14 Länder zweifeln Qualität von WHO-Virus-Studie an Von Christiane Oelrich und Lena Klimkeit, dpa

Auf gut 120 Seiten beschreiben Wissenschaftler im Auftrag der
WHO ihre Suche in Wuhan nach dem Ursprung des Coronavirus. Fündig
wurden sie nicht. Die USA betrachten den Bericht mit Skepsis - und
sehen wichtige Fragen ungeklärt.

Genf (dpa) - Die USA und 13 weitere Länder haben Zweifel an der
Qualität einer lange erwarteten Untersuchung über den Ursprung des
Coronavirus in China geäußert. Die Studie im Auftrag der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde am Dienstag in Genf
veröffentlicht. Darin betonten Experten die Notwendigkeit weiterer
Studien über die Herkunft des Virus aus der Tierwelt sowie einer
möglichen Viruszirkulation außerhalb Chinas, bevor die ersten Fälle
in Wuhan entdeckt wurden. Die Theorie, das Virus könne aus einem
Labor entwichen sein, bezeichnen die Forscher als «extrem
unwahrscheinlich» - ganz im Sinne der chinesischen Regierung.

«Wir unterstützen eine transparente und unabhängige Analyse und
Bewertung der Ursprünge des Virus, frei von Eingriffen und
ungebührlicher Einflussnahme», teilte das US-Außenministerium in
Washington mit. «In dieser Hinsicht drücken wir unsere gemeinsame
Sorge über die von der WHO anberaumte Studie in China aus.» Die
Studie sei deutlich verzögert worden und die Wissenschaftler hätten
keinen Zugang zu kompletten Originaldatensätzen und Proben gehabt. Zu
den Unterzeichnern gehören auch Dänemark, Norwegen, Großbritannien,
Australien, Kanada und Japan.

Die WHO werde natürlich sämtliche Thesen zum Ursprung des Virus
weiter verfolgen, hatte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus zuvor
beteuert. Dazu gehöre auch die Labor-Theorie, sagte auch Peter
Embarek, der Leiter der WHO-Teams. Allerdings sei es sehr viel
wahrscheinlicher, dass das Virus aus der Tierwelt stamme.

Die Mission war politisch heikel. China setzt alles daran, nicht als
Sündenbock für die Coronavirus-Pandemie an den Pranger gestellt zu
werden. Es dauerte sechs Monate, bis die internationalen Experten
anreisen durften. Selbst der mit Kritik an China zurückhaltende
WHO-Chef ließ seine Frustration darüber erkennen.

Embarek räumte am Dienstag schwierige Umstände ein. «Natürlich gab
es
politischen Druck, auch von außerhalb Chinas», sagte er. Kritiker
argwöhnen, China habe großen Einfluss auf die Endversion des Berichts
genommen. «Es gab nie Druck, kritische Elemente aus unseren Bericht
zu entfernen», sagte Embarek. Alle Teammitglieder stünden hinter dem
Bericht. Beteiligt waren 17 internationale und 17 chinesische
Wissenschaftler.

Die US-Regierung sieht eine Reihe ungeklärter Fragen. «Ich denke, wir
müssen die Methodologie von diesem Bericht besser verstehen», sagte
Andy Slavitt, ein ranghoher Corona-Berater des Weißen Hauses, dem
Sender CNN. «Wurde den Ermittlern, die den Bericht geschrieben haben,
vollständiger Zugang zu allem gewährt? Wurden sie in irgendeiner
Weise von der Regierung Chinas beeinflusst, als sie diesen Bericht
schrieben? Bis wir die Antworten auf diese Fragen kennen, denke ich,
ist es das Beste, wenn wir den Bericht mit einer gesunden Skepsis,
nicht zwangsläufig mit Zynismus, betrachten.»

«Was die WHO angeht, bleiben alle Hypothesen auf dem Tisch», sagte
Tedros. «Dieser Bericht ist ein wichtiger Anfang, aber nicht das
Ende. Wir haben den Ursprung des Virus noch nicht gefunden.» Es werde
alles getan, um das Rätsel zu lösen, um das Risiko, dass sich eine
ähnliche Pandemie wiederholen könne, zu reduzieren.

In dem Bericht kommt das Team zu dem Schluss, dass das Virus seinen
Ursprung sowohl in Fledermäusen als auch in Schuppentieren haben
könnte. Nach Angaben der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
könnten auch Nerze und Katzen Wirte sein. Allen vorläufigen Studien
nach müsse es aber einen Zwischenwirt gegeben haben, bevor das Virus
auf den Menschen übertragen wurde. Er wurde aber bislang nicht
gefunden. «Mögliche Zwischenwirte könnten Nerze, Schuppentiere,
Hasen, Marderhunde und Hauskatzen (...) umfassen oder Arten wie
Zibetkatzen, Dachse oder verwandte Marderarten, die während des
Ausbruchs in der Provinz Guangdong in China nachweislich mit
Sars-Coronaviren infiziert waren», heißt es in dem Bericht.

Ob der Huanan-Markt in Wuhan, der im vergangenen Jahr im Zentrum des
Ausbruchs stand, tatsächlich Ausgang der Pandemie war, sei nicht
klar, berichten die Forscher. Es seien auch Fälle bekannt, die nichts
mit dem Markt zu tun hatten. Die Ergebnisse könnten nahelegen, «dass
der Huanan-Markt nicht die ursprüngliche Quelle des Ausbruchs war».