Kritik an automatischer Lockerung der Corona-Regeln in Brandenburg

In den meisten Kreisen und kreisfreien Städten in Brandenburg gilt
die Corona-«Notbremse», die bei einer Sieben-Tage-Inzidenz über 100
gezogen wird. Wenn die Infektionszahlen sinken, tritt sie automatisch
außer Kraft. Das löst in einigen Kommunen Reaktionen aus.

Potsdam (dpa/bb) - In Brandenburger Kommunen regt sich Kritik am
automatischen Ende der regionalen Corona-«Notbremse» bei einem
Rückgang der Infektionszahlen. Potsdams Oberbürgermeister Mike
Schubert (SPD) wandte sich gegen diese Regelung in der Verordnung des
Landes. «Wir können bei sinkenden Neuinfektionen nicht stur
aufmachen», warnte Schubert am Samstag. «Bei vollen Intensivbetten
reichen auch wenige Neuerkrankte, um das System zu überlasten. Das
wäre dann der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.
»

Schubert warb dafür, dass in der geplanten Änderung des
Infektionsschutzgesetzes für bundeseinheitliche Regeln die
«Notbremse» nicht automatisch endet wie in Brandenburg. Nach der
Brandenburger Corona-Verordnung tritt sie in Kreisen und kreisfreien
Städten in Kraft, wenn dort der Wert neuer Infektionen pro 100 000
Einwohner in einer Woche an drei Tagen hintereinander über 100 liegt.
Dann fallen die Lockerungen weg, die im März eingeführt wurden. Ein
Haushalt darf sich wieder nur mit einer weiteren Person treffen,
Einkaufen mit Termin ist tabu. Dies gilt für mindestens zwei Wochen.
Bund und Länder hatten die «Notbremse» beschlossen.

Wenn die Sieben-Tage-Inzidenz vom zehnten bis zwölften Tag der
Anordnung für schärfere Regeln wieder unter 100 liegt, endet die
«Notbremse» mit Ablauf des Tages nach diesen zwei Wochen. Das könnte

in Potsdam in wenigen Tagen der Fall sein, im Kreis
Potsdam-Mittelmark bereits ab diesem Sonntag und im Kreis Barnim ab
Dienstag. Die Infektionszahlen in Brandenburg waren an Ostern
gesunken, vermutlich wird dann weniger getestet und gemeldet.

Der Brandenburger Landkreistag kritisierte das automatische Ende der
«Notbremse» ebenfalls. «Das ist eine Schaukelpolitik, aber die
Verordnung ist so angelegt», sagte Geschäftsführer Paul-Peter Humpert

der «Märkischen Allgemeinen» (Samstag). Das Hin und Her zwischen
Öffnen und Schließen auf Grundlage der Inzidenz sei nur schwer zu
vermitteln. Der Landkreistag wolle bei der nächsten Gelegenheit
darauf dringen, dies in der Verordnung zu ändern.

Der Landrat des Kreises Barnim, Daniel Kurth (SPD), warnte in der
Zeitung vor einem trügerischen Effekt. Nach Weihnachten sei die Zahl
der Infektionen sprunghaft gestiegen. «Vor diesem Hintergrund können
wir nicht ausschließen, dass uns die geltende Eindämmungsverordnung
nach möglichen Lockerungen in der kommenden Woche sehr schnell auch
wieder zu einer Verschärfung der Maßnahmen zwingt», sagte Kurth.

Das Gesundheitsministerium plant allerdings derzeit keine Änderung
der Eindämmungsverordnung, wie Sprecher Gabriel Hesse sagte. Er
verwies auf die Pläne von Bund und Ländern für die Änderung des
Infektionsschutzgesetzes.

Landesweit steigt die Sieben-Tage-Inzidenz neuer Corona-Infektionen
nach einem Rückgang über Ostern wieder. Der Wert neuer Ansteckungen
pro 100 000 Einwohner in einer Woche lag am Samstag bei knapp 111,
wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Über das Osterfest und
danach war dieser Wert zurückgegangen und am vergangenen Donnerstag
unter 100 gesunken. Der regionale Schwerpunkt der Corona-Infektionen
bei der Sieben-Tage-Inzidenz bleibt der Landkreis Elbe-Elster mit
einem Wert von rund 193, gefolgt vom Kreis Oder-Spree mit knapp 186
und Cottbus mit rund 175.