Wattestäbchen für alle - Wie Corona-Tests ins Öffnen eingebaut werden Von Basil Wegener, dpa

Schritt für Schritt soll Deutschland in den kommenden Wochen zum
Coronatest-Land werden. Das sieht der Öffnungsplan von Bund und
Ländern vor. Doch große Freiheiten sind vorerst nicht in Sicht.

Berlin (dpa) - Das Wattestäbchen wird im Frühjahr voraussichtlich für

viele zu einem Pflichtutensil im deutschen Alltag. Bis Anfang April
sollen alle Menschen in Deutschland regelmäßig Schnell- und
Selbsttests machen können. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am
Dienstag vor den Abgeordneten ihrer Fraktion eine breite
Teststrategie für April, Mai und Juni voraus. Erst mit mehr Impfungen
soll das Testen dann wieder an Bedeutung verlieren. Nach einem
durchgesickerten, aber noch vorläufigen Beschlussentwurf für die
Bund-Länder-Spitzenrunde an diesem Mittwoch sollen Testen und Öffnen
eng miteinander verwoben werden. Nicht in Sicht sind trotzdem allzu
forsche Schritte aus dem Lockdown.

Bund und Länder waren sich vor einem Monat einig: Erst bei höchstens
35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern in sieben Tagen sollte es
mehr Freiheiten geben. Kurz darauf begann diese Inzidenz mit dem
Vormarsch der ansteckenderen britischen Virusmutation aber wieder zu
steigen - auf nun 65,4.

MERKELS VORSICHTIGE ABKEHR VON DER 35:

Am 25. Februar gab Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorsichtig
eine neue Parole aus: «Ich bin der Meinung, dass wir jetzt schauen
müssen, und es muss sehr gründlich gemacht werden, ob wir uns durch
ein vermehrtes Testen, auch mit diesen Selbsttests, einen Puffer
erarbeiten können, so dass wir in der Inzidenz etwas höher gehen
können als 35.» Das sieht nach dem Beschlussentwurf nun so aus, dass
die Zügel in manchen Bereichen wohl etwas gelockert werden sollen,
wenn sich die Menschen testen.

DIE ÖFFNUNGSSCHRITTE:

Zunächst soll es nach dem vorläufigen Entwurf generell nur zu
weiteren Öffnungen von Buch- und Blumenläden und Gartenmärkten
kommen. Sowie bei körpernahen Dienstleistungen sowie «Fahr- und
Flugschulen» mit Schnell- oder Selbsttest. Für den weiteren
Einzelhandel, Museen und Hobbysport soll es erst ab einer stabilen
Inzidenz unter 35 in einer Region oder einem Land wieder losgehen
können. Bei steigenden Zahlen soll es wieder Verschärfungen geben.
Dann aber, bei über zwei Wochen konstanter Inzidenz, sollen
Restaurantterrassen, Theater, Konzerthäuser, Kinos öffnen können.
Hier sollen obligatorische Schnell- oder Selbsttests ins Spiel kommen
- und zwar wenn die Inzidenz zwar konstant bleibt, aber bei einem
Wert oberhalb von 35. Als «Notbremse» bezeichnet der vorläufige
Entwurf eine Rückkehr zum Lockdown-Stand heute im Fall von wieder
steigenden Werten in einer Region. Konkrete Schritte für Restaurants
drinnen, Hotels und anderes nennen Bund und Länder den Überlegungen
von Dienstag zufolge voraussichtlich noch nicht.

DAS PRINZIP DER TESTSTRATEGIE:

Alle Bürger sollen in Testzentren, Apotheken oder Praxen laut Konzept
des Bundesgesundheitsministeriums zweimal wöchentlich kostenlos einen
Antigen-Schnelltest machen lassen können. Der Beschlussentwurf für

die Bund-und-Länder-Runde greift das so auch auf. Dazu kommen die
Selbsttests, die man kaufen kann. Für Lehrkräfte und Schüler sind
nach dem Entwurf für die Bund-Länder-Runde Schnelltests vorgesehen.
Die Kultusminister der Länder übrigens wollen die Schüler noch nicht

testen lassen - sondern erst «perspektivisch». Und sie wollen, dass
der Bund die Tests zahlt. Unternehmen könnten nach den Bund-Länder-
Ideen zu Schnelltests für Mitarbeiter in Präsenz verpflichtet
werden.       

