Impfaffäre ebbt nicht ab - Halles OB drohen harte Konsequenzen

Die Impfaffäre um Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand kocht hoch.
Neben dienstrechtlichen drohen dem 64-Jährigen auch strafrechtliche
Konsequenzen. Im Parlament arbeiten die Stadträte an Wiegands
Amtsenthebung.

Halle (dpa/sa) - Für Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand
(parteilos) spitzt sich die Impfaffäre weiter zu. Nachdem er seine
täglichen Pressekonferenzen abgesagt hat, kehrt für ihn alles andere
als Ruhe ein. An mehreren Fronten sieht sich Wiegand dem «Feuer»
ausgesetzt.

DER VORWURF: Wiegand hatte Anfang Februar auf Anfrage eingeräumt,
dass er und zehn Stadträte schon geimpft worden waren, obwohl sie
gemäß der in der Bundesimpfverordnung festgelegten Reihenfolge noch
nicht dran waren. In den Tagen darauf waren weitere vorzeitige
Impfungen aus seinem Umfeld bekannt geworden. Der Oberbürgermeister
hatte die Darstellung, wie es dazu gekommen sei, dabei geändert.
Neben dem Vorwurf bei der Impfreihenfolge vorgedrängelt zu haben,
werfen einige Stadträte Wiegand vor, einen Impfüberschuss nach Plan
produziert zu haben, um sich und enge Mitarbeiter impfen zu lassen.

WIEGANDS SICHT: Wiegand verteidigt seine Impfung. Im Umgang mit übrig
gebliebenen Impfdosen stelle sich die Frage, «ob Politiker und
Entscheidungsträger für die für die letzte übrig gebliebene Spritze

angerufen werden». Er sei der Meinung, «dass es sachgerecht und mit
der Corona-Impfverordnung vereinbar ist», solche Reste Politikern in
zentralen Funktionen anzubieten - sofern sich niemand mit höchster
Impfpriorität, also Hochbetagte oder medizinischen Personal, finde.
So soll es bei ihm gewesen sein, als er geimpft wurde. Die
öffentliche Auseinandersetzung bezeichnete Wiegand als «Hexenjagd».
Er stehe «im Feuer der Debatte».

ERMITTLUNGEN DER STAATSANWALTSCHAFT: Die Staatsanwaltschaft ermittelt
nach eigener Aussage gegen Wiegand wegen des Verdachts der
«veruntreuenden Unterschlagung» des Corona-Impfstoffs. Die Polizei
durchsuchte am Montag mehrere Diensträume der Stadtverwaltung. Er sei
verdächtig, «unter Missachtung der (...) Impfreihenfolge» dafür
gesorgt zu haben, dass er selbst und andere noch nicht berechtigte
Personen geimpft wurden. Wiegand bezeichnete die Durchsuchungen als
unverhältnismäßig und wies die Vorwürfe zurück.

ABWAHLVERFAHREN: Mehrere Mitglieder des Stadtrates wollen Wiegand als
Oberbürgermeister absetzen und streben ein Abwahlverfahren an. Dafür
könne eine Sondersitzung des Stadtrates am 15. März der «Tag der
Wahrheit» sein, sagte Stadträtin Yana Mark (FDP). Die Hürden für di
e
Abwahl sind hoch. Drei Viertel der Stadträte müssten zustimmen.
Anschließend müsste ein Wahltermin gefunden werden, an dem die Bürger

in Halle über die Abwahl Wiegands entscheiden.

VERBOT DER FÜHRUNG DER DIENSTGESCHÄFTE: Zeitweise könnte Wiegand die

Führung seiner Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot leitet
sich aus dem Beamtenstatusgesetz ab. So könne «aus zwingenden
dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten
werden». Ein zwingender Grund könnte beispielsweise
Verdunklungsgefahr bei der Aufklärung der Impfaffäre sein. Zunächst
müsse hierfür eine Mehrheit im Stadtrat gefunden werden. Im nächsten

Schritt folgt eine schriftliche Anhörung des Bürgermeisters. Erst
danach könne eine Verfügung erlassen werden, die Wiegand sogar aus
den Diensträumen ausschließen würde. Das Verbot ist auf maximal drei

Monate befristet.

DISZIPLINARVERFAHREN: Das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt hat
Disziplinarverfahren gegen Wiegand sowie zwei Landräte eingeleitet.
Alle drei Politiker hatten eingeräumt, gegen Corona geimpft zu sein,
obwohl sie noch nicht an der Reihe waren. Ihnen wird vorgeworfen mit
ihrer vorzeitigen Impfung beamtenrechtliche Pflichten verletzt zu
haben. Am Mittwoch wollen mehrere Fraktionen im Stadtrat in Halle
einen deklarativen Dringlichkeitsantrag einbringen, um eine
Suspendierung Wiegands im Rahmen des Verfahrens anzuregen.

STREIT MIT GESUNDHEITSMINISTERIN: Gesundheitsministerin Petra
Grimm-Benne (SPD) hatte von Wiegand Aufklärung gefordert. Wiegand
hingegen wies ihren Verdacht eines möglichen Verstoßes gegen die
Impfordnung als «rechtsirrig» zurück. Grimm-Benne habe bis heute den

Umgang mit Impfstoffresten nicht geregelt, so Wiegand. Sie überlasse
dies den Kommunen, «um diese nun dienstrechtlich zu belangen».
Grimm-Benne erwiderte, dass durch Wiegands Stellungnahme die Vorgänge
im Nachhinein «nicht rechtmäßiger» würden. «Es bleibt dabei: Al
s Land
erwarten wir weiterhin Aufklärung (...).»