Impfungen in Prioritätsgruppe zwei starten - Kritik im Landtag

Die Corona-Impfungen in NRW gehen voran. Mehr als eine Million
Impfdosen wurden verabreicht. Bald sollen auch Lehrer und
Kita-Personal eine Spritze bekommen können. Die Verschiebungen und
Berichte über ausgefallene Impftermine sorgen für heftige Kritik.

Düsseldorf (dpa/lnw) - In Nordrhein-Westfalen sind die Impfungen
gegen Corona auf weiteres Krankenhauspersonal ausgeweitet worden.
Seit dieser Woche könnten Ärzte und sonstiges Klinikpersonal mit
regelmäßigem Patientenkontakt den Astrazeneca-Impfstoff erhalten,
teilte das Gesundheitsministerium am Mittwoch mit. Auch Personal der
Blut- und Plasmaspendedienste gehöre dazu. Diese Gruppen zählen schon
zur zweiten Prioritätsgruppe. Zuvor müssten aber die Impfungen des
Klinikpersonals, das einem «sehr hohen» Risiko auf Intensivstationen
und in Notaufnahmen ausgesetzt ist, abgeschlossen werden.

Die konkrete Impfreihenfolge aller Personengruppen innerhalb der
Prioritätsgruppe zwei steht nach Angaben des Ministeriums derzeit
noch nicht fest. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern hatten
sich am Montag geeinigt, Lehrkräfte an Grund- und Förderschulen und
Kita-Erzieher in der Impfreihenfolge von der Gruppe drei in die
Gruppe zwei hochzustufen. Zur Gruppe zwei zählen außerdem viele
chronisch Kranke und Menschen über 70 sowie auch Polizisten.

In NRW solle der Impfstart für die Lehrkräfte und Kita-Personal in
der ersten Märzhälfte beginnen, hatte Gesundheitsminister Karl-Josef
Laumann (CDU) angekündigt. Um die vorgezogene Impfung gibt es aber
bereits Streit. Die Polizei befürchtet, in der Impfreihenfolge nun
nach hinten zu rutschen. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter NRW warf
der Landesregierung eine «chaotische Kommunikation» und «politisches

Hick-Hack vor», die den Rückhalt der Landesbeschäftigten für die
Anti-Corona-Maßnahmen verschlechterten. Es gebe bisher keine
erkennbare landeseinheitliche Impfstrategie für die Polizei.

Das NRW-Gesundheitsministerium wies Vorwürfe eines Impf-Chaos durch
eine Hochstufung von Berufsgruppen und Ersatzkandidaten für
ausgefallene Impftermine zurück. «Nicht alles, was nach Chaos
aussieht, ist Chaos oder wäre vermeidbar gewesen durch eine
intensivere Planung», sagte Staatssekretär Edmund Heller am
Mittwochabend im Gesundheitsausschuss des Landtages in Düsseldorf.

Er verwies auf Vorgaben des Bundes bei der Priorisierung der Gruppen
und Besonderheiten der einzelnen Impfstoffe wie Altersempfehlung und
zu erwartenden Impfreaktionen. Außerdem werde es zu fließenden
Übergängen bei der Impfung der einzelnen Gruppen kommen. Maßgabe sei,

dass Impfstoff möglich zügig gespritzt werden soll und dass keine
Dosen verfallen sollen. Das sei manchmal keine leichte Wahl vor Ort.

Wie viele Impftermine wegen Vorbehalte gegen den Impfstoff von
Astrazeneca ausgefallen sind, bezifferte Heller nicht. «Er schützt
vor schweren Krankheitsverläufen und dem Tod.» Die Wirksamkeit sei
höher als die der Grippeimpfung. Jedoch machen den Angaben zufolge
auch schwankende Lieferungen bei Astrazeneca Planungen schwieriger.

Heftige Kritik am Vorgehen der Landesregierung äußerten Abgeordnete
der Opposition. Sie gebe ein schlechtes Bild ab, kritisierte Mehrdad
Mostofizadeh (Grüne). Mit den Änderungen bei der Priorisierung habe
sie die «Büchse der Pandora geöffnet», sagte Josef Neumann (SPD).


Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein warnte, dass jedes
Vorziehen bestimmter Impfgruppen angesichts der derzeit noch begrenzt
zur Verfügung stehenden Impfstoffe den gesamten Impfprozess erheblich
in die Länge ziehe. Auch die niedergelassenen Ärzte müssten zügig
geimpft werden. «Sie sind es, die tagtäglich im Rahmen der ambulanten
Patientenversorgung einem großen Infektionsrisiko ausgesetzt sind.»

Nach Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) wurden in NRW bisher rund
1,088 Millionen Menschen geimpft (Stand 23.2.). Gut 760 000 erhielten
die Erstimpfung und etwa knapp 330 000 die Zweitimpfung. Im Vergleich
zum Vortag stieg die Zahl der Impfungen um knapp 20 000. Die Zahlen
der täglichen Impfungen schwanken aber. Mit einer Impfquote von 4,2
Prozent bei den Erstimpfungen liegt NRW im bundesweiten Durchschnitt.

Bei Kennziffer der Sieben-Tage-Inzidenz beschrieb Heller eine
Seitwärtsbewegung. Der Anteil der in Großbritannien entdeckten
Mutation dürfte im Schnitt bei 20 bis 30 Prozent liegen. Der
deutliche Rückgang der Corona-Patienten in den Krankenhäusern und der
Infektionen in Pflegeheimen dürfte auch auf Impfungen zurückgehen.
Ältere Menschen erhalten den Impfstoff von Biontech/Pfizer.

NRW will die Impfkapazitäten ausbauen. Von März an sollen 85 000
Corona-Impfungen pro Tag laut Ministerium ermöglicht werden. Derzeit
könnten schätzungsweise täglich 70 000 Impfungen erfolgen.

In der ersten Impfgruppe haben nach Angaben von Ministerpräsident
Armin Laschet (CDU) 90 Prozent der Menschen ab 80 Jahren Termine für
Corona-Impfungen bekommen. Das seien rund 800 000 Menschen. Bis
Anfang März sollen auch fast alle Bewohner von Pflegeheimen in NRW
vollständig geimpft sein. Die Grünen im Landtag forderten eine
Strategie auch für Flüchtlinge in den Landeseinrichtungen.