Gymnasialeltern fordern Präsenzunterricht für alle: Eltern «am Limit »

Frustrierte Schüler, Mütter und Väter «am Limit» - die
Landeselternschaft der Gymnasien fordert intelligente Wege, um alle
Schüler schnellstens aus der Isolation zurück in die Klassen zu
holen. Eine Befragung zeigt dringenden Handlungsbedarf.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Die Landeselternschaft der Gymnasien fordert
täglichen Präsenzunterricht für alle Klassen in Nordrhein-Westfalen.

Mit einer Reduzierung der Unterrichtsstunden sowie Verteilung auf
Vor- und Nachmittage wäre das möglich, sagte die Verbandsvorsitzende
Jutta Löchner am Mittwoch in Düsseldorf.

Eine aktuelle Umfrage der Landeselternschaft habe alarmierenden
Handlungsbedarf zutage gefördert: Demnach erwarten mehr als 40
Prozent der über 41 000 Eltern, die geantwortet haben, mittelgroße
bis schwerwiegende Wissenslücken durch den eingeschränkten Unterricht
in der Corona-Pandemie.

Fast 30 Prozent der Eltern mit Kindern im 5. Jahrgang gaben an, sich
«nahe am Limit» zu fühlen. Rund 40 Prozent beantworteten die Frage
«Wie geht es ihrem Kind?» mit: «Frustriert, die fehlenden
Sozialkontakte setzen meinem Kind zu» oder mit «nicht gut». 1,6
Prozent der Eltern wollen sich sogar ärztliche oder psychologische
Hilfe für ihre Kinder suchen.

Hochgerechnet auf eine halbe Million Gymnasiasten in NRW seien
Tausende Kinder betroffen, bilanzierte die Landeselternschaft. «Wir
können es uns nicht länger leisten, dass die Kinder über Monate
zuhause bleiben», warnte Löchner.

Seit Montag dürfen Grund- und Förderschüler sowie Schüler aus
Abschlussklassen und Berufskollegs in NRW unter verschärften
Schutzvorkehrungen wieder am Präsenzunterricht teilnehmen. Für die
Primarstufe gibt es Wechselmodelle aus Distanz- und Präsenzunterricht
in halbierter Klassenstärke. Die Abschlussjahrgänge dürfen hingegen
in voller Klassen- oder Kursstärke unterrichtet werden.

Trotz der coronabedingten Probleme spricht sich die Elternschaft
übereinstimmend mit der Mehrheit der Direktoren dagegen aus, die
Schüler - wie im Vorjahr - wieder automatisch zu versetzen. In der
Befragung warnten 60 Prozent der Direktoren davor, die Schüler in
falscher Sicherheit zu wiegen.

Die Bildungsqualität müsse gesichert werden, mahnte Löchner. Jetzt
seien zunächst Lernstandserhebungen für alle Jahrgänge nötig, um
Lücken offenzulegen. Zudem sollten Oster- und Sommerferienkurse
angeboten werden, um Defizite aufzuholen. Falls dazu
Lehramtsstudierende oder Pensionäre angeworben werden könnten, müsse

das umgehend geschehen, forderte die Elternvertreterin. 20 Prozent
der befragten Eltern hätten bereits Interesse an solchen Kursen
angemeldet. 11 Prozent der Gymnasiasten-Eltern überlegen demnach
sogar schon, ihr Kind ein Jahr wiederholen zu lassen.

Unter den 224 Gymnasialdirektoren, die im Januar ebenfalls an einer
Befragung der Elternschaft teilgenommen hatten, sieht nur eine
Minderheit keine coronabedingten Lernlücken - tendenziell größere
Defizite in den unteren Stufen, geringere in der Oberstufe. 22
Prozent der Direktoren sehen sich nicht in der Lage, Schüler und
Eltern am Eltern am Ende der 6. Klasse zuverlässig über einen
angemessenen Schulwechsel zu beraten. Die Landeselternschaft fordert
daher, die Erprobungsstufe bis auf weiteres auf Klasse 7 auszudehnen.
Jeder zehnte Schulleiter sieht die Aussagekraft der Abiturzeugnisse
2021 kritisch.

Die Befragung bildet aber auch positive Entwicklungen ab: Rund 96
Prozent der Direktoren sehen ihr Gymnasium gut auf den
Distanzunterricht vorbereitet und verfügen über eine funktionierende
Lernplattform. Allerdings hat jeder zweite Lehrer noch kein eigenes
Dienstgerät. Unter den Eltern gab allerdings jeder zehnte Befragte
an, dass eigene Kind kommen «nicht so gut» mit den Videokonferenzen
zurecht.

Die SPD-Opposition im Landtag unterstützte die Forderungen nach
Lernferien, Lernstandserhebungen und verlängerter Erprobungszeit.
Jedes Kind benötige einen persönlichen Förderplan, unterstrich
Vizefraktionschef Jochen Ott in einer Mitteilung. Da die
Wissenslücken nicht kurzfristig aufzuholen seien, sollte jedes Kind
die Möglichkeit haben, freiwillig das Schuljahr wiederholen zu
können.