Betriebe müssen Bier loswerden - Freibier statt Endstation Gully? Von Josefine Kaukemüller, dpa

Für Brauer ist es eine bittere Pille - Ausschank und Feste sind wegen
der Corona-Pandemie seit Monaten auf Eis gelegt. Die Folge: Das
Verfallsdatum des guten Biers läuft ab. Ist Wegschütten die einzige
Option?

Berlin (dpa) - Es war kein gutes Jahr für die Brauereien. Wegen der
monatelangen Corona-Lockdowns litt (und leidet) ihr Absatz massiv
unter ausfallenden Veranstaltungen und geschlossenen Lokalen. Beim
eingelagerten Bier tickt derweil unerbittlich die Uhr bis zum
Verfallsdatum, und vielen krisengebeutelten Brauereien und
Gastronomien stellt sich die Frage: Wohin mit dem Gerstensaft? Damit
nicht alle Vorräte in den Gully fließen müssen, wird das Bier
teilweise verschenkt - oder auf kreative Weise zweckentfremdet.

In der Klosterbrauerei Irsee im Allgäu sind Ende Februar 2500 Liter
nur noch kurz haltbares Bier gratis ausgeschenkt worden. «Das tolle
Bier darf nicht vernichtet werden», sagt David Frick von der
Brauerei. «Zwei Tage davor habe ich bei Whatsapp aufgerufen, enge
Bekannte eigentlich, dass sie das Bier doch abholen sollen.» Das habe
sich dann unverhofft ausgeweitet - und so seien nach und nach
Hunderte Menschen mit Krügen, Kanistern und anderen Gefäßen zum
Abfüllen gekommen. Die Leute hätten vorbildlich FFP2-Masken getragen,
Abstand gehalten und das Bier nicht vor Ort getrunken, betont Frick.
Allerdings bleibe die Aktion wohl einmalig.

Auch die Oechsner-Brauerei in Unterfranken hat bislang an zwei
Freitagen Bier verschenkt. Um Menschen, die Sehnsucht nach Fassbier
hatten, eine Freude zu machen, habe man den großen Ausschankwagen im
Hof zur «Bier-Tankstelle» umfunktioniert, sagt Yvonne Schmieg von der
Brauerei. Auch hier seien Menschen mit verschiedensten Gefäßen
gekommen, um sich für das Wochenende frisch gezapftes Bier abzuholen.
Trotz der positiven Reaktionen sollen die Aktionen aber auch hier die
Ausnahme bleiben.

In Essen betreibt Christian Fischer zusammen mit seiner Frau Carmen
den Club und Pub «Don`t Panic». Pünktlich zum zweiten Lockdown sei
das Fassbier im Rahmen einer Aktion für wenig Geld verkauft worden,
sagt Fischer. Einige Vorräte seien auch verschenkt worden. Derzeit
seien noch etwa 30 Kisten Bier mit Ablaufdatum im April in den
Kühlhäusern übrig - und «Vernichten ist keine Option», wie Christ
ian
Fischer betont. Bei einer Dankesaktion für die treuen Gäste sollen
bald die Biervorräte unter Berücksichtigung der Corona-Verordnungen
umsonst verteilt werden.

Eine ganz andere Nutzungsidee für das überschüssige Bier haben die
Betreiber des «Café Kosmos» in München: Inhaber Andi Rehm ist näm
lich
nicht nur Barkeeper, sondern auch gelernter Friseur - und so
verschenkt er zusammen mit seinem Partner Florian Schönhofer Bier als
Haartonikum. Das Frischbier sei maximal acht Wochen haltbar und man
wolle nichts wegschütten, sagt Schönhofer. «Wir sind darauf gekommen,

dass Bier ja traditionelles Festiger-Mittel ist. Das hat man früher
gerne genommen. Es festigt die Haare natürlich und es stinkt nicht.»
Für einige Besucher gibt es dann auch einen Gratis-Haarschnitt dazu.

Hunderte kleine Flacons des flüssigen Golds seien abgefüllt worden,
sagt Schönhofer. Die Menschen seien begeistert von der ungewöhnlichen
Idee und sogar Friseure hätten sich Fläschchen abgeholt. Ob der
Gerstensaft dann wirklich immer auf dem Kopf gelandet ist, sei aber
nicht ganz klar, so Schönhofer: «Ich weiß nicht, ob sie es nicht auch

teilweise getrunken haben.»

In Rheinland-Pfalz wird überschüssiges Bier zu anderen Lebensmitteln:
Als das Verfallsdatum seines Bieres näher rückte, kam Jens Lenhardt,
Geschäftsführer eines Getränkevertriebs in Freinsheim, eine echte
«Schnapsidee»: Er sprach den Betreiber einer Destillerie in der Nähe

an, der seither den überschüssigen Gerstensaft zu Schnaps brennt -
Dutzende Fässer, die sonst abgelaufen wären, sind so schon verbrannt
worden. In Ludwigshafen zum Beispiel backt ein Bäckermeister Brot aus
gekauftem Bier und hilft damit der heimischen Gastronomie.

Trotz aller Kreativität sind alternative Nutzungen und der
Gratis-Ausschank wohl aber nicht der Regelfall: «Freibier-Aktionen
stehen nicht nur die bestehenden Kontaktbeschränkungen entgegen,
sondern auch die zusätzlichen Kosten für Schankwagen und Personal»,
gibt Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauerbundes,
zu bedenken. Die Idee, das Fassbier umzufüllen und zu verkaufen, sei
unter anderem technisch meist nicht problemlos umsetzbar.

Oft müsse das Bier letztlich in großem Stil entsorgt werden - für die

Braukultur eine bittere Pille: «Fassbier im Wert von mehreren
Millionen Euro, dessen Haltbarkeitsdatum überschritten wurde oder
absehbar ausläuft, muss vernichtet werden», resümiert Eichele. Dass
bei der Entsorgung in der Brauerei dem Betrieb wenigstens die
Biersteuer zurückerstattet werde, sei nur «ein schwacher Trost».

Zwar sei die kürzlich bei einer Schalte der Länder mit den
zuständigen Bundesministerien beschlossene Erstattung für
abgelaufenes Fassbier im Rahmen der Überbrückungshilfe III laut
Brauerbund ein «wichtiger Schritt in die richtige Richtung». Dennoch
fielen noch immer die meisten Brauereien durch das Raster, obwohl sie
hart vom Zusammenbruch des Fassbiermarktes getroffen seien. Um die
Situation in der Branche zu verbessern, sei man weiter «in intensiven
Gesprächen mit der Bundesregierung», hieß es.

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