Einheitliche Regeln gegen die dritte Corona-Welle - Experten besorgt

Die lange geforderte Einheitlichkeit der Corona-Maßnahmen in
Deutschland soll kommen. Dazu soll das Infektionsschutzgesetz
nachgeschärft werden. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus warnt vor
Zerwürfnissen.

Berlin (dpa) - Mit bundesweit einheitlichen Regeln soll die dritte
Corona-Welle in Deutschland gebrochen werden. Dazu soll das
Infektionsschutzgesetz im Eilverfahren nachgeschärft werden - so der
Plan der Bundesregierung. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus warnt
dabei vor Zerwürfnissen mit den Ländern. «Es darf keine Front
zwischen Bund und Ländern geben. Wir sind darauf angewiesen, dass wir
diese Pandemie gemeinsam bekämpfen», sagte Brinkhaus den Zeitungen
der Funke Mediengruppe (Samstag). Er begrüße aber den Vorstoß für
mehr Einheitlichkeit.

«Wir sind als Bundestag unglücklich darüber, dass der Spielraum, den

wir den Ländern im Infektionsschutzgesetz geben, zu oft uneinheitlich
ausgeübt wird», sagte Brinkhaus. Der Bundestag könnte im
Infektionsschutzgesetz nun genauer festlegen, was gemacht werden
muss, wenn die Corona-Zahlen bestimmte Grenzen überschreiten. «Wir
müssen nur aufpassen, dass wir das gemeinsam und nicht gegen die
Bundesländer auf den Weg bringen», sagte Brinkhaus. Denn die
Umsetzung der Maßnahmen liege in der Zuständigkeit der Länder.

Die Bundesregierung setzt darauf, dass die Änderung des
Infektionsschutzgesetzes schnell geht: Sie sollen laut der
stellvertretenden Regierungssprecherin Ulrike Demmer schon in der
kommenden Woche vom Kabinett beschlossen werden. Die nächste Sitzung
der Bundesregierung werde von Mittwoch auf Dienstag vorgezogen. Der
Bundestag muss den Änderungen zustimmen, er kommt planmäßig vom
kommenden Mittwoch bis Freitag zusammen. Auch der Bundesrat muss die
Nachschärfungen billigen. Die nächste Sitzung der Länderkammer ist am

7. Mai geplant, es könnte aber eine Sondersitzung geben.

Für den Fall, dass die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Region den Wert
von 100 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner übersteigt, hatten Bund
und Länder Anfang März Regeln vereinbart: Alle Lockerungen der
Corona-Maßnahmen müssten demnach wieder vollständig zurückgenommen

werden. Allerdings zeigte sich in den vergangenen Wochen vielfach,
dass diese sogenannte Notbremse nicht ausreichend angewendet wurde -
wie etwa Merkel kritisiert hatte.

Offenbar sollen diese Regeln nun im Infektionsschutzgesetz
verbindlich festgeschrieben werden. Wie die zusätzlichen Regelungen
aussehen könnten, war zunächst unklar. Ein Ringen zwischen Bund und
Ländern scheint aber vorprogrammiert

Der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte dem Redaktionsnetzwerk
Deutschland (RND/Samstag): «Änderungen am Infektionsschutzgesetz
können für mehr Klarheit sorgen und dem Eindruck eines
Flickenteppichs entgegenwirken.». Es gehe nicht um eine
Kompetenzverschiebung von den Ländern zum Bund, sondern um
Transparenz und Verbindlichkeit. Die SPD-Fraktion werde sich den
Entwurf zum Infektionsschutzgesetz, der in der Bundesregierung
erarbeitet werde, genau anschauen. Ein schnelles, aber geordnetes
Verfahren sei gesichert.

Auch der Städtetag begrüßte, dass gemeinsamer bundeseinheitlicher
Rahmen geschaffen werden soll. Um Vertrauen zurückzugewinnen, brauche
es eine gute Kommunikation von Bund und Ländern, sagte
Städtetagspräsident Burkhard Jung den Zeitungen der Funke
Mediengruppe (Samstag). «Bisher gab es zu viel Durcheinander in den
Ländern». Die Notbremse müsse konsequent angewandt werden, damit die

Corona-Lage nicht außer Kontrolle gerate.

Angesichts steigender Patientenzahlen in der dritten Corona-Welle
warnte der Vorsitzende des Weltärztebundes derweil vor einer
Zuspitzung der Lage in den deutschen Krankenhäusern. «Wir werden in
den Kliniken jetzt eingeholt von den Infektionen, die vor vier Wochen
stattgefunden haben», sagte Frank Ulrich Montgomery der «Passauer
Neuen Presse» (PNP, Samstag).

Auch die Triage werde «mit Sicherheit» wieder im Raum stehen. Triage
bedeutet, dass Mediziner aufgrund von knappen Ressourcen entscheiden
müssen, wem sie zuerst helfen. «Wir waren sehr dankbar, dass sie in
den ersten beiden Wellen nicht gebraucht wurde. Es ist vorstellbar,
dass es zu Situationen kommt, in denen sie angewendet wird.» Es sei
deshalb richtig, dass sich die Kliniken sich auf einen Ansturm
einstellen, sagte Montgomery.

Die Entwicklungen in der dritten Pandemie-Welle betrachtet auch die
Berliner Charité mit großer Sorge. «Wenn die Anzahl schwer kranker
Covid-Patienten die zweite Welle übertrifft, kommen wir in eine
kritische Situation», sagte Martin Kreis, Vorstand für die
Krankenversorgung in Deutschlands größter Uniklinik.

Die Zahl der Neuzugänge auf den Intensivstationen der Charité sei in
den vergangenen beiden Wochen deutlich gestiegen, sagte Kreis.
Besonders betroffen sei nun die Altersgruppe zwischen 30 und 60, die
bislang wenige Chancen auf Impfungen hatte. «Der Trend ist eindeutig,
und er zwingt uns, zu reagieren», ergänzte das Vorstandsmitglied. So
sei eine Reserve-Intensivstation wieder vollständig geöffnet worden.
Darüber hinaus wurden planbare Operationen abgesagt, die aufgeschoben
werden können.