Viel Platz in Zügen und Bussen - Dickes Corona-Minus bei Fahrgästen Von Eva Krafczyk, dpa

Geschlossene Hotels, Appelle zum Verzicht auf Besuche von Freunden
und Verwandten - und natürlich das Homeoffice: Die Corona-Pandemie
hat die Mobilität stark verändert. Das zeigen auch Fahrgastzahlen für

Busse und Bahnen.

Wiesbaden/Frankfurt (dpa) - Es ist leer am Frankfurter Hauptbahnhof
in diesen Tagen, sehr leer. Wo einst vor allem im Berufsverkehr
morgens und abends Tausende Pendler durch den Bahnhof hasteten, wo an
Wochenenden Begrüßungs- und Abschiedsszenen von getrennt lebenden
Paaren zum normalen Bild gehörten, herrscht nun eine Ruhe, die auch
nach mehr als einem Jahr noch ungewohnt ist. Und auch nebenan, am
Busbahnhof, ist an den Bussteigen sehr viel Platz.

Die Eindrücke entsprechen den Zahlen, die das Statistische Bundesamt
am Donnerstag vorgestellt hat: Im vergangenen Jahr waren bedingt
durch die Corona-Pandemie nur etwa halb so viele Fahrgäste im
Linienfernverkehr mit Bussen und Bahnen unterwegs wie im Jahr davor.
Mit 88 Millionen Reisenden war das Fahrgastaufkommen um 49 Prozent
geringer, berichtete das Statistische Bundesamt am Donnerstag. Dabei
waren im Fernverkehr der Bahn mit 82 Millionen Fahrgästen 46 Prozent
weniger Menschen unterwegs. Im Linienverkehr mit Fernbussen ging die
Fahrgastzahl sogar um 71 Prozent auf 6,1 Millionen zurück.

Auch im Nahverkehr brachen die Fahrgastzahlen nach vorläufigen
Ergebnissen ein und gingen fast um ein Drittel zurück. So waren im
Eisenbahn-Nahverkehr einschließlich S-Bahnen mit 1,7 Milliarden
Fahrgästen 39 Prozent weniger Menschen unterwegs als 2019. Mit
Straßenbahnen fuhren 2,9 Milliarden Fahrgäste - 31 Prozent weniger
als im Jahr zuvor.

Forscher der Frankfurt University of Applied Sciences hatten bereits
im vergangenen Jahr in einer Studie einen Vertrauensverlust in Bezug
auf den öffentlichen Nahverkehr festgestellt. «Vor allem Menschen,
die nicht so oft mit dem ÖPNV fahren, fühlen sich jetzt unsicher und
bleiben weg», sagt die Professorin und Verkehrsplanerin Petra
Schäfer. Vielfahrer seien weniger ängstlich.

Zwar gebe es Informationskampagnen über Hygienemaßnahmen, doch die
erreichten die wegbleibenden Gelegenheitsfahrer nicht. Eine Umfrage
im August habe gezeigt, dass viele Fahrgäste sich lieber mit dem
Fahrrad, Auto oder zu Fuß auf den Weg machten. Oder sie blieben
gleich im Homeoffice.

Die wirtschaftlichen Folgen für die Verkehrsbetriebe sind enorm.
Monatlich entstehen Verluste in dreistelliger Millionenhöhe, hatte
der Branchenverband VDV im Februar berichtet - und am Donnerstag über
den Kurznachrichtendienst Twitter eine Anschlussregelung für den
ÖPNV-Rettungsschirm gefordert.

Besonders deutlich wird der Einbruch bei den Fahrgastzahlen in den
Lockdown-Monaten. Im zweiten Quartal 2020 waren drei Viertel weniger
Menschen im Fernverkehr mit Bussen und Bahnen unterwegs als im
Frühjahr 2019. Dabei hatte der Bahnfernverkehr 72 Prozent weniger
Fahrgäste, während der Linienverkehr mit Fernbussen mit 96 Prozent
weniger Fahrgästen nahezu zum Erliegen kam.

Im vierten Quartal von Oktober bis Ende Dezember waren 63 Prozent
weniger Reisende mit Bus und Bahn auf längeren Strecken unterwegs.
Dabei waren mit der Bahn 59 Prozent weniger Fahrgäste unterwegs,
während bei den Bussen im Fernverkehr der Rückgang mit 88 Prozent
weniger Reisenden erneut deutlich höher ausfiel.

Zahlen des Statistischen Bundesamts zur allgemeinen Mobilität nach
ersten Lockerungen im März zeigten: In der ersten Märzhälfte lag die

Mobilität in Deutschland 13 Prozent unter der des Jahres 2019. Und
auch wenn Bahn- oder Flugverkehr die höchsten Einbrüche bei den
Reisenden hatten, zeigt die Auswertung der Mobilitätsveränderungen
nach Verkehrsmitteln, dass deutschlandweit seit Anfang November 2020
knapp ein Viertel weniger Autofahrten stattfanden als vor der
Corona-Krise.

An Wochenenden allerdings sei die Mobilität wohl stark wetterabhängig
- wenn die Sonne länger scheine, seien auch mehr Menschen unterwegs,
hieß es. Am zurückliegenden Osterwochenende jedoch war es selbst in
Regionalzügen des Rhein-Main-Gebietes meist kein Problem, Abstand zu
Mitreisenden zu halten - trotz sonnigen Frühlingswetters.

Gerade bei längeren Reisen scheint Zurückhaltung zu herrschen. «Habe

ich auch ganz bestimmt einen Einzelplatz?», erkundigt sich eine
ältere Frau beim Kauf ihrer Fahrkarte im Servicezentrum der Bahn.
Anders als vor der Pandemie gibt es auch hier keine Warteschlange.
Sie habe als über 80-Jährige zwar bereits beide Corona-Impfungen
erhalten, aber die Angst fahre doch immer irgendwie mit, räumt die
Frau ein. «Ich werde immer ganz nervös, wenn ich im Zug sitze, und in
der Reihe neben mir nimmt jemand die Maske ab und fängt an zu essen.»