhard Sager, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe
(Online Sonntag, Print Montag). «Damit verlässt der Bund den Modus
gemeinsamer Krisenbekämpfung und will direkt vor Ort wirkende
Maßnahmen anordnen.»

Die Bundesregierung will die dritte Corona-Welle in Deutschland mit
bundesweit einheitlichen und verpflichtenden Regeln brechen. Dazu
soll im Eilverfahren das Infektionsschutzgesetz nachgeschärft werden.
In einem Entwurf schlägt der Bund unter anderem vor, dass es in
Landkreisen mit einer Inzidenz von mehr als 100 Infektionen pro 100
000 Einwohnern in einer Woche nächtliche Ausgangsbeschränkungen geben
sollte, Schulschließungen ab einer Inzidenz von 200.

Sager bezweifelte, dass die dritte Infektionswelle damit gebrochen
werden kann. «Wir halten es jedenfalls generell für fraglich,
passgenaue Lösungen für höchst unterschiedliche Situationen vor Ort
unmittelbar in einem Bundesgesetz vorzuschreiben», sagte der Landrat
des Landkreises Ostholstein. Damit würden «verantwortbare
Modellversuche über einer Inzidenz von 100» praktisch unterbunden.
Hinzu kämen «vom Bund über den Kopf der Länder hinweg angeordnete
Schulschließungen». Ausgangssperren seien ebenfalls sehr kritisch zu
hinterfragen.

Die Debatte sei auch getrieben vom Wunsch nach bundeseinheitlichen
Lösungen, so Sager. «Das ist aber gerade nicht das Gebot der Stunde,
da in einer sich örtlich sehr unterschiedlich darstellenden Pandemie
pauschales Agieren nicht treffsicher genug ist.» Außerdem sei die
reine Fokussierung auf die Inzidenz zu einseitig. «Hier müssen auch
weitere Faktoren wie die Belegung der Intensivbetten und die
Reproduktionszahl mit einbezogen werden», forderte er.