Luca-App trotz anhaltender Kritik auf dem Vormarsch Von Christoph Dernbach, dpa

Die Bundesländer tun sich schwer damit, eine einheitliche
Entscheidung über das beste digitale Tool für die Eindämmung der
Corona-Ausbreitung zu finden. Favorit bleibt die Luca-App, obwohl die
Kritik an der Lösung eines Berliner Start-ups nicht verstummt.

Berlin (dpa) - Mit fulminanten Auftritten in TV-Talkshows von
«Maischberger» bis «Anne Will» hat der Rapper Smudo von den
Fantastischen Vier die Luca-App in den vergangen Wochen als digitales
Tool gegen die Corona-Pandemie ins Gespräch gebracht. Viele
Zuschauerinnen und Zuschauer ließen sich von Smudo und seinem Konzept
überzeugen. Mit der App schnell einchecken und so mögliche
Infektionsketten unterbinden: Über 3,1 Millionen Menschen haben
inzwischen die Anwendung auf ihr Smartphone heruntergeladen. Sie
setzen auf Luca, um der fragwürdigen Zettelwirtschaft bei
Restaurant-Besuchen und anderen Events ein Ende zu bereiten, wo man
sich bislang in der Regel in Papierlisten eintragen musste.

Die Infektionsschutzverordnungen der Bundesländer begnügen sich
nämlich nicht mit der anonymen Erfassung von Risiko-Begegnungen, wie
sie von der Corona-Warn-App des Bundes geleistet wird. Die
Gesundheitsämter sollen im Zweifelsfall auf die kompletten
Kontaktdaten zurückgreifen können, um die Infektionsketten zu
erkennen und unterbrechen zu können.

Die Zettelwirtschaft ist in mehrfacher Hinsicht problematisch. Zum
einen haben sich etliche Gäste mit Fake-Identitäten wie «Donald Duck
»
und falschen Telefonnummern eingetragen. Datenschützer bemängelten,
dass die Listen teilweise offen einsehbar rumlagen und die
Privatsphäre der Besucher nicht geschützt wurde. Und nicht nur die
Aktivisten des Chaos Computer Clubs störten sich daran, dass die
Besucherlisten in manchen Bundesländern auch von der Polizei
konfisziert wurden, um gewöhnliche Kriminelle zu verfolgen.

Die Luca-App versucht, diese kritischen Punkte aus der analogen
Kontaktverfolgung zu vermeiden. Zwar kann man sich bei der
Check-in-App des Berliner Start-ups neXenio auch als Comic-Figur
eintragen. Aber bei der Angabe der Mobiltelefonnummer ist Mogeln nur
schwer möglich, weil diese mit einer SMS validiert wird. So wüssten
die Gesundheitsämter immerhin, unter welcher Nummer sie «Donald Duck»

erreichen können. Die Macher der Luca-App versprechen, dass die
Einträge nur im Infektionsfall von den Gesundheitsämtern eingesehen
werden - und das auch nur, wenn die Anwender dem zustimmen. Das
Verfahren sei durch eine doppelte Verschlüsselung abgesichert.

Als erstes Bundesland ließ sich Mecklenburg-Vorpommern von dem
Konzept überzeugen, auch um den Bewohnern und Gästen ohne lange
Warterei eine Öffnungsperspektive bieten zu können.
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) nahm knapp 440 000 Euro
für eine Landeslizenz in die Hand. Mit dem Geld werden auch die
SMS-Kosten sowie die Aufwendungen für die Anbindung an die IT-Systeme
der Gesundheitsämter finanziert.

Eine bundesweite Einigung auf eine Check-in-App steht allerdings noch
aus. Etliche Regierungschef wollen nun auch nicht mehr auf den großen
Konsens warten. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller
(SPD) brachte es vor Ostern auf den Punkt: «Mecklenburg-Vorpommern
macht's, ich will es dann jetzt auch machen», sagte er. Die
Hauptstadt veranschlagt 1,2 Millionen Euro dafür.

Mit an Bord sind nach Angaben des Luca-App-Betreibers Culture4life
inzwischen auch Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, das
Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen, Brandenburg, Baden-Württemberg,
Schleswig-Holstein und zuletzt auch Bayern.

In Thüringen, wo sich Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) zunächst

für Luca stark gemacht hat, wurde eine landesweite Check-in-App
jedoch ausgeschrieben - auch weil sich etliche Luca-Konkurrenten über
angebliche Mauscheleien bei der Vergabe beschwert haben. Rund 50
Start-ups bieten nämlich ähnliche Lösungen wie Luca an, müssen aber

ohne ein populäres Aushängeschild wie Smudo auskommen. Auch NRW und
Sachsen haben sich noch nicht entschieden.

Die Kritiker der Luca-App aus dem Chaos Computer Club und anderen
Organisationen störten sich zunächst vor allem daran, dass Daten im
Gegensatz zur anonymen Corona-Warn-App des Bundes zentral gespeichert
werden. Dies wecke Begehrlichkeiten bei Strafverfolgungsbehörden und
Geheimdiensten. Die Skeptiker stellen auch in Frage, ob die
Gesundheitsämter überhaupt in der Lage sind, die von Luca generierten
Daten sinnvoll zu verwerten. Außerdem wurde bemängelt, dass die App
nicht quelloffen (Open Source) entwickelt wurden.

Als die Luca-Macher eine Öffnung zusagen, lief eine neue Welle der
Entrüstung durch die Szene. Die Aktivisten fanden schnell heraus,
dass die App nicht sauber mit den Lizenzen von verwendeten
Open-Source-Komponenten umgegangen war. Die Macher der App wollen nun
noch diese Woche nicht nur den Source Code der Apps für Android und
iOS veröffentlichen, sondern auch die Server-Anwendungen offenlegen
und unter eine Open-Source-Lizenz stellen.

Die Luca-Kritiker bekamen unterdessen öffentlichkeitswirksam
Unterstützung durch den TV-Star Jan Böhmermann. Der ZDF-Moderator
forderte in der Nacht zu Mittwoch seine Fans per Twitter auf, sich
per QR-Code im Zoo Osnabrück einzuchecken. Er wollte mit seiner
Störaktion beweisen, wie manipulationsanfällig die Luca-App ist, weil
die Anwendung nicht überprüft, ob die Nutzer beim Einchecken
tatsächlich vor Ort sind.

Beim Luca-Betreiber Culture4life will man sich von der
Böhmermann-Aktion nicht aus dem Tritt bringen lassen. Wer die App so
missbrauche, erhalte im schlimmsten Fall eine Warnmeldung zu viel,
erklärte das Unternehmen. Es gehöre zu den Grundsätzen der App,
möglichst wenig Daten zu erfassen. Daher zeichne die App auch nicht
automatisch auf, wo das Smartphone sich befinde.