Baunatal, Alsfeld und Dieburg erproben Modell für Corona-Öffnungen

Sind Lockerungen der Corona-Beschränkungen mit Hilfe umfangreicher
Tests möglich? Das sollen drei Kommunen nun in Hessen erproben. Der
Gesundheitsminister sieht eine «Perspektive für das soziale
Miteinander».

Wiesbaden (dpa/lhe) - Das nordhessische Baunatal, Alsfeld in
Mittelhessen und das südhessische Dieburg sollen als Modellstädte
Öffnungsmöglichkeiten in der Corona-Pandemie testen. Das gaben
Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und Gesundheitsminister Kai
Klose (Grüne) am Dienstag in Wiesbaden bekannt. Grundlage der
möglichen Öffnungen etwa für Handel und Veranstaltungen sind
umfangreiche Teststrategien. Vorbild ist unter anderem die
baden-württembergische Stadt Tübingen.

Dort läuft seit Mitte März ein Modellprojekt zu mehr
Öffnungsschritten in Corona-Zeiten. An neun Stationen können die
Menschen kostenlose Tests machen, das Ergebnis wird bescheinigt.
Damit können die Menschen dann in Läden, zum Friseur oder auch in
Theater und Museen gehen.

Für die Auswahl der drei hessischen Kommunen habe es bestimmte
Kriterien gegeben, erläuterte Klose. Unter anderem müsse die
Einhaltung der Hygienevorschriften gewährleistet und ausreichend
Tests vorhanden sein. Außerdem muss die Inzidenz - also die Zahl der
Neuinfektionen binnen 7 Tagen pro 100 000 Einwohner - stabil unter
200 liegen. Es seien verschiedene Regionen gewählt worden, auch um
einer möglichen Überlastung der Krankenhäuser vorzubeugen, erklärte

Klose.

Nach den Worten von Bouffier fiel die Wahl bewusst nicht auf größere
Städte oder gar ganze Landkreise. Die drei Kandidaten seien von der
Größenordnung geeignet, allgemeine Erkenntnisse zu gewinnen, sagte
der Regierungschef. Die Kommunen müssten in den Versuchen unter
anderem überprüfbare Nachweise wie etwa Tagespässe oder IT-gestützt
e
Berechtigungen für den Zugang zu den Geschäften sicherstellen und
eine engmaschige Kontrolle des Infektionsgeschehens gewährleisten.

Es sei keineswegs so gedacht, über diesen Weg alle Beschränkungen
loszuwerden, sagte Bouffier. Es seien flächendeckend
Interessensbekundungen von Städten und auch ganzen Regionen beim Land
eingegangen, bei dem Modellprojekt mitzumachen, sagte der
Ministerpräsident. Er mahnte angesichts steigender Zahlen bei den
Neuinfektionen: «Wir müssen jetzt mal ganz bewusst die Kirche im Dorf
lassen.» Es hätten sich Städte beworben, die gleichzeitig wegen der
hohen Inzidenz eine Ausgangssperre verhängt hätten. Das passe nicht
zusammen. Bouffier erinnerte daran, dass Tübingen sehr niedrige
Inzidenzwerte gehabt habe, als die Stadt mit lokalen Lockerungen auf
der Basis von Schnelltests begann.

Wie die Modellprojekte konkret aussähen, sei Sache der drei Kommunen,
erläuterte Klose. Das gelte auch für den Startzeitpunkt. Der Versuch
ende am 1. Mai. Bei einem erfolgreichen Verlauf könne beraten werden,
weitere Modellregionen hinzuzunehmen, erläuterte Bouffier. «Wir
schaffen über das Modellprojekt ein Stück weit Perspektiven für das
soziale Miteinander», sagte Klose. Er verwies aber auch auf «harte
Abbruchkriterien», etwa wenn kreisweit die Inzidenz drei Tage in
Folge über 200 liege oder eine Kontaktverfolgung durch das
Gesundheitsamt nicht mehr sichergestellt sei.

