Corona-Krise: Freie Plätze in Frauenhäusern in NRW

In der Corona-Krise sind viele Familien auf ihre eigenen vier Wände
beschränkt. Man vermutet, dass es zu mehr häuslicher Gewalt kommt.
Doch die Frauenhäuser sind trotzdem nicht voll belegt.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Inmitten der Corona-Krise sind in
Nordrhein-Westfalen noch viele Plätze in den landesgeförderten
Frauenhäusern frei. «Wir haben noch nie so viele Frauenhäuser gehabt,

die freie Plätze gemeldet haben», sagte Gleichstellungsministerin Ina
Scharrenbach (CDU) am Dienstag in Düsseldorf. Aktuell gibt es in NRW
622 Plätze in Frauenhäusern. Zu Amtsantritt der schwarz-gelben
Landesregierung 2017 waren es gut 570 Plätze.

Aktuell meldeten neun Frauenhäuser in NRW freie Plätze, sagte
Scharrenbach. Zeitweise seien sogar in mehr als 20 Häusern Plätze
verfügbar gewesen. Schutzstellen berichteten, dass sich Frauen in
Corona-Zeiten schwerer mit dem Schritt täten, in ein Frauenhaus zu
gehen, sagte Scharrenbach. Dagegen gebe es aber teilweise in den
Fachberatungsstellen ein wesentlich höheres Aufkommen als 2019, vor
allem bei der telefonischen Beratung. Das sei aber keine gleichmäßige
Entwicklung über das ganze Land, sondern konzentriere sich auf
Hotspots.

Im Corona-Jahr 2020 waren laut einem Bericht der Landesregierung die
vorläufigen Fallzahlen bei häuslicher Gewalt in NRW im polizeilichen
Hellfeld im Schnitt um 20 Prozent rückläufig. Es sei aber von einem
Dunkelfeld bei häuslicher Gewalt auszugehen. Die
Corona-Schutzmaßnahmen könnten Einfluss auf das Verhalten Betroffener
nehmen, Anzeige zu erstatten. Es gebe weniger Möglichkeiten der
Sozialkontrolle etwa durch Freunde, Verwandte, Lehrkräfte oder
Arbeitskolleginnen.

Frauen und Männer, die häusliche oder sexualisierte Gewalt erleiden,
sollen in NRW künftig bessere Hilfe bekommen. Das Land will in einem
Anti-Gewalt-Pakt zahlreiche Unterstützungsangebote bündeln. Noch in
dieser Woche sollten dazu Gespräche mit Hilfseinrichtungen und
Verbänden aufgenommen werden, sagte Scharrenbach.

Im Lagebericht des Landeskriminalamts zu Partnerschaftsgewalt wurden
2019 mehr als 37 380 Opfer in NRW erfasst. Davon waren gut 31 000
Opfer Frauen (knapp 83 Prozent) und knapp 6380 Männer (17 Prozent).
Zwar habe es das zweite Jahr in Folge einen leichten Rückgang
gegeben, sagte Scharrenbach. «Aber hinter jeder Zahl steckt ein
Schicksal und eine familiäre Tragödie.» Mit dem Pakt gegen Gewalt
solle ein «Signal auch in die Öffentlichkeit» gesendet werden.

Eine zentrale Rolle sollen künftig sogenannte «Powerhäuser» spielen
,
in denen Beratung und Hilfe zu zentralen Anlaufstellen gebündelt
werden. Derzeit fördert das Land 64 Frauenhäuser, 52
Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt sowie mehr als 60
allgemeine Frauenberatungsstellen, die von verschiedenen Trägern
betrieben werden. Diese Angebote sollten nun «sichtbar zusammengefügt
werden», sagte die Ministerin.

Männer, die von Gewalt bedroht sind, können bisher in acht
Schutzwohnungen im Rheinland Unterschlupf finden. Weitere
Schutzwohnungen sollten in diesem Jahr in Westfalen eingerichtet
werden.

Nicht in allen Kreisen und kreisfreien Städten gebe es
landesgeförderte Beratungsstellen gegen sexualisierte Gewalt, sagte
Scharrenbach. Rein rechnerisch gebe es zudem zwar genügend Plätze in
Frauenhäusern, allerdings müssten Lücken etwa in Köln oder dem
Rhein-Sieg-Kreis geschlossen werden.

Vom 22. bis 25. November plant die Landesregierung eine Aktionswoche
zum Thema Gewalt gegen Frauen und 2022 eine Aktionswoche zu Gewalt
gegen Männer. 2023 sollen beide Projekte dann zusammengeführt werden.

In Krankenhäusern sollen Opferschutzgruppen etabliert werden, die
wissen, wie man mit Gewaltopfern umgeht. Auch die Arbeit mit Tätern
und Täterinnen soll verstärkt werden.

Vor den Sommerferien will die Landesregierung auch für das Thema
Zwangsheirat sensibilisieren. Die Aufklärung zum Schutz vor
weiblicher Genitalverstümmelung soll verstärkt werden. Schätzungen
gehen allein in NRW von rund 15 000 betroffenen Mädchen und Frauen
sowie von 4700 gefährdeten Mädchen aus. Außerdem soll das
NRW-Opferschutzportal soll ab kommenden Jahr eine anonymisierte
mehrsprachige Online-Beratung bekommen.