Mal so, mal so: Juristischer Flickenteppich zu Corona-Protesten Von Martin Oversohl, dpa
Könnte die Debatte um die jüngste Stuttgarter Demonstration in der
Corona-Pandemie etwas ins Rollen bringen? Die Stadt verbietet nach
der Schelte weitere Proteste, Rastatt ebenfalls. In Heilbronn dürfen
sich die Gegner der Corona-Politik dagegen versammeln.
Heilbronn/Stuttgart (dpa/lsw) - Gleich der erste Schlag ist ein
Volltreffer. «Willkommen beim Stuttgarter Kein-Maskenball», ätzt
Moderator Christian Ehring in der jüngsten Ausgabe des Satiremagazins
«Extra 3» in die Kamera. Und er setzt nach dem jüngsten Stuttgarter
Massenprotest gegen die Corona-Auflagen gleich noch einen drauf: «Wir
lernen: Man darf in Deutschland gegen das Gesetz verstoßen, wenn nur
genügend Menschen mitmachen.»
Wer den Schaden hat, braucht auch in Corona-Zeiten für den Spott
nicht zu sorgen. Das gilt derzeit vor allem für die Stadt Stuttgart,
die sich nicht zu einem Verbot des Proteste am Karsamstag durchringen
konnte, auch wenn sie nun frühzeitig angekündigt hat, die beiden
kommenden Demonstrationen (17. April) zu untersagen. Auch in Rastatt
sind die Gegner der Corona-Politik an diesem Wochenende nicht
erwünscht. Die Verwaltung berief sich auf die Infektionsgefahr - und
erhielt am Abend die Rückendeckung der Verwaltungsrichter.
Einheitlich gehen die Gerichte aber weiterhin nicht vor, im
Gegenteil: Denn die Stadt Heilbronn konnte ein Verbot vor Gericht
nicht durchsetzen. Im Gegensatz zum Protest in Rastatt können sich
die «Querdenker» dort wie geplant am Samstag (14.00) treffen. Das
Verwaltungsgericht Stuttgart kippte das von der Stadt ausgesprochene
Verbot am Freitagabend und wies die Argumentation der Stadt zurück.
Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel bedauerte dies, kündigte
aber auch an, nicht weiter gegen die Entscheidung vorzugehen.
Die Stadt habe das Verbot mit Verstößen bei einer
«Querdenker»-Veranstaltung im Februar begründet, sagte die Sprecherin
des Verwaltungsgerichts. Es seien damals aber gar keine Auflagen
gemacht worden, gegen die die Demonstranten hätten verstoßen können.
Außerdem sei das Verhalten des Veranstalters in einem Gespräch mit
der Stadtverwaltung kein ausreichender Grund für ein Verbot. Zur Demo
unter dem Motto «Wir stellen uns Faschismus, Extremismus und Hetze in
die Quere. Lasst unsere Kinder atmen» erwartet «Querdenken - 713»
300 Teilnehmer.
Bei ihren Entscheidungen für Verbote hatten die Verantwortlichen in
den Rathäusern ganz bestimmt die Bilder vom Osterwochenende in
Stuttgart vor Augen: Tausende Menschen dicht an dicht, ohne Maske -
mitten in der Corona-Pandemie. Daraufhin war ein Streit darüber
entbrannt, ob solche Veranstaltungen verboten werden können. Am
kommenden Montag müssen Innenminister Thomas Strobl (CDU),
Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) und Stuttgarts OB Frank
Nopper (CDU) den Landtagsabgeordneten im Innenausschuss Rede und
Antwort stehen. Auch der juristische Flickenteppich der
Entscheidungen dürfte dann eine Rolle spielen.
Strobl äußerte Verständnis für Verbote. Sie seien in der aktuellen
Lage «absolut nachvollziehbar», sagte er. Das gelte vor allem dann,
wenn die Absichten der Veranstalter klar seien und es ihnen darum
gehe, Auflagen, Hygienebestimmungen und den Infektionsschutz zu
missachten und damit Gesundheit und Leben zu gefährden.
Der innenpolitische Sprecher der Landtagsgrünen, Uli Sckerl, warf
einem Teil der Gegner vor, systematisch Auflagen zum Infektionsschutz
zu unterlaufen. «Ist das im Vorfeld absehbar, dann sollte die
Versammlung verboten werden», sagte Sckerl. Das sei auch die klare
Ansage, dass sich der Staat «nicht auf der Nase herumtanzen» lasse.
Auch in Öhringen (Hohenlohekreis) ist eine kleine Demonstration am
Sonntag (16.00 Uhr) genehmigt. Es handele sich aber um einen stabilen
Kreis von 25 bis 30 Protestlern, der sich regelmäßig auf einem
Parkplatz am Stadtrand trifft, Abstände einhält und Masken trägt,
sagte ein Stadtsprecher.
In Rastatt setzte sich die Stadt dagegen nach einer noch nicht
rechtskräftigen Entscheidung des Karlsruher Verwaltungsgerichts
durch. Von der als «Großdemo» mit rund 1000 Teilnehmern angekündigt
en
Veranstaltung gehe eine erhebliche infektiologische Gefahr aus,
begründete das Rastatter Landratsamt das Verbot. Der Untertitel der
Demonstration «Zeig dein Gesicht für die Grundrechte» impliziere,
dass sich die Teilnehmer bewusst ohne Maske versammeln wollten. Das
Gesundheitsamt habe das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit gegen
den Infektionsschutz abgewogen, teilte die Behörde mit.
Die Stadt Stuttgart hatte bereits am Donnerstagabend entschieden, die
beiden für den 17. April angemeldeten Proteste von Corona-Gegnern zu
untersagen. Die Veranstalter sollen demnächst entsprechende Bescheide
erhalten. Sie hätten sich als unzuverlässig im Sinne des
Versammlungsrechts erwiesen, sagte Oberbürgermeister Nopper zum
Beschluss, der sicherlich auch als Lehre aus vergangenen
Entscheidungen zu verstehen ist.
So waren am Karsamstag nach offiziellen Schätzungen bis zu 15 000
Menschen zusammengekommen. Nopper hatte daraufhin die Erlaubnis für
die Demonstration wiederholt verteidigt und auf das Versammlungsrecht
verwiesen, das trotz Corona gelte. Das Landessozialministerium hatte
hingegen schon vorab auf ein Verbot gedrungen. Aus Sicht der Behörde
und von Rechtsexperten hätte die Veranstaltung in der Pandemie
untersagt werden können.
Die Demo am Samstag hatten Vertreter der «Querdenken»-Bewegung
angemeldet. Sie kritisieren die Politik zum Eindämmen der
Corona-Pandemie und bewerten die Maßnahmen als Einschränkung der
Grundrechte.