Jetzt können die Corona-Tests für zu Hause kommen Von Sandra Trauner und Sascha Meyer, dpa

Einen Tupfer in die Nase und dann in eine Flüssigkeit stecken, danach
auf eine Kartusche tropfen - 15 Minuten später ist das Ergebnis da.
Corona-Heimtests klingen super - haben aber auch ihre Tücken.

Berlin (dpa) - Die ersten schnellen Corona-Selbsttests für zu Hause
sind zugelassen. Wie funktionieren sie ganz konkret? Was können sie
beitragen zur Bekämpfung der Pandemie? Und wo liegen ihre Grenzen?
Politiker, Virologen, Epidemiologen und Hersteller geben Antworten.

Was ist neu?

Antigen-Schnelltests gibt es schon länger. Bisher mussten sie aber
von medizinischem Personal durchgeführt werden. Zum 1. Februar hat
das Bundesgesundheitsministerium die Medizinprodukte-Abgabeverordnung
geändert - und damit den Weg frei gemacht für Selbsttests zu Hause.
Am Mittwoch hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM) nun auch Sonderzulassungen für die ersten
drei Tests erteilt.

Wo sind Selbsttests zu bekommen?

Die Tests für zu Hause sollen bald quasi überall zu kaufen sein - in
Apotheken, Supermärkten, im Internet. Wie schnell Anbieter jetzt
liefern können, muss sich zeigen - ebenso, wie sich die Nachfrage und
die Preise entwickeln. Davon will Bundesgesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) auch abhängig machen, ob ein Zuschuss oder kostenlose
Kontingente infrage kommen. Ob ein Test im Discounter 1,99 Euro oder
8,99 Euro koste, mache da einen Unterschied. Das Ministerium erwartet
in den nächsten Wochen weitere Tests verschiedener Art auf dem Markt.

Hersteller halten sich vorerst bedeckt. Bei Siemens Healthcare heißt
es, der Test werde «in Kürze» eingeführt. Im ersten Schritt würde
n
Bestellungen durch Bund und Länder bedient. «Aktuell sind wir in
Gesprächen mit pharmazeutischen Großhändlern, so dass der Test dann
im Laufe des März zusätzlich verfügbar wird.» Technomed rechnet nur

noch «mit ein paar Tagen», bis die Tests im Regal stehen, wie CEO
Moritz Bubik im ntv-Interview sagte.

Wie sollen die Selbsttests beim Eindämmen der Pandemie helfen?

Spahn schlägt für die weitere Corona-Strategie eine Kombination der
zwei schnellen Testmöglichkeiten vor: Selbsttests könnten in
konkreten Situationen Sicherheit geben, dass man nicht ansteckend ist
- zum Beispiel, wenn man spontan eine Veranstaltung besuchen will,
sich die Haare schneiden lässt oder ins Theater geht. Dagegen könnten
Schnelltests durch geschultes Personal in Testzentren oder Apotheken
zum Zuge kommen, wenn man auch einen bestätigten Ergebnis-Nachweis
braucht - etwa bei Reisen oder Besuchen im Pflegeheim. Wie schnell
solche Schnelltests aus geschulten Händen als Gratis-Angebot für alle
kommen, wollen Bund und Länder am 3. März besprechen.

Was ist bei Heimtests anders?

Die bisher zugelassenen Schnelltests verlangen einen Abstrich mit
einem langen Stäbchen tief in der Nase oder im Rachen. Sie sollen nur
von geschultem Personal gemacht werden - auch, weil das für viele
unangenehm ist. Aber es gibt Alternativen. Derzeit würden
verschiedene Varianten der Probenahme erprobt und bewertet, heißt es
beim Verband der Diagnostica-Industrie. «Eine Probenahme aus dem
vorderen Nasenraum erscheint dem Abstrich aus dem tiefen
Nasen-/Rachenraum ebenbürtig. Für Gurgel- oder Spucktests werden
Ergebnisse zeitnah erwartet», sagt Geschäftsführer Martin Walger.

