Streit um Patientenberatung in Deutschland - Kassen fordern Neuanfang

Kostenlose Beratung über Nebenwirkungen und Impfungen, zu Zweifeln
wegen einer empfohlenen OP oder Ärger über negativen
Krankenkassen-Bescheide - das alles leistet die Patientenberatung.
Doch um die Einrichtung tobt ein Streit.

Berlin (dpa) - Nach massiver Kritik an der Unabhängigen
Patientenberatung Deutschland (UPD) haben die Krankenkassen Union und
SPD zu einem Neuanfang aufgefordert. «Wir brauchen eine zeitnahe
politische Entscheidung, wie die UPD verstetigt werden kann», sagte
der Verwaltungsratsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Volker
Hansen, am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Bei der
UPD können die Menschen telefonisch, online oder persönlich Rat zu
Behandlungen, Diagnosen oder Kassenleistungen einholen. Zwischen
Union und SPD herrscht Uneinigkeit, wie es mit dem Beratungsangebot
weitergehen soll.

Der Vertrag des jetzigen Trägers, der Callcenter-Firma Sanvartis, für
den Betrieb der UPD endet zwar erst Ende 2022. Doch eine neue
Ausschreibung müsste spätestens im November veröffentlicht werden,
hieß es. Der Bundesrechnungshof hatte bereits im Juni 2020 in einem
der dpa vorliegenden Bericht zur UPD unter anderem unwirtschaftliche
Mehrfachstrukturen kritisiert. Die UPD wird mit jährlich mindestens
neun Millionen Euro durch den GKV-Spitzenverband gefördert.

Der Rechnungshof bescheinigte der UPD weiter: «Sie erreichte nur 60
Prozent des im Bieterkonzept genannten Zielwertes von 222 500
Kontakten.» Eine hohe Personalfluktuation komme hinzu. «Die
Abhängigkeit der UPD von der Sanvartis GmbH und weiteren Unternehmen
der Unternehmensallianz in wirtschaftlicher, organisatorischer und
teilweise personeller Hinsicht ist geeignet, den Eindruck fehlender
Unabhängigkeit und Neutralität in der Beratung hervorzurufen», so die

Rechnungsprüfer. Sie empfahlen der Politik rechtzeitige Überlegungen
zur Zukunft der UPD.

Zwischen den beiden Koalitionsfraktionen gab es zuletzt dazu aber
kein Einvernehmen. Die CDU lehne ein von der SPD vorgeschlagenes
Stiftungsmodell ab, berichtete das «Ärzteblatt» Ende März. Ein
Vorschlag, die UPD bei der Bundespatientenbeauftragten, derzeit
Claudia Schmidtke (CDU), anzusiedeln, sei von der SPD abgelehnt
worden. Die UPD dürfe nicht verlängertet Arm der Regierung werden.

Hansen warnte, ohne Entscheidung zur UPD starte im Herbst automatisch
eine neue Ausschreibung. Eine jeweils zeitlich befristete Vergabe der
Trägerschaft, wie sie derzeit vorgeschrieben sei, habe aber
«erhebliche Nachteile». Die Beratungsstruktur müsse nach jeder
Neuvergabe wieder neu aufgebaut werden. «Egal, wer die UPD künftig
als Träger verantwortet: Die Komplexität des gewünschten
Beratungsangebots setzt ein hohes Maß an Professionalität voraus.»
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hatte bereits über
entsprechende Kassenforderungen berichtet.

In einem der dpa vorliegenden Positionspapier warnt der GKV-Verband,
dass ohne dauerhafte Institutionalisierung der Patientenberatung viel
Personal gebraucht werde, um alte Beratungsstellen ab- und neue
aufzubauen. Beim bisher letzten Wechsel habe der neue Träger bis auf
die Internetdomain kaum etwas vom Vorgänger übernehmen können, hieß

es in UPD-nahen Kreisen.

Die UPD kritisiert regelmäßig auch die Krankenkassen. In ihrer
jüngsten Mitteilung zum Beispiel moniert sie, Kassen wiesen
Hilfsbedürftige an, sich selbst um eine Haushaltshilfe zu kümmern -
«trotz eindeutig anderslautender Bestimmungen». Der Co-
Verwaltungsratsvorsitzende des GKV-Verbandes, Uwe Klemens, sagte, die
Kassen schätzten auch kritische Rückmeldungen, um daraus zu lernen.
Sie berieten ihre 73 Millionen Versicherten zudem auch selbst
tagtäglich in hoher Anzahl zu Fragen des Versicherungs-, Beitrags-
und Leistungsrechts. Hansen forderte, als unabhängiges
Beratungsangebot für alle müsse die UPD statt aus Beitrags- künftig
aus Steuermitteln finanziert werden.