Berliner Senat erwägt schärfere Kontaktbeschränkungen

Die dritte Corona-Welle hat Berlin im Griff. Kaum hat der Senat neue
Maßnahmen beschlossen, wird schon über weitergehende Schritte
diskutiert.

Berlin (dpa/bb) - Im Falle weiter steigenden Corona-Zahlen kommen auf
die Menschen in Berlin womöglich schärfere Kontaktbeschränkungen zu.

Das machte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Dienstag nach
einer Sitzung des Senats deutlich. Dort sei über Möglichkeiten
diskutiert worden, «Grüppenchenbildung auf der Straße» sowie groß
e
Partys zu Hause oder Familienfeiern zu verhindern. Denn diese seien
problematisch für die epidemiologische Lage.

«Wir wissen, dass die Infektionen zum größten Teil im privaten
Kontext passieren», sagte Kalayci. «Und wir haben da ein Mittel, und
das ist das Thema Kontaktbeschränkungen», erläuterte sie. «Wir sehe
n
da schon weitere Möglichkeiten, sowohl im öffentlichen Raum als auch
in geschlossenen Räumen weitere Maßnahmen auf den Weg zu bringen.»
Man könne beispielsweise differenzieren zwischen Nacht und Tag. «Da
gibt es sehr viele Möglichkeiten.»

Details zu den Überlegungen nannte Kalayci nicht. Es gehe aber um
«andere Varianten» als Ausgangssperren oder Ausgangsbeschränkungen.
Zunächst habe der Senat am Dienstag keine Beschlüsse dazu gefasst.
Zuvor seien Gespräche und Abstimmungen mit den Fraktionen im
Abgeordnetenhaus geplant. Aktuell sind in Berlin Zusammenkünfte mit
fünf Personen aus zwei Haushalten erlaubt, plus Kinder unter 14
Jahren. Die Regeln waren erst zum 7. März etwas gelockert worden.
Zuvor waren nur Treffen mit einer haushaltsfremden Person plus Kinder
erlaubt.

Ob sich an den aktuellen Kontaktbeschränkungen bis Ostern etwas
ändert, ist offen. Kalayci sagte, für die nötigen Abstimmungen mit
dem Parlament sei nicht sehr viel Zeit. Denn die Infektionszahlen
stiegen sehr schnell; rund 70 Prozent der Infektionen entfielen auf
die ansteckendere und tödlichere britische Virus-Variante. «Das ist
ein Grund zur Sorge, aber auch ein Grund zum Handeln.»

Der Senat setzt nicht auf eine 1:1-Umsetzung der von Bund und Ländern
vereinbarten Notbremse, die die Schließung vieler Geschäfte, der
Museen und Galerien sowie mehr Kontaktbeschränkungen zur Folge hätte.
Er beschloss am Samstag vielmehr einen eigenen Berliner Weg:
Vorsichtige Lockerungen bleiben, werden aber durch verschärfte Regeln
vor allem beim Testen, für Unternehmen und bei der Maskenpflicht
ergänzt. Am Mittwoch tritt alles in Kraft.

Wichtiger Punkt dabei: Berlinerinnen und Berliner müssen einen
negativen Corona-Test zum Einkaufen in Geschäften, für Besuche im
Friseur- oder Kosmetiksalon, in Museen und Galerien vorweisen. Davon
ausgenommen sind Supermärkte, Apotheken oder Drogerien, die auch im
Lockdown offen waren. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte dieses
Vorgehen mit «Testen und Bummeln» umschrieben und kritisiert.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Thomas Isenberg kritisierte die
Ergebnisse der Senatssitzung vom Dienstag. «Eine harte Vollbremsung
ist nötiger und überfälliger denn je - jeder weitere Tag Verzögerun
g
macht es nicht besser, sondern dramatischer.» Schon am Vortag hatte
er sich unter anderem eine nächtliche Ausgangssperre angemahnt.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ist ein solcher
harter Schritt aber nicht mehrheitsfähig in den rot-rot-grünen
Koalitionsfraktionen. Er würde eine neue Qualität in der Corona-Krise
bedeuten und könnte nicht ohne Zustimmung des Abgeordnetenhauses
umgesetzt werden. In Parlaments- und Senatskreisen wird auch auf
schwierige rechtliche beziehungsweise verfassungsrechtliche Fragen
verwiesen.

Sollte der Bund schärfere Maßnahmen gegen die Pandemie auf den Weg
bringen, würde Berlin diese umsetzen. Das sagte der Regierende
Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Montagabend im ZDF. Merkel
hatte den Kurs mancher Bundesländer in der Pandemie, den sie momentan
als zu lasch empfindet, am Sonntag attackiert und eigene, dann
bundesweit geltende Regelungen etwa über das Infektionsschutzgesetz
in Aussicht gestellt. In Regionen mit besonders hohen
Infektionszahlen könnten Ausgangsbeschränkungen «ein ganz wirksames
Mittel sein», so die Kanzlerin in der ARD.

Die Corona-Inzidenz stieg in Berlin zuletzt stetig an. Am Dienstag
lag die Zahl der neuer Ansteckungen pro 100 000 Einwohner binnen
sieben Tagen mit 142,4 allerdings etwas unter dem Vortageswert von
146,4. Das geht aus dem Lagebericht der Gesundheitsverwaltung hervor.