Zweites Quartal - zweite Chance fürs schnelle Impfen? Von Sascha Meyer, dpa

Die Impfkampagne made in Germany sorgte bei vielen bisher vor allem
für Kopfschütteln und Ärger. Allmählich kommen mehr Termine zustand
e,
Lieferungen ziehen an. Kriegt Deutschland im Frühling doch die Kurve?

Berlin (dpa) - Nach drei Monaten mit Frust und Dauerstreit über
schleppende Corona-Impfungen ruhen einige Hoffnungen auf dem
Kalender. Im zweiten Quartal werde sich die Lage in Deutschland klar
verbessern, versicherte die Bundesregierung immer wieder und bat die
Bürger um Geduld. Klappt es jetzt im April, Mai und Juni, beim
entscheidenden Schutz gegen das Virus schneller voranzukommen? An
knappen Impfdosen soll es nicht mehr scheitern - angekündigt sind
deutlich größere Millionen-Lieferungen. Die Erwartungen sind aber
hoch, dass es in den Impfzentren und mit Tausenden erfahrenen
Arztpraxen auch organisatorisch runder läuft.

«Für das zweite Quartal brauchen wir eine Wende im Management der
Impfkampagne», sagte Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen. Bisher
sei es zu langsam, zu unflexibel und zu einseitig auf die Impfzentren
fokussiert gewesen - trotz allgemeinen Impfstoffmangels blieben so
Millionen Dosen unverimpft. Statt nur die Einbindung der Hausärzte zu
organisieren, seien schon jetzt auch Fach- und Betriebsärzte mit
einzuplanen. Jeder Kontakt einer Patientin oder eines Patienten zum
Gesundheitswesen, egal ob zur Vorsorgeuntersuchung oder wegen eines
akuten medizinischen Problems, sollte immer auch zu einem parallelen
Impfangebot führen. Und: «Die Impfungen müssen jeden Tag und rund um

die Uhr laufen, damit wir die hohe Menge schnell verimpfen können.»

Tatsächlich sollen die Lieferungen jetzt kräftig auf Touren kommen.
Allein im April werden mehr als 15 Millionen Dosen erwartet. Und
damit mehr, als im gesamten ersten Quartal gespritzt wurden, wie
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erläuterte. Im zweiten
Quartal sollen insgesamt 70 Millionen Dosen anrollen. Dabei kommt
neben den Präparaten von Biontech/Pfizer, Moderna und Astrazeneca ab
Mitte April noch ein vierter zugelassener Impfstoff dazu: das Mittel
von Johnson & Johnson, bei dem nur eine einzige Spritze reicht. Der
Bund als Impfstoffbeschaffer weist aber generell darauf hin, dass
Liefertermine immer auch wackeln könnten - siehe erstes Quartal.

Auch wenn sich nun viele Blicke auf die Arztpraxen richten, stehen
die rund 430 regionalen Impfzentren der Länder aber zunächst noch im
Vordergrund. Sie sollen weiterhin vorrangig beliefert werden. Und
zwar mit reservierten 2,25 Millionen Dosen pro Woche im April, wie
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten bei einem
«Impfgipfel» am 19. März beschlossen. Hausärzte und auch der Bund
hätten sich schon mehr Impfstoff für die Praxen gewünscht. «Jetzt
müssen die Länder aber auch liefern», verlangte die Kassenärztliche

Bundesvereinigung (KBV). Nach teils vertrackten Terminbuchungen rief
Spahn auch zu «kreativen Lösungen» auf. Etwa mit Stand-by-Listen, um

übrig gebliebenen Impfstoff an Wochenenden spritzen zu können.

Mancherorts haben Praxen auch schon Impfungen etwa von Krebspatienten
übernommen. Jetzt gehen aber 35 000 Hausärzte regulär an den Start,
um schrittweise stärker mitzuimpfen. In den ersten drei April-Wochen
sollen sie laut Bund-Länder-Plan je rund eine Million Dosen erhalten.
Das wären zunächst rechnerisch zunächst nur gut 26 Dosen oder eine
Impfsprechstunde pro Woche. Ein Schub soll dann aber in der Woche vom
26. April mit mehr als drei Millionen Dosen kommen. Das wäre erstmals
mehr als für die Impfzentren. Für viele chronisch Kranke dürfte es
praktisch sein, sich gleich bei ihrem Arzt impfen zu lassen - statt
dort ein sonst nötiges Attest für einen Impfzentrum-Termin zu holen.

Auch für die Praxen gilt generell die wegen des knappen Impfstoffs
festgelegte Reihenfolge, wer zuerst geimpft werden kann. Doch wie
lange soll das noch gelten, wenn nun viel mehr Dosen kommen, die auch
schnell verwendet werden sollen? Es sei «ein Irrglaube, dass die
Priorisierung ein zügiges Impfangebot verhindert», mahnte der
Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch.
«Vielmehr sichert die ethische Reihenfolge den Anspruch auf
frühestmöglichen Schutz der verletzlichsten Bevölkerungsgruppen.»
Nötig seien nun sofort auch Impfangebote für 400 000 Schwerstkranke
und Pflegebedürftige, die ihre Wohnung nicht verlassen können.

Auch für die politische Stimmung haben es die Impfungen im zweiten
Quartal in sich. Denn die erste Freude, dass es so schnell in der
Pandemie überhaupt schon Impfstoffe gibt, war zu Jahresbeginn binnen
Tagen hart umgeschlagen. Kann sich der Eindruck drehen, wenn die
Impfungen nun doch besser funktionieren sollten als gedacht? Spahn
will mit wachsenden Impfstoffmengen auch die Informationskampagne
verstärken, die etwa mit Schauspielerin Uschi Glas fürs Impfen wirbt.
«Jeder, der zusätzlich Vorbild sein mag, ist herzlich willkommen».

Unter Beobachtung stehen auch die möglichen Aspiranten auf die
Kanzlerkandidatur der Union. Der CDU-Vorsitzende Armin Laschet und
CSU-Chef Markus Söder müssen als Ministerpräsidenten die Impfungen in

Nordrhein-Westfalen und Bayern im Auge haben. Bis Ende Juni dürfte
dann auch klarer werden, ob das von der Kanzlerin ausgegebene Ziel zu
halten ist, allen Bürgern bis zum Ende des Sommers am 21. September
ein Impfangebot zu machen - fünf Tage später ist die Bundestagswahl.