Saarland beginnt Ausstieg aus Lockdown Von Birgit Reichert, dpa

Die neue Eintrittskarte im Saarland heißt negativer Schnelltest.
Damit sollen Bürgern bald viele Einrichtungen wieder offen stehen.
Möglich macht das ein Modellprojekt. Und eine niedrige Inzidenz.

Saarbrücken (dpa/lrs) - Das Saarland will die Corona-Maßnahmen nach
Ostern in einem Modellprojekt weitreichend lockern: Vom 6. April an -
dem Dienstag nach Ostern - sollen unter anderem Kinos, Theater,
Fitnessstudios und die Außengastronomie wieder öffnen. Voraussetzung
sei ein negativer Schnelltest, der nicht älter als 24 Stunden sein
dürfe, sagte Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) am Donnerstag. «Wir

wollen damit den Menschen eine Perspektive bieten, um gerade im
Frühling wieder etwas mehr Lebensqualität genießen zu können.»

Hans sprach sich für neue Wege in der Pandemiebekämpfung aus. «Es
muss uns nach einem Jahr Corona-Pandemie mehr einfallen als nur zu
schließen und zu beschränken», sagte der Regierungschef. A und O
seien die Tests, mit denen wieder mehr privates und auch mehr
öffentliches Leben möglich werde.

Bei privaten Treffen und Veranstaltungen im Freien sollen nach dem
Osterwochenende im Saarland bis zu zehn Personen erlaubt sein. Auch
Kontaktsport im Außenbereich soll dann wieder möglich sein - immer in
Verbindung mit einem negativen Test. Wenn alles gut laufe, könne es
weitere Öffnungsschritte nach dem 18. April geben - in der
Gastronomie, beim Ehrenamt, in den Schulen.

Bund und Länder hatten beim jüngsten Corona-Gipfel beschlossen, dass
die Länder in einigen ausgewählten Regionen zeitlich befristete
Modellprojekte starten könnten - «mit strengen Schutzmaßnahmen und
einem Testkonzept», um einzelne Bereiche des öffentlichen Lebens zu
öffnen - und um dies zu untersuchen. Die Zeitspanne des Projekts im
Saarland war zunächst unklar.

Es gebe viele Bundesländer, die angekündigt hätten, solche
Modellregionen jetzt ausweisen zu wollen. «Wir sind aber das einzige
Bundesland, dass das als Ganzes tut. Deswegen nennen wir unser
Projekt auch das Saarland-Modell», sagte Hans. Es werde
wissenschaftlich begleitet.

Das Saarland habe für ein solches Modellprojekt beste
Voraussetzungen: Zum einen sei die Sieben-Tage-Inzidenz - also die
Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche .
mit derzeit um die 70 eine der niedrigsten bundesweit. Die Quote sei
über die vergangenen Wochen weitgehend stabil, es gebe kein
exponentielles Wachstum.

Zum zweiten verfüge das kleinste Flächenland Deutschlands über eine
gute Infrastruktur für Tests. Es gebe mehr als 350 Orte, an denen
Bürger mehrfach die Woche kostenfreie Antigen-Schnelltests machen
könnten. In Schulen und Kitas gebe es zwei wöchentliche Tests für
Lehrer und Schüler. Auch Testkits gebe es genug: Das Saarland habe
frühzeitig 2,5 Millionen Schnelltests bestellt.

Die Saarländer mussten ihre Teststruktur aber auch gut aufstellen,
grenzt das Land mit knapp einer Million Einwohner direkt an das
ausgewiesene Virusvariantengebiet Moselle in Frankreich. Es herrscht
eine verschärfte Testpflicht für Einreisende - seit Anfang März gibt

es nahe des Grenzübergangs Goldene Bremm in Saarbrücken ein
deutsch-französisches Testzentrum.

Schließlich sei die Impfquote im Saarland hoch. Bislang seien rund
150 000 Impfungen gegen das Corona-Virus vorgenommen worden, davon um
die 110 000 Erstimpfungen. Mit einer Quote von 11,4 Prozent bei den
Erstimpfungen liege das Land an der Spitze der Bundesländer, sagte
Hans. Die Impfstrategie solle weiter beschleunigt werden.

Im Kampf auch gegen Corona-Varianten seien die zusätzlichen 80 000
Impfdosen, das das Saarland als Grenzregion erhalte, ein großer
Erfolg, sagte die stellvertretende Ministerpräsidentin Anke Rehlinger
(SPD). «Damit werden wir, was das Impfen angeht, ein gutes Stück
vorankommen.» Die britische und die südafrikanische Variante machen
nach jüngsten Daten der Universität des Saarlandes einen Anteil von
fast 75 Prozent aus.

Kritik an dem Modellprojekt kam von SPD-Gesundheitsexperte Karl
Lauterbach. «Der Kurs des Saarlandes ist fahrlässig. Die Modellregion
im Saarland ist ein Experiment, das zu einer schnellen Verbreitung
gefährlicherer Mutationen in Deutschland führen kann», sagte er der
«Rheinischen Post». Das Saarland habe von anderen Bundesländern «me
hr
Impfstoff gegen Mutanten bekommen und geht jetzt ins Risiko. Das
macht keinen Sinn», sagte Lauterbach.

Als einen «richtigen Schritt» begrüßte dagegen der Saarländische

Städte- und Gemeindetag die Neuausrichtung der Corona-Strategie im
Saarland. Die Öffnungen nach Ostern bei gleichzeitig vorgesehenen
erweiterten Test- und Impfmöglichkeiten seien wichtig. Die Menschen
bräuchten eine Perspektive, «wann und unter welchen Bedingungen sich
das alltägliche Leben wieder schrittweise normalisieren wird».
Allerdings müssten die Kommunen beim Testen auch unterstützt werden:
sowohl personell als auch finanziell.

Bei der Kontaktnachverfolgung setze das Saarland auf eine App. Die
Ausschreibung laufe: Als Zwischenlösung könne die Gastronomie Daten
aber weiter aufschreiben, sagte Hans. Im «Saarland-Modell» dürften
bis zu zehn Personen an einem Tisch sitzen, wenn sie alle einen
negativen Test vorweisen könnten. All die Schritte der Öffnungen
gingen aber nur, wenn das Infektionsgeschehen stabil bleibe. «Wenn es
nicht gut läuft, werden wir es zurücknehmen müssen.»