Trotz Kritik: In NRW vielerorts Notbremse gelockert

Mit negativem Test weiter zum Einkaufen oder ins Museum - natürlich
unter Auflagen. In NRW nutzen diese Test-Option viele Kreise und
Städte mit hohen Neuinfektionszahlen - trotz Merkels Kritik an einer
gelockerten Corona-Bremse.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Trotz Kritik der Bundeskanzlerin an örtlichen
Lockerungen der Corona-Notbremse haben diesen Weg am Montag viele
Städte und Kreise in NRW eingeschlagen. Bürger dürfen mit
tagesaktuellem Corona-Negativtest auch in zahlreichen Städten und
Kreisen mit anhaltend hohen Inzidenzwerten weiter unter Auflagen etwa
in Gartenmärkten oder Bekleidungsgeschäften einkaufen, Museen oder
Zoos besuchen. Von starkem Andrang war zunächst aber wenig zu hören.
Immerhin meldete Dortmund: «Der Zoo freut sich auch heute über großen

Zuspruch der Besucher*innen. Die Museen haben montags geschlossen.»

Bund und Länder hatten eine Notbremse für Kommunen mit über 100
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche angekündigt.
NRW hatte dennoch zahlreichen Städten und Kreisen die Test-Option
gestattet.

Davon machten am Montag etwa Essen, Duisburg, Dortmund, Düren,
Wuppertal, Solingen, Leverkusen, Moers sowie die Kreise Gütersloh und
Wesel Gebrauch. Der Gütersloher Landrat Sven-Georg Adenauer
unterstrich aber: «Wir müssen uns auch darauf einstellen, dass wir
die Allgemeinverfügung nachschärfen müssen, sollten die Zahlen weiter

nach oben gehen. Dann muss es weitere Einschränkungen geben.»

Die Stadt Moers wies darauf hin, dass nun bei Autofahrten von
Personen aus mehreren Haushalten alle eine Maske tragen müssen. «Die
Stadt bittet besonders Mitarbeitende von Handwerksbetrieben, dies zu
beachten.» Auf Spielplätzen gelte auch schon für Kinder im
Grundschulalter eine Maskenpflicht. Dies werde vom Ordnungsamt
kontrolliert.

Auch Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) kündigte an, in

Kürze die Öffnungsoption zur Notbremse beim Land zu beantragen. Mit
einer Wocheninzidenz von 110,4 habe die Bundesstadt am Montag den
dritten Tag in Folge über der kritischen Schwelle gelegen. Es gebe
mit 161 Stellen ausreichend Testmöglichkeiten in Bonn.

Die Stadt Essen ging wegen der Ferien «von einer entsprechenden
Nachfrage» für kulturelle Einrichtungen aus. Aber: «Ein zu großer
Andrang ist bisher noch nicht zu spüren», teilte eine Sprecherin mit.
Der Einzelhandel rechne trotz Test-Option nicht mit großen Andrang.
Aus Wuppertal hieß es, über die rund 100 Test-Stellen - allesamt von
privaten Anbietern betrieben - habe man keinen Überblick. Vom Rathaus
aus könne man die Lage an den 50 Testpunkten und im Handel nicht
beurteilen, berichtete ähnlich Solingen.

Duisburg hatte noch keine Meldungen aus Geschäften oder Zoos, Museen
seien montags geschlossen. Die Städteregion Aachen mit rund 200
Schnellteststellen meldete reges Interesse, allerdings schon seit
Tagen.

Die größte NRW-Stadt Köln verzichtet dagegen vorerst auf Lockerungen.

«Wir haben am Wochenende intensiv darüber beraten, ob wir beim Land
beantragen, auf die Notbremse zu verzichten», sagte
Krisenstabsleiterin Andrea Blome. Angesichts stark steigender Zahlen
und einer besorgniserregenden Situation auf den Intensivstationen
habe man sich dagegen entschieden. Auch Hagen wollte auf die Bremse
treten und die am 8. März unter Auflagen geöffneten Läden des
nicht-täglichen Bedarfs und Kulturstätten wieder dichtmachen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Sonntag in der ARD-Sendung
«Anne Will» kritisiert, dass manche Länder die vereinbarte Notbremse

bei einer Wochen-Inzidenz über 100 nicht umsetzten.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet sagte am Montag nach einer
Sitzung des CDU-Präsidiums in Berlin: «Jeder will, dass die
Infektionszahlen runtergehen, und jeder hat für sein Land
entsprechende Maßnahmen gemacht». Der CDU-Bundesparteichef räumte
aber ein, dass diese Maßnahmen «sehr unterschiedlich» seien.

NRW-Vize-Regierungschef Joachim Stamp (FDP) wies Merkels Kritik
Corona-Krisenmanagement der Länder zurück. «Angesichts der Mängel b
ei
der Impfstoffbeschaffung, der langen Dauer der Zertifizierung von
Tests und der traurigen Bilanz der Corona-Warn-App, für die der Bund
verantwortlich ist, sollte sich die Kritik des Bundeskanzleramts auf
die eigenen Versäumnisse konzentrieren», sagte er der «Welt»
(Dienstagsausgabe).

Die Nachfrage nach den Corona-Schnelltests stieg laut
Apothekerverband Nordrhein landesweit deutlich an. Seitdem das
kostenlose Angebot für mindestens einen wöchentlichen Bürgertest
breiter bekannt geworden sei, wachse der Zulauf hier für die
beteiligten rund 500 Apotheken in NRW enorm, sagte der Vorsitzende
des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis. Auch unabhängig vom
Instrument der Corona-Notbremsen-Lockerung nehme der schon seit zwei
Wochen bestehende Andrang nun noch einmal zu - wohl vor allem, weil
man an den Feiertagen die Familie besuchen und auch die Großeltern
treffen wolle.

Die seit 9. März möglichen kostenlosen Bürgertests sind Preis zufolge

in den Apotheken rund 500 000 Mal pro Woche durchgeführt worden,
Tendenz stark steigend. Für den ersten Monat rechne man insgesamt mit
2,5 Millionen Tests in NRW. «Es kommen inzwischen ganze Familien.»