Mediziner warnen vor überfüllten Intensivstationen in Berlin

Berlin (dpa/bb) - Notfall-Mediziner haben vor einer drohenden
Überlastung der Berliner Intensivstationen in der dritten
Pandemie-Welle gewarnt. Es gebe im Moment bereits eine dramatische
Belastung, sagte Steffen Weber-Carstens,
medizinisch-wissenschaftlicher Leiter des Registers der Deutschen
Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin
(Divi) am Freitag. «Wir haben in Berlin in den vergangenen drei
Wochen wieder 100 beatmete Patienten mehr auf den Intensivstationen.
Aktuell sind es 280.» Allein in der Charité, die die schwersten Fälle

behandelt, seien es 90. Ein Ende der Neuaufnahmen sei bei steigenden
Infektionszahlen nicht absehbar.

30 Prozent der Covid-Patienten auf den Intensivstationen der
Hauptstadt seien aktuell im Alter von 35 bis 59. Zwei Drittel seien
zwischen 60 und 79 Jahre alt. «Das ist eine dramtische Verjüngung»,
sagte Weber-Carstens.

Viele Covid-Kranke brauchten Beatmung. Die Mediziner gingen davon
aus, dass sie auch eine deutlich längere Liegedauer auf den
Intensivstationen haben werden als früher. Denn es gebe nun mehr
schwere Verläufe mit Multiorganversagen und Sekundärinfektionen. Das
sei wahrscheinlich auf die nun dominierende Virus-Variante B 1.1.7.
zurückzuführen. Sie gilt Virologen nicht nur als ansteckender,
sondern auch als gefährlicher im Vergleich zum Urtyp, der vor einem
Jahr vorherrschte. Nach Angaben der Divi stirbt bundesweit bei den
unter 50-Jährigen jeder fünfte schwerkranke Covid-Intensivpatient.
Bei den Älteren sei es im Schnitt jeder zweite.

«Wir müssen die Infektionsdynamik unter Kontrolle bringen», betonte
Weber-Carstens. Sonst könne es passieren, dass die Reserve an
Klinikbetten und Personal nicht mehr reiche. Deshalb werden bereits
planbare Operationen abgesagt.

Auf dem Höhepunkt der zweiten Welle gab es nach Divi-Angaben in
Berlin mehr als 450 Covid-Intensivpatienten - auch aus anderen
Bundesländern. Seitdem seien die Zahlen nicht unter 170 gefallen,
sagte Weber-Carstens. Die Divi befürchtet, dass die dritte Welle die
zweite ohne einen sofortigen harten Lockdown toppt.

Die Corona-Ampel der Senatsgesundheitsverwaltung stand mit Blick auf
die Belegung der Intensivbetten mit Corona-Patienten am Donnerstag
mit 23,9 Prozent auf Tieforange. Ab 25 Prozent springt sie auf Rot.