Frankreichs Premier Castex wehrt sich gegen Kritik in Corona-Krise

Im Kampf gegen Corona zieht Staatschef Macron die Schrauben weiter
an. Sein Premierminister muss sich im Parlament rechtfertigen.
Stimmen des Protests werden lauter.

Paris (dpa) - Frankreichs Regierungschef Jean Castex hat strengere
Corona-Beschränkungen gegen heftige Kritik von Parlamentariern
verteidigt. «Die dritte Welle ist da und trifft uns hart», sagte der
Premier am Donnerstag in der Nationalversammlung - dies ist das
Unterhaus der Volksvertretung. «Diese Maßnahmen sind nötig.» Die
Regierung spricht bei den landesweiten Einschränkungen nicht von
einem «confinement» - dieser französische Ausdruck ist am ehesten mit

«Lockdown» zu übersetzen.

Von Ostern an werden im ganzen Land viele Läden vier Wochen lang
geschlossen bleiben - diese Regelung gab es bisher schon in einigen
Regionen. Nach Angaben aus dem Wirtschaftsministerium sind nun rund
150 000 Geschäfte betroffen. Schulen werden zudem für mindestens drei
Wochen geschlossen sein, wie Staatschef Emmanuel Macron am
Mittwochabend im Fernsehen angekündigt hatte. Außerdem gibt es
tagsüber Bewegungseinschränkungen - so dürfen sich die Menschen nicht

weiter als zehn Kilometer von ihrer Wohnung fortbewegen. Im Vergleich
zu den Restriktionen im vergangenen Jahr sind sie aber deutlich
weniger strikt. Weiter gilt landesweit eine abendliche Ausgangssperre
nach 19.00 Uhr.

Mehrere Fraktionen der Opposition nahmen aus Protest gegen das
Krisenmanagement der Mitte-Regierung nicht an einer Abstimmung über
Castex' Erklärung teil. Dieses Votum ist für die Regierung ohnehin
nicht bindend. 348 stimmten für die Erklärung, 9 dagegen. «Wir sind
nicht dafür da, Ihre aufeinanderfolgenden Misserfolge anzuerkennen»,
sagte der Fraktionschef der konservativen Republikaner, Damien Abad,
zu Castex gewandt. Der Linksaußenpolitiker Jean-Luc Mélenchon
monierte, dass Macron allein in der Krise entscheide.

Castex sagte, dass Frankreich seine Schulen lange offengehalten habe.
«Innerhalb eines Jahres waren sie in Frankreich weniger als 10 Wochen
geschlossen, gegenüber 24 in Deutschland, 26 in Großbritannien und 32
in Italien.» Größere Ansammlungen auf der Straße und anderen
öffentlichen Orten dürfe es nicht geben - dort sei auch Alkohol tabu,
warnte er.

Für Macron ist die Verschärfung ein Rückschlag. Der Präsident pocht
e
lange darauf, dass die Schulen unbedingt geöffnet bleiben sollen. Sie
waren bisher nur während des ersten strengen Lockdowns im vergangenen
Frühjahr geschlossen. «Wir haben Fehler gemacht», gestand Macron in
seiner TV-Ansprache ein. In einem Jahr dürfte sich der 43-Jährige um
seine Wiederwahl bewerben. Seine härteste Rivalin reagierte umgehend
auf die Ansprache: Die Ankündigungen des Präsidenten beruhten auf
einem «Impf-Waterloo», schrieb die Rechtspopulistin Marine Le Pen auf
dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Frankreich ist stark von der Pandemie betroffen. Die Zahl der
Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche lag
landesweit zuletzt bei rund 379. Deutschland stufte das Nachbarland
vergangene Woche als Hochinzidenzgebiet ein. In dem Land mit rund 67
Millionen Einwohnern starben bisher rund 95 700 Menschen im
Zusammenhang mit dem Virus. Geimpft wurden rund acht Millionen
Menschen. Im Land gab es im vergangenen Frühjahr und im Herbst zwei
Lockdowns, die sogenannten Confinements.