Die 35 000 kleinen Impfzentren gehen an den Start Von Sascha Meyer, dpa

Wer sich impfen lassen möchte, geht normalerweise zu seiner Ärztin
oder seinem Arzt. So soll es nun auch in der Pandemie anlaufen. Doch
wie genau funktioniert das, wenn Impfstoffe zunächst noch knapp sind?

Berlin (dpa) - Die Corona-Impfungen sollen jetzt auf breiter Front in
die Fläche kommen - und die Hoffnungen auf einen Durchbruch für mehr
Tempo sind groß. Nach viel Ärger über knappe Impfdosen, wackelige
Lieferpläne und komplizierte Terminbuchungen rund um die Impfzentren
der Länder geht nun das bundesweite Netz der Praxen an den Start. Und
damit ein eingespieltes Nachschub-System über den Großhandel und die
Apotheken. In der Woche nach Ostern wollen 35 000 Hausärzte loslegen.
Doch es ist ein Auftakt mit zuerst noch etwas angezogener Handbremse.

«Am kommenden Mittwoch beginnt - endlich muss man sagen - das Impfen
in den Praxen», sagt der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
(KBV), Andreas Gassen. «Zu den 430 Impfzentren, die wir bisher haben,
kommen 35 000 weitere dazu.» Es soll ein offizieller Startschuss für

die zweite Phase der «Impfkampagne» sein, auch wenn mancherorts schon
vorher erste Praxen mit im Spiel sind. Zu einem spontanen Ansturm
gleich nach den Feiertagen soll es aber auch nicht kommen. Denn in
der ersten Woche erhalten alle Praxen zusammen erst einmal 940 000
Impfdosen. Das macht rein rechnerisch nur gut 26 Dosen pro Praxis.

«Das wird noch kein großer Schritt sein, aber ein wichtiger», sagte
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Denn mit dem bundesweiten
Einstieg der Praxen würden jetzt die Abläufe eingestellt, um die
Impfzahlen dann in wenigen Wochen deutlich steigern zu können.

DIE BESTELLUNGEN: Immer dienstags bis 12.00 Uhr können die Praxen bei
den Apotheken Impfdosen für die Woche drauf ordern. Anlieferung ist
dann Montagnachmittag, wie die KBV erläutert - wegen Ostermontag nun
am Dienstag, spätestens Mittwochmittag. Wegen knappen Impfstoffes ist
die Bestellmenge zunächst auf 18 bis 50 Dosen pro Woche begrenzt. Zu
Beginn sei auch damit zu rechnen, dass weniger als bestellt zu haben
ist. Die Praxen sollen aber bis Donnerstag Bescheid erhalten, was in
der Folgewoche kommt, um Impftermine möglicherweise noch verlegen zu
können. Dieses Logistiksystem sei «ein strenges Regime», sagte die
Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände,
Gabriele Regina Overwiening: «Es wird verlässlich sein.»

DIE AUSLIEFERUNGEN: Die Impfdosen bundesweit verteilen sollen
110 Großhandels-Niederlassungen, die die 19 000 Apotheken ohnehin
mehrmals am Tag beliefern. Das Präparat von Biontech/Pfizer werde
«ultratiefgekühlt» bei minus 75 Grad angeliefert, erläuterte Marcus

Freitag, Vize-Vorsitzender des Bundesverbands des pharmazeutischen
Großhandels. Aufgetaut und umverpackt gehe der Impfstoff dann gekühlt
bei 2 bis 8 Grad an die Apotheken. Da folge die «Endkonfektionierung»
für die Praxen. Mitgeliefert werde immer auch Zubehör wie Spritzen,
Kanülen und Kochsalzlösung zum Verdünnen. Für die Verteilung gibt e
s
einen Schlüssel unter anderem je nach Bevölkerungsanteil der Länder.


