Emotionale Debatte - Stadträte wollen Suspendierung des OB in Halle

Während der Stadtratssitzung in Halle dringen einige Fraktionen auf
eine Suspendierung des Oberbürgermeisters nach dessen vorzeitiger
Impfung. Rücktrittsforderungen werden laut. Das Planetarium in Halle
bekommt indes einen neuen Namen - ohne Sigmund Jähn.

Halle (dpa/sa) - Die Impfaffäre um Halles Oberbürgermeister Bernd
Wiegand (parteilos) hat am Mittwoch erneut den Stadtrat beschäftigt.
Mehrere Stadträte forderten die Suspendierung Wiegands wegen seiner
vorzeitigen Impfung gegen das Coronavirus. Die Fraktionen von Grünen,
CDU, FDP, Linke, SPD sowie vier weitere Stadträte legten hierfür eine
persönliche Erklärung vor. Damit untermauerten die Unterzeichner die
Bedeutung eines Disziplinarverfahrens gegen Wiegand und regten im
Rahmen des Verfahrens die zeitnahe Suspendierung des OB an.

Hintergrund ist die vorzeitige Corona-Impfung Wiegands sowie mehrerer
Stadträte und Mitglieder des Katastrophenstabes. Wiegand hatte seine
Impfung nicht sofort, sondern erst Wochen später öffentlich gemacht.
Laut der von Bund und Land festgelegten Prioritätenliste der
Dringlichkeit der Impfberechtigten wäre Wiegand noch nicht an der
Reihe gewesen. Während der Aufarbeitung der vorzeitigen Impfungen
verwickelte sich Wiegand in Widersprüche.

Gegen Wiegand läuft nun ein Disziplinarverfahren des
Landesverwaltungsamtes. Der OB soll beamtenrechtliche Pflichten
verletzt haben. Im Rahmen des Verfahrens ist eine Suspendierung
durchaus denkbar. Gemäß des Disziplinargesetzes kann das
Landesverwaltungsamt einen Beamten nach der Einleitung des
Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, «wenn durch
sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder Ermittlungen
wesentlich beeinträchtigt würden».

Eine Sprecherin des Landesverwaltungsamt teilte mit, dass die
vorläufige Dienstenthebung nicht unmittelbar mit der Einleitung des
Disziplinarverfahrens erfolgen müsse, sondern auch zu einem späteren
Zeitpunkt kommen könne. «Eine diesbezügliche Entscheidung ist noch
nicht getroffen worden.» Gegen Wiegand ermittelt mittlerweile auch
die Staatsanwaltschaft. Außerdem steht ein Abwahlverfahren gegen ihn
im Raum.

Einen Rücktritt lehnt der Rathauschef ab. «Ich werde nicht
zurücktreten, weil kein Verschulden vorliegt», sagte Wiegand während

der Stadtratssitzung am Mittwoch. Zuvor hatte der Stadtrat Detlef
Wend (MitBürger) den 64-Jährigen gefragt, wann er gedenke,
zurückzutreten. «Sie sind für diese Stadt nicht tragbar», sagte Wen
d
in Richtung des OB. «Wir schämen uns alle für sie.»

Beistand erhielt Wiegand aus den Reihen der AfD. Die eingereichte
persönliche Erklärung gegen das Stadtoberhaupt käme «einer
öffentlichen Vorverurteilung gleich», sagte Stadtrat Carsten Heym
(AfD). Sowas torpediere ein faires rechtsstaatliches Verfahren. Die
Empörung werde von den Fraktionen und Stadträten zur
Selbstdarstellung genutzt, so Heym.

Ein weiterer lang diskutierter Streitpunkt war während der
Stadtratssitzung die Namensgebung für das Planetarium in Halle. Nach
langem Ringen soll der Rundbau künftig den einfachen Namen
«Planetarium Halle (Saale)» tragen. 28 Stadträte stimmten für den
Vorschlag der Grünen-Fraktion, 18 waren dagegen, 3 Stadträte
enthielten sich. Vor der Entscheidung war eine Debatte um den
Namenszusatz «Sigmund Jähn», dem ersten Deutschen im All, geführt
worden. Die Fraktion der Linken hatte einen solchen Vorschlag
eingebracht. Die Gegner einer solchen Benennung führten an, dass Jähn
ein Repräsentant des DDR-Regimes gewesen sei.

Die Linke im Stadtrat bezeichnete den neuen Namen als «mutlosen
Kompromiss». Andere Fraktionen brachten vor dem Beschluss weitere
Namenszusätze ins Spiel. Die Fraktion des Vereins «Hauptsache Halle»

schlug beispielsweise den Namen des US-Astronauten Neil Armstrong
vor. Auch der Name des 44-jährigen deutschen Astronauten Alexander
Gerst fiel in der Diskussion.

Das Planetarium soll bis Ende 2021 fertiggestellt werden. Unter der
Sternenkuppel sind dann unter anderem Lesungen, Konzerte und
Hörspiele geplant.