Laschet will Rentenreform über Parteigrenzen - Gemischte Reaktionen Von Jörg Blank, dpa

Es ist ein Vorgeschmack auf den Bundestagswahlkampf: CDU-Chef Armin
Laschet plädiert für einen gesamtgesellschaftlichen Renten-Konsens
nach der Wahl im September. Das wird wohl schwierig werden.

Berlin (dpa) - CDU-Chef Armin Laschet hat mit einem Vorstoß für eine
parteiübergreifende Rentenreform nach der Bundestagswahl kontroverse
Reaktionen ausgelöst. «Ich will einen großen gesellschaftlichen
Konsens, gerne auch mit einer Rentenkommission, in der alle beteiligt
sind», sagte der mögliche Kanzlerkandidat der Union der Deutschen
Presse-Agentur in Berlin. Während aus der Grünen-Fraktion und damit
von einem möglichen künftigen Koalitionspartner Ablehnung kam,
signalisierte die FDP grundsätzliche Zustimmung. Der aktuelle
Koalitionspartner SPD sprach von einem Ablenkungsmanöver.

Laschet sagte, mit einem parteiübergreifenden Konsens wolle er
«Vertrauen über die Regierungszeiten hinweg» ermöglichen. «Wir m
üssen
jetzt sehen: Wie können wir die Rentensysteme auch für künftige
Generationen zukunftssicher machen?» Diese Frage werde man für den
Zeitraum der nächsten 10, 15 Jahre beantworten und planen müssen.
Unterstützung erhielt Laschet vom eigenen Parteinachwuchs - verbunden
mit der Forderung, in die Rentendebatte einbezogen zu werden.

«Wir haben immer gesagt, wir brauchen eine längere Lebensarbeitszeit,
wenn wir alle älter werden», sagte Laschet. «Die Einführung der Ren
te
mit 67 war eine richtige Entscheidung.» Rentenpolitik brauche
«Vertrauen über wechselnde Regierungszeiten hinweg», begründete der

nordrhein-westfälische Ministerpräsident seinen Vorstoß in Richtung
der anderen Parteien. «Ich glaube, dass wir - egal, welche Regierung
danach kommt - die Rentenfrage nochmal möglichst in einem großen
gesamtgesellschaftlichen Konsens neu beantworten müssen.»

Laschet erinnerte an die Rentenpolitik seit den 1950er Jahren. Schon
der damalige Kanzler Konrad Adenauer (CDU) habe versucht, solche
Entscheidungen parteiübergreifend zu fällen, da in so langen
Zeiträumen unterschiedliche Regierungen ins Amt kämen. «Weil man
weiß: Vier Jahre später sind vielleicht ganz andere dran, und die
sind an diese Entscheidungen mit gebunden.» Eine solche Perspektive
sei auch nach der nächsten Bundestagswahl im September erforderlich.
«Wir werden unabhängig von einer großen Reform jedenfalls diese Frage

für die nächsten 15 Jahre beantworten müssen.»

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Kevin Kühnert sprach von einem
durchsichtigen Ablenkungsmanöver. «Laschet täte gut daran, zunächst

mit einer parteiinternen Rentenkommission für Klarheit zu sorgen, was
eigentlich die gemeinsame Position der CDU ist», sagte er der dpa.
«Für Rentenkürzungen durch die Hintertür stehen wir nicht zur
Verfügung.» Die SPD habe ihr Rentenkonzept längst vorgelegt. «Für
uns
ist klar, dass gute Renten gute Löhne voraussetzen. Die von uns
geforderte Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro wäre nicht nur ein
Akt der Gerechtigkeit, sondern auch ein enormer Schub für die
gesetzliche Rente.»

Die große Koalition habe bereits eine gemeinsame Rentenkommission mit
Arbeitgebern und Gewerkschaften auf den Weg gebracht, die ihre
Ergebnisse vor einem Jahr präsentiert habe, sagte Kühnert. «Dass
dabei vieles im Ungefähren geblieben ist, lag nicht zuletzt an der
massiven inneren Zerstrittenheit der Union.» So seien sich Sozial-
und Wirtschaftsflügel der CDU uneinig über das Renteneintrittsalter,
das Rentenniveau, die Einbeziehung von Selbstständigen und Beamten,
sowie die Beitragsbemessungsgrenze. «Solch ein Durcheinander macht
die Versicherten in Deutschland wahnsinnig.»

Der Sprecher für Rentenpolitik der Grünen-Fraktion im Bundestag,
Markus Kurth, sagte der dpa: «Der Union war in den vergangenen Jahren
ein Konsens in der Rentenpolitik völlig egal.» Sie habe «knallharte
Interessenpolitik zulasten der Rentenversicherung durchgesetzt». Er
betonte: «Wir brauchen keine weiteren Rentenkommissionen, die ein
ergebnisarmes Brainstorming betreiben.» Nötig sei ein Plan - und den
hätten die Grünen mit dem Ziel einer Bürgerversicherung und der
langfristigen Stabilisierung des Rentenniveaus.

Die FDP begrüßte Laschets Vorstoß im Grundsatz. «Es ist dringend
notwendig, bei der Rente endlich wieder in Jahrzehnten und über
Legislaturperioden hinweg zu denken», sagte der rentenpolitische
Sprecher der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, der dpa. «Die CDU wird
hierzu aber im Wahlprogramm Farbe bekennen müssen, denn um mutiges
Handeln kommt eine kommende Bundesregierung selbst nicht herum.» Das
System müsse so modernisiert werden, «dass es besser zu den
vielfältigen Lebensläufen der Menschen passt».

Das Konzept der Auslagerung der Rentenpolitik in Kommissionen sei
zuletzt krachend gescheitert, kritisierte Vogel. Die FDP schlage nach
schwedischem Vorbild ein komplett flexibles Renteneintrittsalter vor.
Sie wolle das System durch eine Gesetzliche Aktienrente für alle
Generationen stabil und gerade für Geringverdiener fairer machen.

Der Vorsitzende des Unions-Nachwuchses von der Jungen Union (JU),
Tilman Kuban, sagte der dpa: «Eine große Reform ist nötig, da zum
Ende des Jahrzehnts die Babyboomer in Rente sein werden.» Eine
parteiübergreifende Kommission mit einer jungen Besetzung könne ein
Schlüssel zu einer solchen Reform sein. Sie dürfe aber nicht enden
wie die letzte Rentenkommission. «Nochmal vier Jahre rumdiskutieren
und wieder Beschlüsse ohne Umsetzung zu produzieren, ist für die
junge Generation nicht mehr akzeptabel», sagte Kuban.

Bis 2024 müssten konkrete Gesetze in die Umsetzung kommen, forderte
der JU-Chef. Dafür brauche die CDU eine klare Idee, wie man die
Interessen von Jung und Alt in Einklang bringen. Nur wer selbst ein
durchdachtes Konzept habe, könne dieses auch in einer Kommission
verhandeln. Die JU stehe «als Anwalt der jungen Generation» bereit.