Wie läuft die Zulassung?

Anders als Impfstoffe müssen Medizinprodukte eigentlich gar nicht
zugelassen werden. Der normale Weg läuft über sogenannte «benannte
Stellen» etwa den TÜV. Sie erteilen eine CE-Kennzeichnung, mit der
Hersteller ein Medizinprodukt europaweit in Verkehr bringen dürfen.
Parallel können Hersteller eine Sonderzulassung beim BfArM
beantragen. Sie ist dann auf Deutschland beschränkt und befristet, es
geht aber möglicherweise schneller, wie ein BfArM-Sprecher erklärt.

Die Tests, die das BfArM derzeit prüft, sind keine neuen Produkte.
Sie sind bereits auf dem Markt und werden nur zusätzlich auch für
Laien zugelassen. Dafür gibt es eine Reihe von Anforderungen. «Die
wesentliche Fragestellung ist: Ist der Laie in der Lage, den Test
robust anzuwenden?», sagt BfArM-Sprecher Maik Pommer. Eine große
Rolle spiele dabei eine verständliche Gebrauchsanweisung.

Welche Produkte kommen in Frage?

Laut BfArM sind aktuell 179 Antigen-Tests auf dem Markt. Das
Paul-Ehrlich-Institut hat Mindestanforderungen festgelegt: Die
Spezifität muss über 97 Prozent liegen, das heißt 97 von 100 Gesunden

müssen als solche erkannt werden. Die Sensitivität soll größer als
80
sein, das heißt 80 von 100 Infizierten muss der Test erkennen.

Der Verband der Diagnostica-Industrie geht davon aus, dass sich viele
Antigen-Schnelltests prinzipiell auch für die Eigenanwendung eignen.
«Die Laientests müssen aber ihre Gebrauchstauglichkeit für den Laien

gesondert unter Beweis stellen.» Rund 30 Hersteller hatten schon
Mitte Februar Anträge auf eine Sonderzulassung bei BfArM gestellt.

Was weisen solche Tests nach - und was nicht?

Antigen-Tests suchen in Abstrich-Proben nicht aufwendig nach dem
Erbgut des Virus wie ein PCR-Test, sondern nach Molekülen, die
charakteristisch für die Viren sind. Schnelltests schlagen am besten
bei einer hohen Virenlast an. Das bedeutet, dass Menschen, die stark
ansteckend sind, rasch erkennbar sind. Infizierte mit geringer
Virenlast - etwa zu Beginn oder beim Abklingen der Erkrankung -
werden möglicherweise nicht entdeckt.

Wie funktionieren die Schnelltests konkret?

Ein Beispieltest enthält folgende Bestandteile: Testkassetten, eine
Flüssigkeit («Extraktionspuffer)», Abstrichtupfer und Röhrchen plus

Kappen. Der Tupfer muss nacheinander in beide Nasenlöcher eingeführt
werden, dabei in einer Drehbewegung mehrmals über die Schleimhaut
streichen. Dann zehn Tropfen der Flüssigkeit in ein Röhrchen geben,
Tupfer im Röhrchen drehen und an der Wand ausdrücken, das Röhrchen
verschließen. Die Testkassette flach hinlegen und vier Tropfen in die
Vertiefung geben.

Ergebnisse liegen bei den meisten Tests nach 15 bis 20 Minuten vor.
Das sieht aus wie bei einem Schwangerschaftstest. Zwei Striche auf
dem Sichtfenster heißt positiv, einer bei «C» negativ, einer bei «T
»
ungültig.

Kriegen Laien das hin?

Die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek sieht bei der Handhabung
durch Laien wenig Probleme: «Ich glaube einen Abstrich aus der
vorderen Nase bekommt jeder hin, wenn er weiß wie er es machen soll,
da reicht ja ein Video, um das einmal zu zeigen», sagte sie im
NDR-Podcast «Coronavirus-Update». Welcher Test am besten für Laien
geeignet ist - ob Abstrich aus der vorderen Nase, Speichel- oder
Gurgeltest - «da fehlen uns einfach noch gute Untersuchungen».

