Kretschmann macht Hoffnung auf leichte Lockerungen des Lockdowns

Es ist verzwickt: Die Corona-Zahlen steigen wieder leicht - und das
trotz wochenlangen Lockdowns. Doch wie lange sollen die meisten
Schulen, Geschäfte und Restaurants noch geschlossen sein? Kretschmann
will «stücklesweise» vorgehen.

Stuttgart (dpa/lsw) - Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried
Kretschmann (Grüne) hält trotz der Gefahr durch Corona-Mutationen
leichte Lockerungen des Lockdowns für möglich. So könnte es bei den
Kontaktbeschränkungen eine Erleichterung geben, auch wenn die Zahl
der Infektionen nicht unter die wichtige Schwelle von 35 pro 100 000
Einwohner binnen sieben Tagen sinke, sagte der Grünen-Politiker am
Dienstag in Stuttgart. «Ich könnte mir vorstellen, dass wir wieder
auf zwei Haushalte kommen.» Bisher dürfen sich im Lockdown, der noch
bis 7. März gilt, nur ein Haushalt und eine weitere Person treffen.
Allerdings müsse für eine Lockerung die Sieben-Tage-Inzidenz
dauerhaft unter 50 liegen, sagte der Regierungschef.

Das neue Zauberwort heißt «Click&Meet»

Kretschmann dämpfte die Hoffnung des Handels auf eine baldige
Wiedereröffnung der Geschäfte. Diese sei nur möglich, wenn die
Sieben-Tage-Inzidenz stabil unter 35 liege, erklärte der
Grünen-Politiker. Dennoch könne es nicht sein, dass Geschäfte über

weitere Wochen kaum etwas verkaufen könnten. Das Konzept Click&Meet,
also Einkaufen nach Terminvergabe, könnte eine Perspektive sein. Am
Dienstag entschied die grün-schwarze Regierung, dass von Montag an
Gärtnereien, Gartenmärkte und Blumenläden wieder öffnen können. D
er
Südwesten folgt damit dem Beispiel anderer Länder wie etwa Bayern.
Neben den Floristen dürfen auch die Friseure am 1. März wieder
aufmachen.

Kretschmann will «stücklesweise» vorgehen

Der Grünen-Politiker mahnte, die momentane Lage sei wegen der
Auswirkungen der ansteckenderen Corona-Mutanten «hochproblematisch».
Es gebe Berechnungen, dass Mitte März die Mutationen dominierten. Man
müsse Vorsicht walten lassen, er wolle deshalb nur «stücklesweise»

vorgehen. Über weitere Öffnungen soll am 3. März die nächste
Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU)
entscheiden. Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz hatte sich zuletzt
im Südwesten wieder in kleinen Schritten von der politisch
angestrebten 35er-Marke wegbewegt.

CDU-Landeschef und Bundesvize Thomas Strobl fordert von Merkel, sie
solle sich weniger auf die Inzidenzwerte fixieren. Der Inzidenzwert
dürfe nicht mehr alleine als Maßstab für Corona-Maßnahmen
herangezogen werden, schreibt Strobl in einem Brief an die Kanzlerin
vom Dienstag, über den die «Heilbronner Stimme» berichtet und der der

dpa vorliegt. Neben der Anzahl der Neuinfektionen sollten auch die
Anzahl der Tests, der Anteil der positiven Testergebnisse sowie
weitere Parameter wie die Auslastung der Krankenhäuser und die
Kapazitäten der zuständigen Gesundheitsämter einbezogen werden.

Hoffnung auf schnellere Impfung wächst

Kretschmann und Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) äußerten die

Hoffnung, dass die Impfungen ab Ende März die Lage deutlich
entschärfen können. Der Regierungschef sagte: «Der Hochlauf beginnt
im zweiten Quartal.» Dann würden drei Millionen Dosen in der Woche
verimpft. Da spielten auch die etwa 20 000 niedergelassenen Ärzte
eine wichtige Rolle. Lucha wollte sich nicht auf genaue Termine
festlegen. Sobald man genügend Impfstoff habe - also im zweiten
Quartal - müsse man die Bevölkerung auch nicht mehr priorisieren,
«weil dann kommt jeder zum Zug».

Lucha teilte zudem mit, dass nun offiziell Menschen aus der zweiten
Priorisierungsgruppe impfberechtigt sind - allerdings nur, wenn sie
zwischen 18 und 64 sind. Denn: Sie sollen mit dem Impfstoff
Astrazeneca geimpft werden. Dazu gehörten viele medizinische
Beschäftigte, Menschen mit einer geistigen Behinderung und auch
Lehrkräfte und Erzieherinnen. Baden-Württemberg geht über den
Beschluss der Gesundheitsminister hinaus und bietet allen Lehrerinnen
und Lehrern die Möglichkeit zur Impfung, nicht nur den Lehrern an
Grund- und Förderschulen, erläuterte Lucha.

Schon wieder Zoff um Schnelltests

In Sachen Teststrategie hat sich der kleine Koalitionspartner CDU auf
den Gesundheitsminister eingeschossen. Im Kern geht es bei dem Streit
um die Frage, ob das Land den Kommunen dabei helfen soll, im großen
Stil Anlaufstellen für Schnelltests mit geschultem Personal zu
schaffen, oder darauf warten soll, dass der Bund wie angekündigt
demnächst die Laien-Selbsttests zulässt.

Die CDU dringt darauf, so schnell und so viel wie möglich zu testen,
um weitere Bereiche des Lebens kontrolliert wieder öffnen zu können.
Am Dienstag hielt Innenminister Strobl seinem Kollegen Lucha im
Kabinett vor, noch immer auf der Bremse zu stehen.

Kretschmann bestätigte, es habe einen «heftigen Schlagabtausch»
gegeben. Er warb um Verständnis, dass man sich auch aus finanziellen
Gründen überlegen müsse, ob man kurz vor dem Einsatz von Selbsttests

mit Kurzstäbchen noch eine große Struktur für Tests mit Personal
aufbaue.