) Vom Escape Room bis zur Kneipe - Mehr Corona-Testzentren in Sachsen

Sachsen will künftig mehr testen und so gewisse Freiheiten in der
Corona-Krise ermöglichen. Mittlerweile können die Sachsen vielerorts
einem kostenlosen Test machen - teils an ungewöhnlichen Orten.

Dresden (dpa/sn) - Testen hinter Gittern: Normalerweise versuchen in
dem Escape Room der Dresdner Neustadt verschiedene Teams spielerisch
aus einer Gefängniszelle auszubrechen. Weil die Event-Location wegen
der Corona-Krise schon seit Monaten geschlossen ist, versuchen sich
die Betreiber nun an einem neuen Geschäftsmodell: einem Testzentrum.
Seit wenigen Tagen wird in den «Gefängniszellen» getestet. «Die
eignen sich gut, weil ohnehin alles abgetrennt und gefliest ist. Das
lässt sich gut desinfizieren und der Abstand kann eingehalten
werden», sagt Teamescape-Geschäftsführerin Margrit Jespersen. Rund
300 Menschen kamen in den ersten drei Tagen.

«Die Nachfrage ist sehr hoch. Unsere Kapazität ist nahezu
ausgeschöpft», sagt Jespersen. Von dem Hamburger Kooperationspartner
bekommen sie Schnell- und PCR-Tests geliefert, sie mussten aber auch
schon in Apotheken nachordern. Angelernt wurden die drei Mitarbeiter
unter ärztlicher Leitung. Das Dresdner Gesundheitsamt hat sich vor
Ort umgeschaut und für das Testzentrum samt Hygienekonzept grünes
Licht gegeben. Der Weg dahin war nicht ganz leicht, berichtet
Jespersen. «Wir sind noch dabei, alle Abläufe glatt zu bekommen».

Ein Punkt sei etwa die Abrechnung der kostenlosen Schnelltests, auf
die jeder Bürger einmal pro Woche Anspruch hat. Abgerechnet werden
diese über die Kassenärztliche Vereinigung (KV) in Sachsen. Weil
diese derzeit so viele Anträge von den Testzentren bekämen, dauere
die Bearbeitung. «Das ist für uns ein kleiner Unsicherheitsfaktor,
wir gehen blind in Vorleistung.» Abrechnung und Bürokratie seien
nicht einfach. Schließlich habe man nicht die Erfahrung einer
Arztpraxis. Dennoch ist Jespersen froh, dass nicht nur die Räume
wieder genutzt werden, sondern sie auch sinnvolles tun kann: «So hat
man das Gefühl, einen kleinen Beitrag in der Pandemie zu leisten.»

Niemand müsse befürchten, auf den Kosten für die kostenlosen
Bürgertests sitzen zu bleiben, betonte KV-Sprecherin Katharina
Bachmann-Bux. Diese könnten auch rückwirkend über die Kassenärztlic
he
Vereinigung abgerechnet werden. Wer ein Testzentrum betreibe, könne
einen entsprechenden Antrag stellen. Es gibt derzeit rund 70 bei der
KV registrierte Testzentren - mehrere Standorte eines Betreibers
werden nicht mitgezählt. Momentan gebe es sehr viele Anfragen zur
Registrierung, hieß es. «Vieles läuft in der Corona-Krise bei uns
zusammen.» Die Bearbeitung der Anträge nehme daher eine gewisse Zeit
in Anspruch. Zudem verwies Bachmann-Bux auf die veränderte
Testverordnung, die teils zu Verzögerungen führe. Demnach stehen
manche Bundesvorgaben zur Abrechnung erst seit dem 22. März fest.

Derzeit gibt es nach Schätzung des Gesundheitsministeriums rund 650
Testzentren und Teststationen im Freistaat. Damit hat sich die Zahl
innerhalb einer Woche etwa verdoppelt. Täglich kämen derzeit neue
hinzu, hieß es. Neben zahlreichen Apotheken, Landkreisen und Kommunen
bieten mittlerweile auch Firmen und Initiativen sowohl Schnell- als
auch PCR-Tests an. Wer den kostenlosen Bürgertest anbietet, muss laut
Gesundheitsministerium durch das örtliche Gesundheitsamt beauftragt
werden. Nur so dürfen die Kosten über die Kassenärztliche Vereinigung

abgerechnet werden. Prinzipiell dürfe aber jeder ein Testzentrum
eröffnen, der mit Medizinprodukten umgehen könne, hieß es.

Auf der Suche nach Alternativen in der Corona-Krise haben sich
mehrere Kneipen und Musikclubs in Dresden mittlerweile auf das Testen
verlegt - so kann etwa für einen PCR-Test schon seit Februar im
«Objekt klein a» im Dresdner Norden gegurgelt werden. Auf dem Gelände

des Musikclubs, der wegen der Corona-Auflagen vorübergehend schließen
musste, arbeiten vor allem Leute aus dem Kulturbereich. Im Musikclub
«Ostpol» im Szeneviertel Neustadt wurden in den ersten beiden Tagen
nach der Eröffnung fast 200 Schnelltests gemacht.

In Leipzig kann man sich ohne Anmeldung in den Räumen des
Bruno-Plache-Stadions testen lassen - in der 100 Quadratmeter großen
Lounge, wo normalerweise die Vorstände von Lok Leipzig für
Pressekonferenzen zusammenkommen. Tobias Fischer von der Firma
RettMedic testet dort im Schnitt bis zu 100 Menschen pro Tag.

Seitdem die Bürger Anspruch auf einen kostenlosen Schnelltest haben,
habe sich die Nachfrage nahezu verfünffacht, berichtet Niels Pfaff,
der als Partner vor Ort im Auftrag der Firma covi medical Testzentren
in Dresden, Zwickau und Görlitz aufgebaut hat. «Das ging schlagartig
hoch.» Rund 250 Tests sind es derzeit pro Tag etwa in dem aufgebauten
Container in Zwickau - bei verlängerten Öffnungszeiten könnten
künftig bis zu 800 Menschen täglich getestet werden, so Pfaff.

Sachsen will künftig eine andere Strategie in der Corona-Krise fahren
und verstärkt testen. So sollen etwa mit einem negativen Test Besuche
von Zoos, Museen und Shopping im Einzelhandel möglich sein -
unabhängig von der Zahl der Neuinfektionen. Details soll die neue
Corona-Schutzverordnung regeln, für deren Beschluss sich das Kabinett
am späten Montagnachmittag treffen wollte.