Eine Gefahr sieht sie, wenn es viele falsch positive oder falsch
negative Ergebnisse gibt. Das könne das Vertrauen in solche Tests
zerstören und «im schlimmsten Fall zu chaotischen Zuständen führen
».
Falsch positive Tests können Ciesek zufolge zum Beispiel damit zu tun
haben, dass es eine Kreuzreaktion mit einer bakteriellen Besiedlung
in der Nase gibt. Es könnte also sein, dass bestimmte Menschen von
vornherein nicht für solche Tests geeignet sind.

Was passiert, wenn das Ergebnis positiv ist?

Ein positives Ergebnis gilt laut Robert Koch-Institut (RKI) nur als
«Verdacht» auf eine Infektion - für eine «Diagnose» muss ein PCR-
Test
das noch bestätigen. Wenn Laien sich selbst testen, stelle das auch
hohe Anforderungen an das daraus resultierende selbstverantwortliche
Handeln», schreibt das RKI. «Es ist erforderlich, dass sich die
positiv getestete Person in Absonderung begibt, das heißt Kontakte
konsequent reduziert, und sich telefonisch mit dem Hausarzt oder
einem geeigneten Testzentrum in Verbindung setzt».

Ist ein negatives Ergebnis ein Freifahrtschein?

Nein, betont das RKI: «Ein negatives Testergebnis schließt eine
Sars­CoV­2­Infektion nicht aus!» Auch bei korrekter Durchführung
sei
es «lediglich weniger wahrscheinlich», ansteckend zu sein. Zudem sei
die Aussagekraft zeitlich begrenzt - schon am nächsten Tag kann das
Ergebnis anders sein. «(Falsch) negative Testergebnisse dürfen daher
nicht als Sicherheit (etwa in der Form «Ich bin nicht infiziert und
kann daher auf Schutzmaßnahmen verzichten») verstanden werden.»

Welche Erfahrungen gibt es mit Selbsttests?

Für die «SAFE School Studie» haben Forscher des Frankfurter
Universitätsklinikums im Auftrag des Hessischen Kultusministeriums
das Potenzial am Beispiel Schulen erprobt. Sieben Wochen lang haben
sich rund 700 Lehrer jeden zweiten Tag selbst getestet. Bei über
10 000 Tests wurden fünf Fälle entdeckt, «noch bevor der Lehrerin
bzw. dem Lehrer die Infektion mit dem Virus bewusst war», berichteten
die Forscher. In der Studie gab es 16 falsch positive Ergebnisse.

Welche Rolle sehen Wissenschaftler für Selbsttests?

Das RKI sieht sie «als ergänzende Maßnahme», wie es in einem
epidemiologischen Bulletin heißt. Damit könne «eine breite und
schnelle Testung vieler Menschen erfolgen». Es gebe aber auch
«relevante Risiken»: dass Menschen nach einem positiven Test nicht
die notwendige Schritte einleiten, dass Tests falsche Ergebnisse
liefern, dass sie Menschen in falscher Sicherheit wiegen. Für das RKI
wie die Politik sind PCR-Tests nach wie vor der «Goldstandard». Sie
sollen auch weiter bei Berechnungen zum Infektionsgeschehen zählen.

Welche Szenarien sind theoretisch denkbar?

Die «FAZ» hat kürzlich «eine bestechende Alternative zum Lockdown
»
durchgespielt». Bei dem Szenario «Plan B» machen alle Menschen
Selbsttests, bevor sie etwa in ein Restaurant gehen. Mit einem
negativen Ergebnis bekommen sie über eine Handy-App einen Code, der
einige Stunden gültig ist und in dieser Zeit den Zutritt erlaubt.
«Eine Strategie, die pauschale Lockdowns durch eine Verzahnung
kostengünstiger Antigen-Tests, Impfung und schlanker IT-Infrastruktur
vermeidet», soweit zumindest die theoretische Idee.