Indien blockiert Exporte: Impfstofflieferung an arme Länder verzögert

Dutzende Entwicklungsländer zählen beim Corona-Impfstoff auf die
Hilfe der solidarischen Covax-Initiative. Die soll einen Großteil der
Impfdosen aus Indien bekommen - aber dort hakt es jetzt.

Genf/Neu Delhi/Addis Abeba (dpa) - Bei der weltweiten Auslieferung
der Corona-Impfstoffe kommt es wegen Exportbeschränkungen in Indien
zu deutlichen Verzögerungen. Das solidarische Impfprogramm Covax der
Vereinten Nationen rechnet damit, dass für März und April geplante
Lieferungen nicht wie erwartet ankommen werden, wie eine Sprecherin
der Impfinitiative Gavi in Genf am Donnerstag sagte. Die afrikanische
Gesundheitsbehörde Africa CDC zeigte sich besorgt, dass dies den
Kampf gegen das Coronavirus in Afrika stark beeinträchtigen könnten.

Indien ist einer der Hauptlieferanten für Covax. Das Land ist
generell als Apotheke der Welt bekannt und stellt mehr als die Hälfte
aller Impfstoffe weltweit her. Covax wollte von Anfang März bis Mai
insgesamt 237 Millionen Impfdosen ausliefern - mehr als 100 Millionen
davon solche, die vom Serum-Institut in Indien hergestellt werden.

Nun würde die Lieferung von bis zu 90 Millionen Dosen, die Covax im
März und April erhalten sollte, verzögert, teilte Covax mit. 28
Millionen seien bislang eingetroffen. Zusätzlich hat Covax gut die
Hälfte der 1,2 Millionen Dosen des Impfstoffs von Biontech/Pfizer
ausgeliefert. Insgesamt seien erste Lieferungen in mehr als 50 Länder
gegangen. Gavi-Vertreter verhandelten mit Indien über eine möglichst
schnelle Lieferung der vertraglich zugesagten Dosen. Das
Serum-Institut wurde finanziell unterstützt, um die
Impfstoffherstellung auszuweiten, betonte Gavi. Auch anderswo
hergestellte Astrazenaca-Impfdosen können statt im März erst im April
ausgeliefert werden, teilte Gavi mit.

Hintergrund ist, dass Indien selbst Anspruch auf die Produktion des
Impfstoffs erhebt. «Verzögerungen bei der Erteilung von
Exportlizenzen für Impfdosen, die vom Serum-Institut hergestellt
werden, beruhen auf der erhöhten Nachfrage nach Covid-19-Impfstoff in
Indien», teilte Gavi mit.

Das 1,3-Milliarden-Einwohner-Land Indien steuert nach Einschätzung
von Experten gerade auf eine neue Corona-Welle zu. Vor einigen Wochen
wurden teils weniger als 10 000 Corona-Infektionen pro Tag erfasst,
zuletzt waren es mehr als 50 000. Zudem geht in Indien die Angst vor
einer neuen Corona-Variante um. In Analysen aus dem Bundesstaat
Maharashtra konnten in vielen Proben zwei Mutationen nachgewiesen
werden, die mit einer größeren Ansteckungsgefahr in Verbindung
gebracht werden und die das Virus in die Lage versetzen, die
menschliche Immunantwort zu umgehen. Diese Mutationen passen den
Angaben zufolge nicht zu den bislang bekannten Virus-Varianten.

Der Chef der panafrikanischen Gesundheitsbehörde Africa CDC, John
Nkengasong, sagte für Afrika sei es sehr problematisch, wenn die
Lieferung von Impfdosen verzögert wird. «Es scheint, dass wir uns
einer dritten Welle nähern. Ohne schnellen Zugang zu Impfstoffen
werden wir weiter vor Herausforderungen stehen, Menschen werden ums
Leben kommen, und Volkswirtschaften werden weiter kämpfen.» Die
Verzögerungen könnten den Kampf gegen das Coronavirus in Afrika stark
beeinträchtigen. Er fühle sich hilflos, sagte Nkengasong und warnte:
«Es gibt keinen Grund, einen Krieg um Impfstoffe zu führen. Dann
werden wir alle verlieren.»

Nkengasong reagierte dabei auch auf die Entwicklungen in Europa. Die
EU-Kommission hatte eine am 1. Februar eingeführte Exportkontrolle am
Mittwoch noch verschärft. Herstellern, die EU-Verträge nicht
erfüllen, kann die Ausfuhr untersagt werden.

Viele Entwicklungsländer, darunter etliche afrikanische Staaten,
können sich Impfstoffe nur eingeschränkt oder gar nicht selbst
leisten und sind daher auf die Lieferungen durch Covax angewiesen.
Nach Angaben der Regierung in Neu Delhi sind bislang knapp 18
Millionen in Indien hergestellte Impfdosen an Covax geliefert worden.
Weitere 40 Millionen Dosen seien außerhalb des Programms zu niedrigen
Preisen ins Ausland verkauft oder verschenkt worden. In Indien selbst
seien 50 Millionen Impfdosen verabreicht worden.