DER VORGANG DES TESTENS:

Bei Schnelltests führt geschultes Personal das Wattestäbchen tief in
Rachen und Nase. Bei Selbsttest heißt es in der Anleitung eines von
bisher drei zugelassenen Produkten: «Führen Sie die saugfähige Spitze

des Tupfers vorsichtig in Ihr linkes Nasenloch ein. Stellen Sie
sicher, dass sich die gesamte Tupferspitze in Ihrem Nasenloch
befindet (2 - 4 cm tief). Führen Sie den Tupfer nicht weiter ein,
wenn Sie einen Widerstand spüren. Rollen Sie den Tupfer mindestens 5
Mal gegen die Innenseiten Ihres Nasenlochs.» Dauer bis zum Ergebnis:
15 Minuten.

EIGENVERANTWORTUNG BEI TESTS:

Schon nach einigen Stunden sind Tests nicht mehr wirklich
aussagekräftig. Bei frisch Infizierten schlagen sie nämlich erst mit
Zeitverzug an. Und außerdem könnte man sich ja nach einem Test neu
angesteckt haben. Während Getestete bei den Schnelltests das Ergebnis
schriftlich bekommen, ist es bei den Selbsttests Vertrauenssache, ob
man getestet ist. Denkbar ist laut Gesundheitsressort aber, dass ein
Veranstalter solche Tests Besuchern unter Aufsicht abverlangt. Der
Präsident des Handelsverbands HDE, Josef Sanktjohanser, sagte schon,
was er von Tests im Handel hält: «Extrem schwierig» würde es, wenn

die Politik sagt, man könne nur nach einem Selbsttest in einen
Modeladen. Ein «absoluter Rückschritt an Freizügigkeit» wäre es f
ür
ihn, dürften Lebensmittel-, Drogerie- oder Baumärkte nur Getestete
einlassen.

IMPFEN UND DIGITALE KONTAKTNACHVERFOLGUNG:

Elf Millionen Impfdosen sollen bis Ende der Woche geliefert sein. Die
Astrazeneca-Dosen lagern aber zu hunderttausenden in den
Kühlschränken der Impfzentren. Zunächst sollen nun also etwas
verstärkt die niedergelassenen Ärzte einspringen - und ab April nach
den Bund-Länder-Überlegungen generell. Sie sollen dann auch etwas
weniger strikt nach Priorisierungsgruppen vorgehen müssen als dies in
den Impfzentren der Fall sein soll. Wann die Zentren geschlossen
werden, ist offen. Die Gesundheitsämter sollen beim Stoppen von
Infektionsketten auch mehr Kontaktverfolgung in elektronischer Form
machen können. Ein technisches Gateway soll erst geschaffen werden.
Welches Land das betreibt, ist offen.

GEDÄMPFTE ERWARTUNGEN:

Einen kräftigen Dämpfer könnten noch in dieser Woche erwartete neue

Zahlen bringen - zur Verbreitung der ansteckenderen und
gesundheitlich gefährlicheren britischen Corona-Variante. Laut Merkel
gehen auf sie schon rund die Hälfte der Infektionen zurück. Die
Klinikärzte vom Marburger Bund warnen. Trifft die dritte Welle
ungebremst auf Millionen noch ungeimpfte Jüngere mit höherem
Krankheitsrisiko, landeten diese vermehrt auf Intensivstationen, wie
Verbandschefin Susanne Johna nun der Funke Mediengruppe sagte. Spahn
mahnt: «Wir würden es uns allen nicht verzeihen, aber Sie auch Ihrer
Regierung nicht, wenn wir jetzt zu schnell lockerten und auf einmal
in vier oder sechs Wochen wieder vor ganz anderen Fragen stünden.»

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite