Merkel mahnt Verbesserungen bei Pandemie-Bekämpfung an

Testen und Impfen - das ist aus Sicht der Kanzlerin die beste
Strategie gegen das Corona-Virus. Auf beiden Feldern sieht Merkel
Verbesserungsmöglichkeiten, wie sie im Bundestag deutlich macht. Der
Opposition reicht das längst nicht aus.

Berlin (dpa) - Angesichts der immer bedrohlicher werdenden dritten
Corona-Welle hat Kanzlerin Angela Merkel zu verstärkten Anstrengungen
bei der Pandemie-Bekämpfung aufgerufen. Bund, Länder und Kommunen
müssten schauen, wo sie beim Impfen und Testen besser werden könnten,
sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag in einer Regierungserklärung
im Bundestag. «Wenn wir uns ausruhen auf dem, was wir haben, reicht
es nicht.» Beim Testen nahm Merkel auch Wirtschaft und Bürger in die
Pflicht. Die Opposition prangerte schlechtes Krisenmanagement an und
verlangte einen Neustart mit einer Verlagerung der Entscheidungen ins
Parlament.

Mit Blick auf die inzwischen dominierende britische Virus-Variante,
die als erheblich gefährlicher gilt, sagte Merkel: «Wir leben im
Grunde in einer neuen Pandemie.» Mit den Impfungen sei aber Licht am
Ende des Tunnels sichtbar, auch wenn es noch einige Monate dauern
werde. «Wir werden dieses Virus besiegen. Und deshalb bin ich ganz
sicher, dass wir das schaffen werden.» Ziel müsse es bis dahin sein,
Tausende weitere Tote durch Covid-19 zu vermeiden. «Natürlich ist das
Impfen der Weg aus der Krise», betonte Merkel. Und: «Testen ist die
Brücke hin, bis wir die Impfwirkung sehen.»

«Je mehr wir testen, umso weniger müssen wir einschränken», sagte
Merkel. Alle sollten von den Testangeboten Gebrauch machen. Das gelte
auch für Schulen und Kitas. Nach Angaben der Länder seien ausreichend
Tests für März und April bestellt. Für 40 000 Schulen und Tausende
Kitas könne der Bund aber nicht von Berlin aus die Test-Infrastruktur
vorhalten. «Sondern dafür haben wir eine föderale Ordnung.» Wenn de
r
Bund helfen könne, tue er das gerne. «Aber wir können es nicht alles

organisatorisch umsetzen.»

Auch am Arbeitsplatz müsse mehr getestet werden, forderte die
Kanzlerin. Die Frist für die Selbstverpflichtung der Wirtschaft
hierzu endet Anfang April. Der Bund werde dann eigene Erhebungen
machen. «Und wenn nicht der überwiegende Teil der deutschen
Wirtschaft (...) - und das muss in die Richtung von 90 Prozent sein -
Tests seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anbietet, dann werden
wir mit regulatorischen Maßnahmen in der Arbeitsschutzverordnung dazu
vorgehen.» Das werde das Kabinett am 14. April entscheiden.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich hält dies für zu spät.
Er
hätte sich hier mehr Mut von den Ministerpräsidenten und der
Kanzlerin gewünscht, sagte er. «Das hätte man auch jetzt tun können

Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus wiederum betonte, dass Testen
und Impfen nicht reichen werde. «Deswegen ist eine große Währung, die

wir in den nächsten Wochen haben, immer noch die
Kontaktbeschränkung», sagte der CDU-Politiker.

Merkel bekannte sich ausdrücklich zum gemeinsamen europäischen Weg
bei der Bekämpfung der Pandemie. «Bei allen Beschwerlichkeiten glaube
ich, dass sich in der Pandemie wieder gezeigt hat, dass es gut ist,
dass wir diese Europäische Union haben.»

Dagegen sagte der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland: «Die EU
ist unfähig, Impfstoff zu beschaffen und das Impfen in den
Mitgliedsländern zu organisieren.» Die Lektion der Corona-Krise
laute: «Zentralismus ist schwerfällig, unflexibel und wirkt
chaotisch. Dezentralisierung ist das Gebot der Stunde.»

Die Linken-Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali warf der Regierung
«Chaos und leere Versprechungen» vor. An die Adresse der Kanzlerin
sagte sie: «Wenn Ihre Bundesregierung bei der Impfstoffbeschaffung
und bei der Teststrategie nicht so kläglich versagt hätte, dann hätte

diese dritte Welle entscheidend abgemildert, wenn nicht sogar
vermieden werden können.»

Auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt klagte, es häuften

sich Fehlentscheidungen, Irrungen und Wirrungen. Deutschland sei
mitten in der dritten Welle in eine Sackgasse geraten. «Wenn wir aus
Fehlern lernen wollen, müssen die nächsten Schritte öffentlich
beraten werden.» Dies könne nicht hinter verschlossenen Türen
geschehen, sondern gehöre in den Bundestag und Bundesrat.

Ähnlich argumentierte FDP-Fraktionschef Christian Lindner. Mit Blick
auf die jüngste Bund-Länder-Runde sagte er: «Showdown-Situationen,
nächtliche Sitzungen und spontane Entscheidungen» seien nicht
zielführend. Stattdessen müsse die Kanzlerin vor jeder Entscheidung
zu Corona-Maßnahmen eine Regierungserklärung abgeben und eine
parlamentarische Debatte ermöglichen.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zeigte für diese Forderungen
Verständnis. Er sprach sich für einen «neuen Stil auch in der
Abstimmung mit dem Deutschen Bundestag» bei künftigen Entscheidungen
zur Pandemie-Bekämpfung aus. «Die Bund-Länder-Konferenz ist ein
notwendiges Mittel, aber sie darf kein Notparlament werden. Der
Deutsche Bundestag ist das Parlament», sagte Dobrindt.

In seiner phasenweise emotionalen Rede wies Brinkhaus darauf hin,
dass es allein am Donnerstag weit über 200 Corona-Todesfälle gegeben
habe. «Das sind ungefähr so viele Leute, wie hier jetzt im Saal
sitzen», sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion mit Blick ins
Plenum. «200 Gesichter, 200 Schicksale, 200 Hoffnungen, 200
Enttäuschungen, 200 mal Leid. Und das jeden Tag, nicht nur heute,
nicht nur gestern, nicht nur vorgestern.»