Der Alsfelder Bürgermeister Stephan Paule (CDU) zeigte sich sehr
erfreut, dass die Stadt im Vogelsbergkreis ausgewählt wurde. Erste
Schritte habe man mit der Schaffung von Testkapazitäten bereits
unternommen, diese würden nun weiter ausgebaut. Vor Ostern gehe man
noch in die Feinplanung, am Dienstag und Mittwoch nach Ostern könnten
dann die Händler entsprechende Vorbereitungen treffen. Am kommenden
Donnerstag (8. April) wolle man dann loslegen, erklärte Paule.

Kunden könnten dann ihre tagesaktuellen negativen Corona-Tests an der
Ladentür vorlegen und nach der Aufnahme ihrer Kontaktdaten in den
Geschäften einkaufen. Für die örtliche Wirtschaft in der Stadt mit
rund 16 000 Einwohnern sei die Entscheidung eine gute Nachricht.
Gerade die klassischen Einzelhändler seien stark von den
Corona-Maßnahmen der vergangenen Monate betroffen gewesen. Sie
hofften, dass ein Teil der Umsätze wiederkomme, sagte Paule.

In Dieburg ist man von der Entscheidung des Landes durchaus
überrascht: «Wir haben nicht unbedingt damit gerechnet, dass die Wahl
ausgerechnet auf Dieburg fallen würde», sagte Bürgermeister Frank
Haus (parteilos) mit Blick auf die zahlreichen weiteren Kommunen, die
sich beworben hatten. Nun gehe es darum, den Menschen Angebote zu
machen, Chancen zu nutzen sowie Strategien zu entwickeln, «um
Pandemie-Situation und ein Stück weit Alltag und Normalität wieder
zusammenzubringen».

Die Stadt hat sich dem Bürgermeister zufolge verschiedene Bereiche
ausgeguckt, in denen man sich Öffnungen vorstellen könne: «Das ist
wie zu erwarten der Einzelhandel, das ist die Außengastronomie und
das kann auch ein kulturelles Angebot sein.» Zum Konzept soll auch
eine Teststrategie gehören. Wann es losgeht, steht dem Rathauschef
zufolge noch nicht fest. Von einem Start unmittelbar nach Ostern geht
Haus aber nicht aus. Die Stadt werde noch einige Tage brauchen, um
die Infrastruktur auf die Beine zu stellen. Es seien auch noch
weitere Absprachen mit Kreis und Gesundheitsamt nötig.

Er hoffe, «Beispiel geben zu können und ein bisschen Hoffnung zu
vermitteln», sagte Haus weiter. Ob die Teilnahme als Modellregion
große wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen werde, daran habe er
zwar erhebliche Zweifel. «Aber es geht glaube ich tatsächlich darum,
mal eine Tür zu öffnen und ein Fenster auf zu machen».

«Wir freuen uns sehr über diese Entscheidung», sagte Baunatals
Bürgermeisterin Silke Engler (SPD) laut einer Mitteilung. Die Kommune
könne damit «einen aktiven Beitrag leisten zu einer Normalität in der

Pandemie». Denn so könnten wichtige Erfahrungen für die Bereiche
Einkaufen, Gastronomie oder für zusätzliche Öffnungsschritte
gesammelt werden. «Mit der räumlich abgrenzbaren Innenstadt mit einem
Mix aus Handel, Gastronomie, Stadthalle, Kino und öffentlichen
Einrichtungen bietet die Stadt für einen derartigen Test optimale
Rahmenbedingungen», hieß es weiter.

Die Kommune plant dabei, dass ein negativer Corona-Test als
«Eintrittskarte» gilt. Während der Projektphase sollen weitere Regeln

festgelegt werden, etwa die Nutzung der Luca-App oder das Einhalten
der Abstands- und Hygieneregeln. Wann es losgeht, steht noch nicht
fest, geplant sei «ein zügiger Start».