WHO: alle Thesen zum Virus-Ursprung werden verfolgt - USA skeptisch Von Christiane Oelrich und Lena Klimkeit, dpa

Auf gut 120 Seiten beschreiben Wissenschaftler im Auftrag der
WHO ihre Suche in Wuhan nach dem Ursprung des Coronavirus. Fündig
wurden sie nicht. Die USA betrachten den Bericht mit Skepsis.

Genf (dpa) - Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will
sämtliche Thesen zum Ursprung des Coronavirus weiter verfolgen. Das
erklärte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Dienstag in Genf.
Dazu gehört auch die Theorie, dass das Virus aus einem Labor
entwichen sein könnte, sagte Peter Embarek, der Leiter der Teams, das
Anfang des Jahres im Namen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in
China nach dem Ursprung des Virus suchte. Allerdings sei es sehr viel
wahrscheinlicher, dass das Virus aus der Tierwelt stamme. Die WHO
veröffentlichte am Dienstag den lange erwarteten Bericht des Teams.

Die Mission war politisch heikel. China setzt alles daran, nicht als
Sündenbock für die Coronavirus-Pandemie an den Pranger gestellt zu
werden. Die Regierung zögerte die Reise ausländischer
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler monatelang hinaus. Embarek
räumte schwierige Umstände ein. «Natürlich gab es politischen Druck
,
auch von außerhalb Chinas», sagte er. Kritiker argwöhnen, China habe

großen Einfluss auf die Endversion des Berichts genommen. «Es gab nie
Druck, kritische Elemente aus unseren Bericht zu entfernen», sagte
Embarek. Alle Teammitglieder stünden hinter dem Bericht. Beteiligt
waren 17 internationale und 17 chinesische Wissenschaftler.

Die US-Regierung sieht eine Reihe ungeklärter Fragen. «Ich denke, wir
müssen die Methodologie von diesem Bericht besser verstehen», sagte
der ranghohe Corona-Berater des Weißen Hauses, Andy Slavitt, dem
Sender CNN. «Wurde den Ermittlern, die den Bericht geschrieben haben,
vollständiger Zugang zu allem gewährt? Wurden sie in irgendeiner
Weise von der Regierung Chinas beeinflusst, als sie diesen Bericht
schrieben? Bis wir die Antworten auf diese Fragen kennen, denke ich,
ist es das beste, wenn wir den Bericht mit einer gesunden Skepsis,
nicht zwangsläufig mit Zynismus, betrachten.»

«Was die WHO angeht, bleiben alle Hypothesen auf dem Tisch», sagte
Tedros. Dieser Bericht ist ein wichtiger Anfang, aber nicht das Ende.
Wir haben den Ursprung des Virus noch nicht gefunden.» Es werde alles
getan, um das Rätsel zu lösen, um das Risiko, dass sich eine ähnliche

Pandemie entwickeln kann, zu reduzieren.

In dem Bericht kommt das Team zu dem Schluss, dass das Virus außer in
Fledermäusen auch in Schuppentieren seinen Ursprung haben könnte. Es
empfiehlt auch weitere Studien, ob das Virus womöglich schon vor den
ersten in der chinesischen Stadt Wuhan entdeckten Fällen in anderen
Ländern kursierte. Die Theorie, dass es aus einem Labor entwichen
sein könnte, bezeichneten sie dagegen als «extrem unwahrscheinlich».


Die Experten schließen in dem Bericht die Möglichkeit nicht aus, dass

das Virus schon vor der Entdeckung im Dezember in der chinesischen
Stadt Wuhan in China bereits in anderen Ländern zirkulierte. Die
Qualität bisheriger Studien zu dem Thema ließen aber zu wünschen
übrig, es müsse weiter untersucht werden.

Nach Angaben der Wissenschaftler könnten neben Fledermäusen und
Schuppentieren auch Nerze und Katzen Wirte des Virus sein. Viren, die
dem Sars-CoV-2-Virus am ähnlichsten sind, seien zwar in Fledermäusen
und Schuppentieren gefunden worden, heißt es weiter. «Aber keines der
Viren, die bis jetzt in diesen Säugetieren identifiziert wurden, ist
dem Sars-CoV-2 so ähnlich, dass er als direkter Vorläufer in Frage
kommt.»

«Zudem deutet die hohe Anfälligkeit von Nerzen und Katzen für
Sars-CoV-2 an, dass weitere Tierarten als mögliches Reservoir in
Frage kommen», heißt es. Die Wissenschaftler gehen von einem
Zwischenwirt aus, von dem das Virus auf den Menschen übertragen
wurde. Er wurde aber bislang nicht gefunden. «Mögliche Zwischenwirte

könnten Nerze, Schuppentiere, Hasen, Marderhunde und Hauskatzen (...)
umfassen oder Arten wie Zibetkatzen, Dachse oder verwandte
Marderarten, die während des Ausbruchs in der Provinz Guangdong in
China nachweislich mit Sars-Coronaviren infiziert waren.»

Ob der Huanan-Markt in Wuhan, der im vergangenen Jahr im Zentrum des
Ausbruchs stand, tatsächlich Ausgang der Pandemie war, sei nicht
klar, berichten die Forscher. Es seien auch Fälle bekannt, die nichts
mit dem Markt zu tun hatten. Die Ergebnisse könnten nahelegen «dass
der Huanan-Markt nicht die ursprüngliche Quelle des Ausbruchs war»,
heißt es in dem Bericht.