Weitgehend Zustimmung für einheitliche Corona-Regeln

Lange konnten sich Bund und Länder in der Corona-Bekämpfung nur auf
den kleinesten gemeinsamen Nenner einigen, nun soll es schnell gehen.
Das Vorhaben einer Bundesregelung wird grundsätzlich unterstützt -
die Probleme könnten aber mit der Detailarbeit kommen.

Berlin (dpa) - Die Pläne für bundesweit einheitliche Regeln gegen die
dritte Corona-Welle sorgen weitgehend für Zustimmung. In den
kommenden Tagen könnten Bund und Länder aber noch harte Verhandlungen
zu den Details des geplanten Gesetzes bevorstehen. Am Dienstag soll
der Entwurf im Kabinett verabschiedet werden und dann möglichst
schnell in Bundestag und Bundesrat kommen.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) rechnet damit,
dass der Prozess zur Nachschärfung des Infektionsschutzgesetzes bis
zu zwei Wochen dauern könnte. «Ich gehe schon davon aus, dass
innerhalb der nächsten 10, 14 Tage wir das gemeinsam - Bundestag und
Bundesrat - auch bewältigen werden und dass wir damit dann auch einen
Rahmen haben, mit dem wir alle gemeinsam gut arbeiten können», sagte
der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz im ZDF-«Heute
Journal». Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hatte sich
zuvor noch zuversichtlich geäußert, die Änderungen auch innerhalb
einer Woche umsetzen zu können.

Bund und Länder hatten angesichts steigernder Neuinfektionszahlen und
einer zunehmenden Belastung auf den Intensivstationen ein neues
Verfahren vereinbart. Statt der gewohnten Konferenz von Kanzlerin
Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten sollen Maßnahmen für

Regionen mit hohen Infektionszahlen gesetzlich festgehalten werden.

Die Details waren zunächst offen. So betonte Müller, dass einige
Themen, etwa im Bildungsbereich, weiterhin in der Verantwortung der
Bundesländer bleiben sollten. Vorgeschlagen wurde allerdings auch,
Schulen generell nur unter der Voraussetzung regelmäßiger Tests zu
öffnen. Denkbar sind auch gesetzliche Regelungen etwa für nächtliche

Ausgangsbeschränkungen, strengere Vorschriften für private Treffen
und ein Ende der mancherorts gestarteten Modellprojekte für Öffnungen
von Läden und Theatern mit Test.

Bereits Anfang März hatten Bund und Länder Regeln für den Fall
vereinbart, dass die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Region den Wert
von 100 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner übersteigt. Alle
Lockerungen sollten wieder vollständig zurückgenommen werden.
Allerdings zeigte sich danach vielfach, dass die sogenannte Notbremse
nicht ausreichend angewendet wurde - wie etwa Merkel kritisiert
hatte.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) plädierte für e
in
zügiges Verfahren für einheitliche Regeln. «Brandenburg hat sich
stets für bundeseinheitliche Regeln zur Eindämmung der Pandemie stark
gemacht», sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Potsdam. «Wenn die
Änderung des Bundesinfektionsschutzgesetzes dazu beiträgt, ist das
gut. Wir können uns aber keine langwierigen
Gesetzesänderungsverfahren leisten, sondern brauchen schnelle
Entscheidungen. Die dritte Welle der Pandemie macht keine Pause.»

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus kritisierte, die Länder hätten
ihren Spielraum oft uneinheitlich ausgeübt. Jetzt sei ein gemeinsames
Vorgehen wichtig: «Es darf keine Front zwischen Bund und Ländern
geben. Wir sind darauf angewiesen, dass wir diese Pandemie gemeinsam
bekämpfen», sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).
«Wir müssen nur aufpassen, dass wir das gemeinsam und nicht gegen die
Bundesländer auf den Weg bringen.» Denn die Umsetzung der Maßnahmen
liege in der Zuständigkeit der Länder.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt betonte, es sei richtig,
dass die Entscheidungen im Bundestag getroffen würden. «Die
Bund-Länder-Konferenz war und ist ein notwendiges Mittel in der
Pandemiebekämpfung, aber sie darf kein Notparlament sein», sagte er
der «Augsburger Allgemeinen».

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich betonte, es gehe nicht um eine
Kompetenzverschiebung von den Ländern zum Bund, sondern um
Transparenz und Verbindlichkeit. «Änderungen am
Infektionsschutzgesetz können für mehr Klarheit sorgen und dem
Eindruck eines Flickenteppichs entgegenwirken», sagte er dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die SPD-Fraktion werde sich den
Entwurf der Bundesregierung genau anschauen. Ein schnelles, aber
geordnetes Verfahren sei gesichert.

Auch der Städtetag begrüßte, dass ein gemeinsamer Rahmen geschaffen
werden soll. Um Vertrauen zurückzugewinnen, brauche es eine gute
Kommunikation von Bund und Ländern, sagte Städtetagspräsident
Burkhard Jung den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). «Bisher
gab es zu viel Durcheinander in den Ländern».

Angesichts steigender Patientenzahlen in der dritten Corona-Welle
warnte der Vorsitzende des Weltärztebundes derweil vor einer
Zuspitzung der Lage in den deutschen Krankenhäusern. «Wir werden in
den Kliniken jetzt eingeholt von den Infektionen, die vor vier Wochen
stattgefunden haben», sagte Frank Ulrich Montgomery der «Passauer
Neuen Presse». Auch die Triage werde «mit Sicherheit» wieder im Raum

stehen. Dann müssen Mediziner wegen knapper Ressourcen entscheiden,
wem sie zuerst helfen. «Wir waren sehr dankbar, dass sie in den
ersten beiden Wellen nicht gebraucht wurde. Es ist vorstellbar, dass
es zu Situationen kommt, in denen sie angewendet wird», sagte
Montgomery.

Zuletzt hatten die Gesundheitsämter dem RKI binnen eines Tages 24 097
Corona-Neuinfektionen gemeldet. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden
246 neue Todesfälle verzeichnet. Wegen der Feiertage und der
Schulferien könnten die Corona-Zahlen des RKI noch nicht vergleichbar
mit den Werten vor Ostern sein. Die Zahl der binnen sieben Tagen
gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner lag am Samstagmorgen
bundesweit bei 120,6.