Corona-Lockerungen: 14 NRW-Kommunen dürfen bald wieder etwas öffnen

Endlich wieder ins Theater oder ins Fußballstadion gehen - solche
Wünsche sind groß in der Bevölkerung. Im Rahmen von Modellprojekten
könnte das bald möglich werden in Nordrhein-Westfalen. Die
Bedingungen sind aber hart.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Trotz hoher Corona-Infektionszahlen hat
Nordrhein-Westfalens Landesregierung 14 Kommunen grünes Licht
gegeben, damit sie ihr öffentliches Leben zumindest im kleinen Stil
wieder etwas hochfahren dürfen. Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart
(FDP) stellte am Freitag in Düsseldorf Modellprojekte vor, in
deren Rahmen Sportstätten, Kultureinrichtungen oder
Gastronomie-Terrassen wieder öffnen dürfen. Mit Schnelltests und Apps
soll sichergestellt werden, dass das Infektionsgeschehen durch die
Öffnungen nicht angeheizt wird. Das Vorhaben wird wissenschaftlich
begleitet, um Rückschlüsse für das ganze Land ziehen zu können.

Es geht in zwei Schritten los. Am 19. April ist planmäßig eine erst
e
Gruppe dran: die Nachbarkreise Coesfeld und Warendorf als gemeinsames
Projekt, Ahaus, die Städte Münster und Mönchengladbach, der Kreis und

die Stadt Paderborn sowie der Kreis Soest mit Soest und Lippstadt. Am
26. April geht es um den Kreis Düren sowie die Städte Essen, Hamm,
Köln, Krefeld, Lennestadt, Siegen. Zudem ist der Hochsauerlandkreis
mit den Städten Schmallenberg und Winterberg mit dabei.

Der Start dieser Modellprojekte ist allerdings an die Bedingung
geknüpft, dass die jeweilige Kommune dann unter einer Wocheninzidenz
von 100 liegt - es dürfen sich also nicht mehr als 100 Menschen pro
100 000 Einwohner binnen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt

haben. Sollte dieser Wert nach dem Beginn auf mehr als 100 steigen
und dies mehr als sieben Tage bleiben, wird abgebrochen - es sei
denn, die Kommune legt schlüssig dar, dass der geöffnete Teil des
öffentlichen Lebens «nicht wesentlich» zum Infektionsgeschehen
beigetragen habe.

Am Freitag lag Münster laut Robert Koch-Institut bei einer
Wocheninzidenz von 56,5, Mönchengladbach bei 76,2, Hamm bei
92,8, Essen bei 110,5 und Köln bei 135,2. Die Zahlen machen deutlich,
dass es noch unklar ist, ob tatsächlich alle 14 Kommunen mit ihren
Modellöffnungen wie geplant loslegen können - nur wenn ihre Inzidenz
zweistellig ist, dürfen sie starten.

Ursprünglich war geplant, nur sechs bis acht Kommunen mit
Modellprojekten grünes Licht zu geben. Dass es nun etwa doppelt so
viele sind als zunächst geplant, begründete Pinkwart mit der hohen
Qualität der insgesamt 46 Bewerbungen und mit dem Verweis auf andere
Bundesländer - in Niedersachsen sollen es beispielsweise 13 sein.
Zudem sollen die NRW-Kommunen etwas später starten als geplant. Man
gehe das Vorhaben «wohlbedacht und gut vorbereitet» an und brauche
die kommende Woche noch für Gespräche mit den Kommunen.

Pinkwart betonte, dass mit den Modellprojekten wichtige Erkenntnisse
gesammelt würden. «Es geht uns um eine verantwortliche und
pandemiesichere Umsetzung begrenzter Vorhaben mit klaren Kriterien»,
sagte er. «Es haben nicht die Kommunen insgesamt geöffnet, sondern
sehr gezielt in vorab definierten Projekten, die dann auch mit
entsprechenden Testungen und Nachverfolgungen begleitet werden.»

