15-Jährige in Berlin erwürgt: Angeklagter voll schuldfähig

Berlin (dpa/bb) - Der mutmaßliche Mörder einer 15 Jahre alten
Schülerin in Berlin ist laut Gutachten voll schuldfähig. Hinweise auf
eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit lägen nicht vor, erklärte
eine Psychiaterin am Donnerstag vor dem Landgericht. Damit kam die
Gutachterin nach zweimonatigem Prozess zu einem anderen Ergebnis als
in ihrem vorläufigen schriftlichen Gutachten. Zuvor hatte
Rechtsmediziner Michael Tsokos von der Berliner Charité erklärt, die
15-Jährige sei erwürgt worden. Einen epileptischen Anfall als
Todesursache könne er ausschließen.

Der 42-jährige Angeklagte muss sich wegen Mordes verantworten. Er
soll die Schülerin in der Nacht zum 5. August 2020 nach einer
versuchten Vergewaltigung aus Angst vor Entdeckung getötet habe. Die
15-Jährige sei von einem Treffen mit Freundinnen gekommen und habe
den ihr unbekannten Mann zufällig an einem S-Bahnhof getroffen. Sie
habe ihn zunächst freiwillig begleitet.

Der deutsche Angeklagte hatte vor einer Woche sein Schweigen
gebrochen und eine Tötungsabsicht zurückgewiesen. Bei freiwilligem
Sex an der Rummelsburger Bucht habe er die 15-Jährige «leicht
gewürgt». Plötzlich habe sie sich nicht mehr bewegt. Seine Anwälte

hatten erklärt, Todesursache sei möglicherweise ein epileptischer
Anfall, den die alkoholisierte Schülerin erlitten habe. Dies schloss
Rechtsmediziner Tsokos nun aus.

Der Angeklagte ist bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten. In
einem Verfahren wegen Vergewaltigung war er 2001 als schuldunfähig
aufgrund einer Erkrankung freigesprochen, aber in einem
psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden. 2014 wurde er in
einem Gutachten als nicht mehr gefährlich eingestuft und entlassen.

Im jetzigen psychiatrischen Gutachten hieß es weiter, bei dem
Angeklagten liege zwar eine hirnorganische Störung vor. Diese sei für
die Tat allerdings nicht ausschlaggebend gewesen. Der 42-Jährige habe
zuletzt mehrere Jahre in einer Partnerschaft gelebt. «Niemals kam es
nach Angaben der Frau zu einem Impulsdurchbruch», so die
Psychiaterin. Weil die Zeugin erst im Prozess Angaben zu ihrem
damaligen Lebensgefährten machte, sei sie nun zu einem anderen
Ergebnis gekommen als vor der Verhandlung, so die Expertin.

In der 13-jährigen Unterbringung des Angeklagten im Maßregelvollzug
sei zwar «enorm viel versucht worden», so die Psychiaterin weiter.
Der 42-Jährige aber habe sich allem entzogen. Er besitze die
Fähigkeit, zu manipulieren und zu täuschen. Der Prozess wird am 30.
März fortgesetzt - voraussichtlich mit den Plädoyers.