Streit um Impfungen für Lehrer und Erzieher - Polizei empört

Lehrkräfte und Kita-Personal in NRW können aufatmen: Sie rücken in
der Impfreihenfolge vor. Nun kommt aber Kritik von anderen
Berufsgruppen - vor allem der Polizei.

Düsseldorf (dpa/lnw) - In Nordrhein-Westfalen sollen schon im März
Lehrkräfte und Kita-Personal gegen das Coronavirus geimpft werden.
Das kündigten Ministerpräsident Armin Laschet und Gesundheitsminister
Karl-Josef Laumann (CDU) am Dienstag an. Um die vorgezogene Impfung
gibt es schon jetzt Streit. Die Polizei befürchtet, in der
Impfreihenfolge nun nach hinten zu rutschen.

Bei den Impfungen von Lehrkräften und Erzieherinnen werde es keine
Konkurrenz mit den Impfungen der Polizisten gegeben, betonte dagegen
Laschet. NRW werde in wenigen Monaten so viel Impfstoffe haben, «dass
es zu keinen Kollisionen kommt» und sich eher die Frage stelle, ob
überhaupt alles verbraucht werden könne.

Indirekt kam Kritik an der neuen Impfreihenfolge aber auch von
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Er plädierte dafür, die von der
Ständigen Impfkommission (StiKO) erarbeitete Impfreihenfolge «im
Sinne der Glaubwürdigkeit» beizubehalten «und nicht Woche für Woche

infrage zu stellen». Reul betonte: «Es stehen derzeit nur begrenzte
Mengen Impfstoff zur Verfügung. Ich halte diesen Wettlauf, der jetzt
ausbricht, für falsch. Ich werde mich daran nicht beteiligen.»

Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Michael Mertens,
hatte in der «Rheinischen Post» gesagt: «Dass jetzt die Polizisten
nach hinten rutschen sollen, macht mich fassungslos.» Die Polizei
habe keine einzige Wache geschlossen, keinen Einsatz abgesagt, obwohl
Polizisten im Einsatz bespuckt und angeschrien würden.

Auch der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG),
Erich Rettinghaus, sprach von einer «krassen Fehlentscheidung».
Keiner könne vorhersagen, wie sich die Pandemie entwickele. «Schulen
können wieder geschlossen werden, Polizeiwachen nicht! Polizei kann
auch nicht zu Hause bleiben und die Einsätze von zu Hause erledigen.»

Laschet sagte: «Was manche Verbände vorbringen, muss abgeklopft
werden auf ihre Berechtigung.» Der Regierungschef betonte: «Das jeder
für sich sagt: «Ich bin der Allerwichtigste und ich muss das
kriegen», ist kein Argument.»

NRW-Vizeministerpräsident Joachim Stamp (FDP) warnte davor, die
Berufsgruppen bei den vorgezogenen Impfungen «gegeneinander
auszuspielen». Die von NRW vorangetriebene Hochstufung für Lehrkräfte

der Primarstufe, Erzieher und Tageseltern sei der Tatsache
geschuldet, dass hier die coronakonformen Abstände zu den Kindern
eben nicht eingehalten werden könnten.

Konkrete Details zum Prozedere der Impfungen des Lehrpersonals und
der Kita-Beschäftigten wurden noch nicht bekannt. Die neue
Priorisierung müsse auch noch offiziell vom Bund beschlossen werden,
sagte Laschet. Dies werde aber «in den nächsten Tagen geregelt». Der

Start der vorgezogenen Impfungen sei schon im März möglich.

Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern hatten sich am Montag
geeinigt, Lehrkräfte an Grund- und Förderschulen und Kita-Erzieher in
der Impfreihenfolge von der Gruppe drei (erhöhte Priorität) in die
Gruppe zwei (hohe Priorität) hochzustufen. Zur Gruppe zwei zählen
außerdem viele chronisch Kranke und Menschen über 70 sowie nach
Angaben Laschets auch Polizisten.

Laumann räumte im WDR ein, dass sich mit dieser Entscheidung die
Impfung für andere Berufsgruppen verzögern werde. Mit den Lehrkräften

und dem Kita-Personal rücke eine «gewaltige Berufsgruppe» in die
höhere Prioritätsgruppe, zugleich sei keine andere Gruppe
herausgenommen worden, und der Impfstoff werde nicht mehr. Deshalb
dauere es für alle Menschen in der Gruppe zwei länger. «Ich kann
nicht gleichzeitig die Polizei impfen und die Lehrer impfen.»

Die Bildungsgewerkschaft GEW erklärte, in der jetzigen Situation
dürften Beschäftigungsgruppen im öffentlichen Dienst nicht
gegeneinander ausgespielt werden. Die Landesregierung sei in der
Pflicht, dafür zu sorgen, dass all diesen Beschäftigten ein möglichst

zeitnahes Impfangebot zugehe.

Der Verband Bildung und Erziehung NRW (VBE) begrüßte die vorgezogenen
Impfungen. «Es gibt eine Sehnsucht, dass Schulen wieder in den
Präsenzunterricht einsteigen. Dies sollte dann aber auch damit
verbunden werden, die Lehrenden und Lernenden bestmöglich zu
schützen», erklärte der VBE-Landesvorsitzende Stefan Behlau.
«Konsequenter wäre es, das Angebot allen Kolleginnen und Kollegen zu
unterbreiten, die im Präsenzunterricht tätig sind - egal in welcher
Schulform.»

Auch die Grünen im Landtag kritisierten, dass die vorgezogenen
Impfungen auf Grund- und Förderschullehrer beschränkt seien.
Bisherige Untersuchungen zeigten, dass vor allem Schülerinnen und
Schüler in den weiterführenden Schulen in der Viruslast mit
Erwachsenen verglichen werden könnten. Lehrkräfte in den
Abschlussklassen der weiterführenden Schulen seien jetzt im
Präsenzunterricht, und das zum Teil in vollen Lerngruppen, wo kein
ausreichender Abstand eingehalten werden könne.