Corona-Impfstoff: EU streitet auch nach Gipfel um Verteilung

Die EU-Staaten wollen rasch mehr Impfstoff für ihre Bürger. Deshalb
sollen Exporte strikt überwacht werden. Wie die kostbaren Mittel in
der Gemeinschaft verteilt werden, bleibt aber auch nach dem EU-Gipfel
Zankapfel.

Brüssel (dpa) - Die EU-Staaten streiten auch nach ihrem Gipfel weiter
über die Verteilung knapper Corona-Impfstoffe. Am Freitag pochte
Tschechien abermals auf Korrekturen, und auch Österreich hofft nach
wie vor auf zusätzliche Impfstoffmengen. Nun soll in Brüssel erneut
verhandelt werden. Einig waren sich die Staats- und Regierungschefs
aber, dass Impfstoff-Exporte in Drittstaaten überwacht werden sollen,
damit die EU insgesamt von den Herstellern fair beliefert wird.

Möglich sind damit auch Exportverbote - die aber aus Furcht vor
Gegenmaßnahmen nur im Notfall verhängt werden sollen. Bundeskanzlerin
Angela Merkel sagte am späten Donnerstagabend: «Wir haben bezüglich
der Exportkontrollverordnung geäußert, dass wir keinerlei Störung der

internationalen globalen Lieferketten wollen, aber dass wir natürlich
daran interessiert sind, dass die Firmen, die mit uns Verträge
abgeschlossen haben, auch wirklich vertragstreu sind.» Die EU liefere
Corona-Impfstoff in alle Welt, anders als die USA oder
Großbritannien. Man wolle aber auch die eigene Bevölkerung versorgen.

Angesichts des Mangels hatten Österreich und fünf weitere Staaten
Korrekturen an der internen Verteilung der Impfstoffe in der EU
verlangt. Doch erreichten sie beim Gipfel wenig. In ihrer
Abschlusserklärung bekräftigten die Staats- und Regierungschefs im
Grundsatz den bisherigen Verteilschlüssel nach Bevölkerungsgröße.
Nach stundenlangem Streit wurde nur vereinbart, über eine vorgezogene
Teillieferung von zehn Millionen Impfdosen von Biontech/Pfizer «im
Geiste der Solidarität» weiter zu verhandeln. Damit könnten
kurzfristig einige Löcher gestopft werden.

Bisher lief die Verteilung so: Grundsätzlich haben die Staaten
Zugriff auf einen Anteil gemäß ihrer Bevölkerungsstärke in der EU -

für Deutschland sind das knapp 19 Prozent. Will ein Land seinen
Anteil nicht oder nicht ganz, können andere EU-Staaten die Mengen
aufkaufen. Einige Staaten waren zum Beispiel skeptisch beim teuren
Impfstoff von Biontech/Pfizer und setzten stärker auf das preiswerte
Mittel von Astrazeneca, bei dem es jetzt erhebliche Lieferprobleme
gibt. So gerieten sie ins Hintertreffen.

Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis sagte am Freitag,
wenn das System so weitergeführt werde wie bisher, würden manche
Staaten im Sommer genug Impfstoff für 90 Prozent ihrer Bevölkerung
haben, andere aber nur für 40 Prozent. «Das ist inakzeptabel.»
Tschechien ist mit mehr als 500 Ansteckungen auf 100 000 Einwohner
innerhalb von sieben derzeit besonders hart von Corona betroffen.

Babis begrüßte, dass zehn Millionen vorgezogene Dosen des
Biontech/Pfizer-Impfstoffs für einen Ausgleich genutzt werden
könnten. Über die Aufteilung dieser Lieferung, die der Hersteller
zusätzlich fürs zweite Quartal zugesagt hatte, wurde aber bereits vor
dem Gipfel gestritten, und auch der brachte noch keine Lösung.

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz räumte am Freitag ein, dass ein
Kompromiss gefunden werden müsse. Er wollte nicht sagen, wie viele
zusätzliche Impfdosen er sich erhofft, zeigte sich aber
optimistisch, dass Österreich von einer Lösung profitieren werde.

Vor allem Kurz war bei den übrigen Staats- und Regierungschefs mit
seinen Forderungen nicht gut angekommen. «Sebastian Kurz hat sich
verzockt», sagte ein EU-Diplomat. Der niederländische
Ministerpräsident Mark Rutte sagte, ein Blick auf die Zahlen zeige,
dass vor allem Bulgarien, Lettland und Kroatien ein Problem hätten.
Denen wolle man helfen. Bei Österreich könne er dies hingegen derzeit
nicht erkennen.

Eine gemeinsame Linie fand der EU-Gipfel zur Türkei: Dem Land wird
wegen der Entspannung im Erdgasstreit eine engere Partnerschaft in
Aussicht gestellt. Unter anderem entschieden die 27 Staaten, mit den
Vorbereitungen für eine Ausweitung der Zollunion zu beginnen. Auch
eine Visa-Liberalisierung wurde Ankara indirekt in Aussicht gestellt.
Darüber hinaus will die EU die Zusammenarbeit in der
Migrationspolitik stärken und mögliche weitere Finanzhilfen für die
Versorgung syrischer Flüchtlinge vorbereiten.

Das türkische Außenministerium erklärte dazu, man freue sich zwar
über die Ankündigung, die Beziehungen auf Basis einer «positiven
Agenda» fortführen zu wollen. Ankara kritisierte aber, dass künftige

Schritte an Bedingungen geknüpft, manche Themen ausgelassen und
Entscheidungen auf Juni verschoben worden seien.