Astrazeneca jetzt auch für «60 plus» - Hausärzte in Kürze am Star t Von Bettina Grönewald und Dorothea Hülsmeier, dpa

Das Hin und Her um Astrazeneca soll das Impf-Tempo in NRW nicht
drosseln. Jetzt sollen die Impfzentren in Sonderschichten spritzen.
In Kürze darf auch die große Altersgruppe ab 60 Termine buchen. Und
die Hausärzte können schon mal in Startposition gehen.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Ab Karsamstag können Menschen ab 60 Jahren in
Nordrhein-Westfalen Termine für Impfungen mit dem Präparat von
Astrazeneca buchen. Nach Ostern sollen die Corona-Schutzimpfungen
auch in Hausarztpraxen anlaufen. Das kündigte NRW-Gesundheitsminister
Karl-Josef Laumann (CDU) am Mittwoch in Düsseldorf an. Die jüngste
Altersbeschränkung für Astrazeneca sei zwar «ein Rückschlag», r
äumte
er ein. Die Termine für die über 70-Jährigen würden deswegen aber
nicht verschoben. Am Dienstag nach Ostern gehe es, wie geplant, mit
den Vereinbarungen für den Jahrgang 1941 los.

Bund und Länder waren am Dienstagabend der Empfehlung der Ständigen
Impfkommission (Stiko) gefolgt, das Präparat von Astrazeneca in der
Regel nur noch für Menschen ab 60 Jahren einzusetzen. Jüngere können

sich nach Rücksprache mit dem Arzt und auf eigenes Risiko weiterhin
damit impfen lassen. Hintergrund sind Fälle von Blutgerinnseln
(Thrombosen) in Hirnvenen, die zuletzt im zeitlichen Zusammenhang mit
dem Impfstoff aufgetreten waren, vorwiegend bei Frauen unter 55
Jahren. So sieht die Lage aus:

ASTRAZENECA: Noch am Wochenende würden in NRW rund 450 000 Dosen von
Astrazeneca erwartet, kündigte das Gesundheitsministerium am
Mittwochabend an. Große Lagerbestände dieses Vakzins gebe es hier
nicht mehr, hatte Laumann zuvor gesagt. Die neue Lieferung werde nun
Menschen ab 60 Jahren angeboten, die sich damit impfen lassen wollen.
Karsamstag würden dafür die Terminsysteme der beiden Kassenärztlichen

Vereinigungen freigeschaltet. «Sie müssen aber wissen: Es ist ein
Termin mit Astrazeneca», unterstrich Laumann. «Wer das nicht möchte,

sollte gar nicht erst seinen Termin buchen.»

Wenn einer Gruppe, die größer sei als die der über 80-Jährigen, jet
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diese Chance gegeben werde, sollte aber auch einkalkuliert werden,
dass es dabei zu Problemen im Buchungssystem kommen könnte, mahnte
Laumann. Beim Start der Buchungen für die über 80-Jährigen war es zu

einer totalen Überlastung gekommen. Nach Angaben des
Gesundheitsministeriums sind in NRW rund 2,2 Mio Menschen zwischen 60
und 70 Jahre alt, rund 1,6 Millionen sind 70 bis 80 Jahre alt und 1,2
Millionen über 80. Die SPD-Opposition forderte die Landesregierung
auf, dafür zu sorgen, «dass ab Samstag alles reibungslos
funktioniert».

IMPF-STRAßEN: Über Ostern werde in den 53 Impfzentren mit
zusätzlichem Personal und zusätzlichen Öffnungszeiten geimpft, sagte

Laumann. Auch Berufsgruppen würden weiter geimpft - aber nicht mit
Astrazeneca, sondern aus der Impfstoff-Reserve von Biontech/Pfizer
oder Moderna. Für die nächsten Wochen würden in NRW weitere
Lieferungen dieser beiden Vakzine erwartet. Parallel gehe es in den
Zentren weiter mit Erst- und Zweitimpfungen für über 80-Jährige -
darunter Laumanns 92-jährige Mutter, die Karfreitag einen Termin für
die Zweitimpfung hat. «Wir werden mehr Impf-Straßen aufmachen, die
eher aufmachen und später zumachen», versprach Laumann.