Der Städte- und Gemeindebund NRW unterstütze den Modellversuch des
Landes, sagte Hauptgeschäftsführer Christof Sommer der «Rheinischen
Post» (Samstag). Er verstehe, wenn Menschen Bedenken hätten. «Aber es

handelt sich um geografisch stark begrenzte und nur auf einzelne
Bereiche festgelegte modellhafte Projekte. Alle, die sich erhofft
hatten, dass bei den Modellen in ihrer Kommune großflächig geöffnet
wird, werden enttäuscht sein.» Die beteiligten Städte und Gemeinden
lieferten nun wissenschaftlich begleitet einzelne Bausteine, die
später in eine breitere Strategie münden könnten. Die vorgesehenen
Abbruchkriterien halte der Verband für sinnvoll und ausreichend.

In Mönchengladbach geht es unter anderem um die Freigabe von Publikum
im Fußballstadion des Bundesligisten Mönchengladbach und im
städtischen Theater sowie in einem für Konzerte und Events umgebauten

Hockeystadion. Essen will ein Fitnessstudio öffnen und fünf
gastronomische Veranstaltungen erlauben.

Der Kreis Düren plant die Öffnung eines Feriendorfs und Kinos.
Lennestadt will mit dem Elspe Festival eine Open-Air-Veranstaltung
erlauben. Siegen möchte fünf öffentliche Bäder für Vereinssport u
nd
Freizeit öffnen. In Paderborn sollen Bäder und ein Fitnesscenter
dabei sein. In Münster soll unter anderem ein Biergarten öffnen und
in Soest Gastronomie in der Innenstadt. In Schmallenberg und
Winterberg sollen Konzepte des kontaktarmen Urlaubs in
Ferienwohnungen, Hotels und auf Campingplätzen getestet werden.

Köln hat ein Bündel an Örtlichkeiten in sein Vorhaben einbezogen, die

Öffnungen sollen stufenweise ausgeweitet werden. In der ersten Stufe
sei zunächst geplant, ein Einkaufszentrum mit ergänzendem
Einzelhandel, eine Ladenstraße, eine Eventlocation, eine
Kultureinrichtung, eine Veranstaltung des Handels, eine Sportstätte
sowie eine Außen- und Innengastronomie einzubeziehen, teilte
die Stadt mit. «Zudem sollen im ersten Schritt auch räumlich
abgegrenzte Modellschulen und Kitas einbezogen werden.»

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) NRW äußerte sic
h
verhalten. Er begrüßte zwar grundsätzlich die Umsetzung
von Lockerungsszenarien. «Für uns bieten sie die Möglichkeit zu
zeigen, dass die Kombination aus unseren hohen Schutzstandards plus
negativen Tests und digitaler Kontaktdatennachverfolgung Lockerungen
in der (Außen)gastronomie erlauben», teilte der Verband mit. Es könne

aber nur ein erster Schritt sein. «Parallel brauchen wir weiterhin
eine umfassende Öffnungsperspektive für alle Betriebe des
Gastgewerbes.» Zudem wies das Branchensprachrohr darauf hin, dass
allein der Betrieb von Außengastronomie - besonders zur aktuellen
Jahreszeit - betriebswirtschaftlich unrentabel sei.

Aus der Opposition im NRW-Landtag kam Kritik. Der SPD-Abgeordnete
Christian Dahm bemängelte, dass die Kommunen zwischen Bekanntgabe der
Teilnahme-Kriterien und dem Einsendeschluss nur 24 Stunden Zeit
gehabt hätten. Das Vorgehen der Landesregierung sei «ungerecht und im
schlimmsten Falle kontraproduktiv», sagte er. «Wenn jetzt in 14
Kommunen Öffnungen getestet werden, müssen wir auch mit
entsprechenden Verkehrsflüssen dorthin rechnen. Viele Menschen
könnten sich dann in wenigen Städten und Gemeinden knubbeln.»