Impfungen in Hausarztpraxen: Erleichterung und Rüffel für Politik Von Yuriko Wahl-Immel, dpa

Nach Rückschlägen und Verzögerungen soll endlich Schwung in die
Corona-Impfkampagne kommen. Die Hausärzte sind nun mit im Boot. In
den Praxen kommen zunächst nur wenige Patienten zum Zuge. Auf die
Politiker ist man nicht gut zu sprechen.

Rheinbach (dpa/lnw) - Heribert Heimer strahlt über das ganze Gesicht.
Soweit man das zumindest an der Bewegung unter dem Mundschutz und an
der Augenpartie erkennen kann. «Wunderbar, ich bin erleichtert», sagt
der 62-Jährige nach dem Pieks. Der chronisch kranke Patient ist einer
der ersten, der am Dienstag in einer Hausarztpraxis eine
Corona-Schutzimpfung erhält. Vom Allgemeinmediziner Oliver Funken in
Rheinbach bei Bonn. «Ich bin sehr froh, dass ich nicht in ein
Impfzentrum musste, denn mein Arzt kennt ja meine Krankengeschichte
schon seit 20 Jahren.»

Mit dem Einbeziehen der Hausärzte soll in die seit gut drei Monaten
laufende Impfkampagne nach Rückschlägen und Verzögerungen mehr
Dynamik kommen. In dieser Woche wollen rund 35 000 Hausärzte
deutschlandweit loslegen, bis Ende April rechnet
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit bis zu 100 000
beteiligten Arztpraxen.

In Nordrhein-Westfalen soll erst Biontech/Pfizer verabreicht werden,
das im Laufe des Dienstags oder - überwiegend - am Mittwoch in den
Praxen erwartet wird, wie der Hausärzteverband schildert. Bei den
geringen Mengen komme aber zunächst nur ein Tropfen auf den heißen
Stein, kritisiert Allgemeinmediziner Funken. Mit 940 000 Impfdosen
bundesweiter Liefermenge in der ersten Woche erhält rechnerisch im
Schnitt jede Praxis erst mal nur 26 Dosen. «Das ist doch schon an
einem Tag alles weg. Wir könnten 50 Impfungen am Tag vornehmen, 250
in der Woche», betont er.

«Man hätte die Impfungen von Anfang an über die Hausärzte laufen
lassen sollen», meint Funken, der auch Vorsitzender des
Hausärzteverbands Nordrhein ist. «Die Politik soll sich raushalten.
Die soll nur den Impfstoff liefern, den Rest organisieren wir Ärzte.»
Viele Patienten hätten für das bisherige Impfchaos kein Verständnis.


Das Gros der rund 11 000 Hausärzte in NRW werde sich wohl an den
Corona-Schutzimpfungen beteiligen, glaubt Monika Baaken, Sprecherin
des Hausärzteverbands. «Impfen gehört zu unserem Kerngeschäft.» M
an
habe zunächst chronisch kranke Patienten einbestellt. Den Hausärzten
soll für einen effizienten Ablauf aber eine flexible Handhabe
ermöglicht werden. Eine Verbandsumfrage habe ergeben, dass jeden Tag
pro Praxis 20 bis 100 Impfungen möglich seien.

Auch Manfred Haas (64) ist froh, dass er nun geimpft ist. «Man hört
ja, dass alle Impfportale zusammenbrechen, wenn man sich anmelden
will. Da war ich erfreut, dass mich die Praxis angerufen und
einbestellt hat.» Auch Haas hat zunächst das Präparat von Astrazeneca

bekommen. Weil das Vakzin von Biontech/Pfizer bei ihm in Rheinbach
erst am Mittwoch eintreffe, erklärt Funken. Aus dem Impfzentren seien
einige Astrazeneca-Impfdosen ausgelagert worden, mit denen er nun
erst mal den Starttag bestreite. «Jeder Tag, den wir verlieren, ist
sinnfrei.»

Der allgemeine Startschuss fällt laut Kassenärztlicher Vereinigung am
Mittwoch. Zum Monatsende sollen die Liefermengen deutlich steigen.
Zusätzlich zum Biontech-Impfstoff geht ab 19. April Astrazeneca,
später das Vakzin von Johnson & Johnson an die Praxen. Rechnet Funken
dann mit Vorbehalten? «Gegenüber Astrazeneca spüren wir schon
Skepsis, aber gerade bei den über 60-Jährigen sehen wir überhaupt
keine Hindernisse.» Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt das
Präparat von Astrazeneca nur noch für Patienten über 60 Jahren,
nachdem bei Jüngeren Fälle von Blutgerinnseln (Thrombosen) in den
Hirnvenen aufgetreten waren.

Die Arztpraxen in NRW konnten den Impfstoff bis zum 30. März
bestellen, erläutert die KV Westfalen-Lippe. Das Interesse sei groß.
Funken hat bereits für die kommenden Wochen nachgeordert. Mit seinen
Patienten geht er vor dem Pieks die Aufklärungsbogen durch,
beantwortet Fragen. «Wann bekomme ich meine zweite Impfung?», ist zu
hören. Der Hausarzt mahnt zur Geduld: «In frühesten neun Wochen, wir

strecken auf maximale Intervalle. Auch, um bei den knappen Impfmengen
möglichst vielen eine Erstimpfungen zu geben. Dann sind wir schon
einen Schritt weiter.»