Vorpommern-Greifswald - Diskussion um Meldeverzüge geht weiter

Seit Tagen stehen die Corona-Inzidenzwerte in Vorpommern-Greifswald
im Fokus. Auch nachdem Landrat Michael Sack (CDU) eine Erklärung für
Unstimmigkeiten geliefert hat, geht die Diskussion weiter.

Greifswald (dpa/mv) - Anlässlich offenbar verzerrter
Corona-Inzidenzwerte in Vorpommern-Greifswald hat Greifswalds
Oberbürgermeister die Landesregierung aufgefordert, für Klarheit bei
den Infektionszahlen zu sorgen. Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU)
sieht den Landkreis am Zug. Nach Untersuchungen des Landesamtes für
Gesundheit und Soziales (Lagus) im Auftrag seines Ministreriums
erklärte er am Freitag: «Nun ist es wichtig, dass der Landkreis den
Hinweisen des Lagus nachgeht und diese konsequent umsetzt, damit
Datenmeldung und Kontaktnachverfolgung effizient und rasch erfolgen
können.»

Unterdessen überzeugt die Erklärung des Landrates von
Vorpommern-Greifswald für die Meldeverzüge nicht jeden. Dass das
Ganze auf einem Missverständnis beruhe, sei genauso schwer
nachzuvollziehen wie die vorgetragenen «Scheinargumente» der letzten
Tage, erklärte Hannes Damm, Landtagskandidat der Grünen. Landrat
Michael Sack (CDU), der auch CDU-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl
ist, hatte die Meldeverzüge am Donnerstagabend damit erklärt, dass
man davon ausgegangen sei, 70 Einzelpunkte bei der Befragung von
positiv getesteten Menschen auf einmal an das Lagus liefern zu
müssen. Ein Grundgerüst mit weniger Informationen sei hingegen
zunächst ausreichend.

Das Lagus bestätigte die Darstellung am Freitag auf Anfrage. Man habe
wegen hoher Fallzahlen Anfang Januar die Empfehlung abgegeben, dass
in der Erstmeldung mindestens sechs Kernangaben einfließen sollten.
Ende März sei der Meldeverzug für anhaltende Auffälligkeiten der
Inzidenzwerte identifiziert und der Landkreis umgehend informiert
worden. Am Donnerstag seien im Auftrag des Gesundheitsministeriums
Verbesserungsvorschläge mit dem Landkreis diskutiert und deren
Umsetzung umgehend eingeleitet worden.

Da die Meldeverzüge erst Mitte Februar begonnen hätten, sei das
Problem weiterhin nicht geklärt, kritisierte hingegen Damm. Er
forderte Gesundheitsminister Glawe dazu auf, zu klären, «wie der
festgestellte, sieben Wochen andauernde, mehrtägige Meldeverzug im
Verhältnis zum Infektionsschutzgesetz zu bewerten ist».

Auch Greifswalds Oberbürgermeister Stefan Fassbinder sieht die
Landesregierung in der Pflicht. «Ich wünsche mir, dass wir richtige
Zahlen bekommen», sagte der Grünen-Politiker am Freitag. Für ihn
dauere das alles sehr lange.

Die Zahlen des Landkreises würden auch in die Landesinzidenz
miteinfließen, die wiederum Grundlage für weitreichende
Entscheidungen sei. Wenn zu niedrige Werte zugrunde gelegt würden,
gefährde man die Bürgerinnen und Bürger. «Die Bevölkerung ist
zutiefst verunsichert», hieß es in einer Mitteilung der Stadt. Die
hohe Auslastung der Krankenhäuser in Greifswald stehe im Widerspruch
zu den sinkenden Infektionszahlen, die vom Lagus herausgegeben
würden.

Unzufriedenheit kam am Freitag auch aus dem Kreistag von
Vorpommern-Greifswald. Die Vorsitzende der Fraktion Grüne und
Tierschutzpartei, Ulrike Berger, forderte dass sofort die richtigen
Zahlen mit allen Konsequenzen verwendet werden, auch mit Blick auf
den Schulbetrieb in der kommenden Woche. Man halte außerdem weiter
den Tatbestand der Dienstpflichtverletzung des Landrats für erfüllt
und fordere eine entsprechende Prüfung durch das
Gesundheitsministerium sowie das Innenministerium.

Ein Vergleich der tagesaktuellen Berichte des Lagus mit der Datenbank
des Robert Koch-Instituts (RKI) für Vorpommern-Greifswald zeigt
deutliche Abweichungen bei den Corona-Inzidenzen. In der Datenbank
des RKI werden auch nachträglich für ein bestimmtes Meldedatum
übermittelte Fälle berücksichtigt.