DIE TERMINE: Eine zentrale Einladung gibt es nicht, erläutert das
Bundesgesundheitsministerium. Wie sie Impftermine vergeben, können
die Hausarztpraxen selbst regeln - zum Beispiel per Telefon oder mit
Online-Buchungen. «Sie kennen ihre Patientinnen und Patienten am
besten und werden diese gezielt ansprechen und mit ihnen einen
Impftermin vereinbaren oder zu nicht mobilen Menschen nach Hause
kommen», sagt KBV-Vize Stephan Hofmeister mit Blick auf den Start.
Dies dient auch dazu, dass Corona-Risikogruppen zuerst an die Reihe
kommen. Denn die generelle Priorisierung gilt auch in den Praxen, wie
das Ministerium betont. Ärzte könnten jedoch vor Ort flexibler
entscheiden, wer wann geimpft wird, auch um effizienter vorzugehen.

DIE IMPFSTOFFE: In den ersten beiden Aprilwochen soll in den Praxen
nur der Impfstoff von Biontech/Pfizer eingesetzt werden, wie Spahn
erläuterte - denn der sei jetzt in ausreichender Menge verfügbar. Ab
der Woche vom 19. April sollen dann Biontech und Astrazeneca an die
Praxen gehen, danach die Impfstoffe von Biontech, Astrazeneca und
Johnson & Johnson. Sich beim Arzt auszusuchen, welches Präparat man
bekommen will, sei wegen des knappen Impfstoffes auch in den Praxen
vorerst nicht möglich, erläutert das Gesundheitsministerium.

DIE KOSTEN: Pro Corona-Impfung inklusive Aufklärung und Beratung
bekommen die Ärzte 20 Euro Vergütung. Die Praxen können das über di
e
Kassenärztlichen Vereinigungen abrechnen - egal, ob für gesetzlich
oder privat Versicherte. Die Kosten übernimmt der Bund und hat dafür
vorerst bis zu 1,5 Milliarden Euro einkalkuliert: parallel zu
steigenden Impfstofflieferungen voraussichtlich 100 Millionen Euro im
April, dann 650 Millionen Euro im Mai und 730 Millionen Euro im Juni,
wie aus einer Vorlage des Finanzministeriums hervorgeht.

DIE DOKUMENTATION: Wie die regionalen Impfzentren sollen auch die
Praxen Daten melden, mit denen das bundeseigene Robert Koch-Institut
(RKI) das Impfgeschehen verfolgen kann. Täglich übermittelt werden
muss aber nur ein «eingeschränkter Datensatz», wie die KBV erklärt:

jeweils die Zahl der Erst- und Zweitimpfungen, aufgegliedert nach
Impfstoffen, sowie die Zahl der geimpften über 60-Jährigen. Weitere
Daten etwa zur Chargennummer sollen mit Quartalsabrechnungen erfasst
werden können. Die Geimpften bekommen einen Aufkleber oder Vermerk in
den Impfpass, die Ärzte notieren es wie üblich in den Patientenakten.

DIE AUSSICHTEN: In den ersten April-Wochen sind jeweils rund eine
Million Dosen für Praxen vorgesehen. In der Woche vom 26. April soll
es dann aber auf mehr als drei Millionen hoch gehen. Daneben bekommen
die Impfzentren der Länder 2,25 Millionen Dosen pro Woche. Auch das
Netz kann noch wachsen, nicht nur unter den 50 000 Hausarztpraxen.
Bei generell bis zu 87 000 impfenden Praxen zeige sich das riesige
Potenzial, Größenordnungen von mehreren Millionen Dosen pro Woche zu
erreichen, heißt es bei der KBV. Später sollen Fachärzte, Privatärz
te
und Betriebsärzte dazukommen. «Wir müssen impfen, impfen, impfen»,

sagt Kassenärzte-Chef Gassen. «Jeder Tag zählt, damit die
Gesellschaft wieder in ihr normales Leben zurückkehren kann.»