ZWEIT-IMPFUNG: Jeder, der in NRW seit dem Start mit Astrazeneca am 8.
Februar schon eine solche Impfung bekommen habe, müsse sich keine
Sorgen um die Zweitimpfung machen. Bis die ab der zweiten Mai-Woche
bei den ersten dieser Gruppe anstehe, sei geklärt, wie das
Immunisierungsverfahren fortgesetzt werde, sagte Laumann.

Der Ärztliche Direktor der Universitätsklinik Essen, Jochen Werner,
sagte, eine Zweit-Impfung mit einem alternativen Impfstoff sei «auf
jeden Fall medizinisch denkbar». Dazu sollten im April erste
Studien-Ergebnisse vorliegen.

RISIKEN: Der Medizin-Professor sieht keinen Grund, ganz auf
Astrazeneca zu verzichten - obwohl derzeit viele verunsichert seien.
«Für die Gruppe ab 60 gibt es eine hinreichende Studien-Lage zur ganz
klaren Effektivität der Impfungen mit Astrazeneca, weswegen wird
diese Verimpfung empfehlen.» Für junge Menschen gebe es hingegen eine
andere Nutzen-Risiko-Abwägung, weil es für diese Altersgruppe extrem
unwahrscheinlich sei, an Covid-19 sterben, während ihr Risiko für ein
Blutgerinnsel in Hirnvenen vergleichsweise höher sei. Insgesamt gehe
es hier aber um «super seltene Ereignisse».

NOTFALL: Wer innerhalb von 16 Tagen nach der Impfung auffällige
Beschwerden habe, solle sich nicht scheuen, unter der Nummer 116 117
die Notfallpraxen anzurufen oder sich an ein Krankenhaus zu wenden,
empfahl Werner. Richtig sei aber auch: «Nicht jede
Kopfschmerz-Problematik bedeutet jetzt Sinusvenenthrombose.» Ob es
für Frauen, die die Pille nehmen und rauchen, besonders riskant wäre,
sich mit Astrazeneca impfen zu lassen, sei noch nicht hinreichend
erforscht. Werner wies auf die große Erfahrung des Essener
Uniklinikums hin. Mit inzwischen über 2000 stationär behandelten
Patienten und über 300 an oder in Zusammenhang mit dem Virus
verstorbenen Patienten sei es «das größte Covid-Zentrum in
Nordrhein-Westfalen».

HAUSÄRZTE: In Kürze sollen auch die 11 000 Hausärzte in ihren
landesweit rund 6000 Praxen die Impf-Spritze ansetzen dürfen. Dafür
würden nach den Ostertagen rund 400 000 Impfdosen geliefert,
berichtete Laumann. Damit sollten die Ärzte vor allem chronisch
kranke und stark pflegebedürftige Menschen impfen. In den ersten zwei
Wochen wird laut Ministerium an die Hausarztpraxen Biontech-Impfstoff
geliefert, später dann Astrazeneca. Sie müssen sich im Umgang mit den
Priorisierungen und mit Astrazeneca an dieselben Vorgaben halten wie
die Impfzentren.

WAHLFREIHEIT: Deutschland habe mehr Impfstoffe gekauft, als das Land
Einwohner habe, bekräftigte Laumann. Am Ende könne es für die
Menschen eine gewisse Wahlfreiheit geben - «aber sicher nicht im
Monat April». Er werde sich erst impfen lassen, wenn seine
Altersgruppe an der Reihe sei, um nicht Kritik auf sich zu ziehen.
«Aber ich hätte überhaupt kein Problem, mich heute am Tag mit
Astrazeneca impfen zu lassen», betonte der Minister. Insgesamt habe
es in NRW bislang bis zu 700 000 Impfungen mit Astrazeneca gegeben -
vor allem für Berufstätige unter 60 Jahren in Krankenhäusern,
Arztpraxen, Schulen und in der Kinderbetreuung.