Laschet skizziert Ziele für Bundestagswahl: Modernisierungs-Jahrzehnt Von Jörg Blank und Axel Hofmann, dpa

Ein halbes Jahr vor der Wahl tut CDU-Chef Armin Laschet das, was
viele dringend von ihm erwarten: Er umreißt die Kernthemen des
Wahlprogramms seiner Partei. Ist das auch ein Signal für die
Kanzlerkandidatur?

Berlin (dpa) - Pandemie überwinden, Verwaltung digital modernisieren,
Klimawohlstand durch Innovation, Zusammenhalt bewahren, Europa: Ein
halbes Jahr vor der Bundestagswahl hat CDU-Chef Armin Laschet seine
Ideen für eine neue unionsgeführte Regierung nach der Ära von
Kanzlerin Angela Merkel präsentiert. Deutschland solle zum «Land der
Macherinnen und Macher» weiterentwickelt werden, warb der mögliche
Unions-Kanzlerkandidat am Dienstag in einer programmatischen Rede zum
Start der Beteiligungskampagne für das CDU-Programm zur
Bundestagswahl im September. «Chancen eröffnen: Das ist die Republik,
von der ich träume», sagte Laschet in Berlin.

Vor den an Ostern beginnenden Entscheidungswochen in der Union über
die Kanzlerkandidatur dürfte der Auftritt als wichtiger Akzent
gedacht gewesen sein. Zwar haben offiziell weder Laschet noch
CSU-Chef Markus Söder ihre Kandidaturen erklärt - beiden werden aber
große Ambitionen auf das Kanzleramt zugesprochen. Söder liegt bei
Beliebtheitsumfragen in der Bevölkerung seit Monaten meist weit
vorne. Laschet dürfte aber trotz einiger CDU-Stimmen, die sich
öffentlich für Söder stark machen, einen Großteil der
CDU-Landesverbände hinter sich sehen.

Laschet sagte in seiner Rede Nachbesserungen im Pandemie-Management
zu. Fehler und persönliches Fehlverhalten in den eigenen Reihen
hätten dazu geführt, dass das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der

Unionsparteien gesunken sei. «Wir werden das ändern. Wir werden das
besser machen. Dafür stehe ich persönlich ein», versicherte er. Die
CDU sei als Partei der Mitte «der innovative Kern deutscher Politik».
Als zentrale Wahlkampfthemen nannte er eine nachhaltige Umwelt-,
Wirtschafts- und Sozial- und Digitalpolitik.

Im Bundestagswahlkampf will der CDU-Chef für ein «Jahrzehnt der
Modernisierung» werben. Die Fehler, die in der Pandemie erkennbar
geworden seien, müssten jetzt angepackt werden. Ein «Weiter so» dür
fe
es nicht geben. Staat und Verwaltung müssten digitaler, schneller,
schlanker sowie flexibler und effizienter werden, Bürokratie müsse
abgebaut werden. Laschet betonte: «Wir können Veränderung. Doch wir
sind in den letzten Jahren zu bequem geworden.» Die Krise müsse
genutzt werden, um als gestärktes, geeintes und erneuertes Land nach
der Pandemie voranzukommen.

Das Verhältnis von Staat, Wirtschaft und Ökologie müsse neu justiert

werden, verlangte Laschet, der auch NRW-Ministerpräsident ist.
«Klimaschutz allein reicht nicht.» Im Sinne von Wirtschaft und
Industrie müsse es «Vorfahrt für Zukunftstechnologien» geben. Der
CDU-Chef kündigte eine wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung vor
allem für Mittelstand und Familienunternehmen an und für junge
Gründer ein «bürokratiefreies Jahr». Veränderung werde aber nur
gelingen, «wenn Menschen uns glauben, dass wir das können». Vertrauen

entstehe, wenn Ehrlichkeit im Mittelpunkt der Politik stehe. Dies sei
die «wichtigste Währung auch bei der Modernisierung».

Deutschland und Europa sollten wieder die «Apotheke der Welt» werden,
nachdem vor allem China Deutschland mit riesigen Investitionen den
Standortvorteil in diesem Bereich genommen habe, forderte Laschet.
Mit «grünem Wasserstoff» wolle er Energiepolitik mit
Industriearbeitsplätzen verbinden und zeigen, wie Stahl «grün»
produziert werden könne. Klar bekannte sich Laschet zu Europa - auch
wenn bei der Impfstoffbeschaffung nicht alles optimal gelaufen sei.

Außenpolitisch müsse Europa künftig mit einer Stimme sprechen - «nu
r
dann werden wir in der Welt wahrgenommen», warb Laschet. Spaltern und
Nationalisten halte er entgegen: «Wir lassen uns unser Europa nicht
kaputt machen. Wir werden kämpfen für mehr Europa, weil nur das in
deutschem Interesse liegt.» Globale Unsicherheiten, Zukunfssorgen und
rasanter technologischer Wandel führten zu einer Polarisierung der
Gesellschaft - etwa beim Klimaschutz oder in der Schulpolitik.
Toleranz und Meinungsvielfalt seien dagegen Voraussetzungen für
Modernisierung: Rechthaberei und anonym vorgetragene Aggression in
den sozialen Medien dienten nicht dem Zusammenhalt der Gesellschaft.

Gleichzeitig warnte Laschet vor einer rot-rot-grünen Koalition nach
der Bundestagswahl im September. «Die Zukunft lässt sich nicht mit
ideologischen linken Experimenten gestalten», betonte der
CDU-Chef.«Wir sind das Bollwerk gegen ideologiegetriebene Politik,
die in alle Lebensbereiche der Menschen eingreift.» Dies ließen die
Wahlprogramme von Linken, SPD und Grünen erahnen. «Im Ziel sind wir
vielleicht einig. Im Weg haben wir völlig unterschiedliche Ansätze.»


Im Anschluss an seine Rede zum Kampagnenstart diskutierte Laschet mit
Vertretern verschiedener Bereiche der Gesellschaft über Lehren aus
der Pandemie. Neben der Leiterin einer digitalen Vorreiterschule in
Dresden, einer Gründerin, die sich für die Beseitigung von
Plastikmüll aus den Meeren engagiert und dem Geschäftsführer einer
Drogeriemarktkette, die Corona-Tests anbietet, war auch der
Vorsitzende der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie, Michael
Vassiliadis, Laschets Gesprächspartner. Für Laschet könnte das im
Wahlkampf ein wichtiges Zeichen sein: Gewerkschaftsvertretern wird in
der Regel eher eine Nähe zur SPD oder zur Linkspartei nachgesagt.