Berliner Senat dämpft Hoffnung auf rasche Corona-Lockerungen

Wird es nach einem dunklen Corona-Winter im Lockdown nun langsam
wieder heller? Der Berliner Senat sieht im Gegensatz zu anderen
Ländern kurzfristig keinen Lockerungsspielraum - hat aber einen Plan.

Berlin (dpa/bb) - Nach mehr als zwei Monaten Lockdown zur Eindämmung
der Corona-Pandemie will der Berliner Senat zumindest mittelfristige
Öffnungsperspektiven etwa für Handel, Gastronomie, Kultur oder Sport
aufzeigen. Angesichts der Corona-Infektionslage und neuer Gefahren
durch Virus-Mutationen sieht er indes noch nicht die Zeit für rasche
Lockerungen gekommen. Das machten die Vize-Regierungschefs Klaus
Lederer (Linke) und Ramona Pop (Grüne) am Dienstag nach der
Senatssitzung deutlich und verwiesen darauf, dass der wochenlange
Rückgang bei den Neuinfektionen gestoppt ist und sich wieder umkehrt.

«Wir sind in einer ganz schwierigen Zwischensituation», sagte
Kultursenator Lederer. «Und die Antworten darauf, wie man mit dieser
Situation umgeht, die sind noch nicht gefunden.» Er wundere sich
deshalb, dass manche Bundesländer schon wieder Ankündigungen machten.
«Wir werden das nicht tun, sondern wir werden weiterhin versuchen, in
einheitlichem Vorgehen mit den anderen Bundesländern zu agieren.»

Wirtschaftssenatorin Pop sagte, weitere Lockerungen neben der
begonnenen Schulöffnung und den Friseuren (ab 1. März) seien nicht
diskutiert worden, sondern ein Stufenplan mit Öffnungsperspektiven.
Die Vorlage der Senatskanzlei umfasst sechs Stufen für mögliche
Lockerungsschritte, die sich über mehrere Wochen oder Monate
erstrecken. Gleichzeitig wird in dem Papier zunächst eine
Verlängerung des Lockdowns über den 7. März hinaus gefordert.

Die Vorlage bildet Lederer zufolge einen Zwischenstand ab und gilt
als Diskussionsgrundlage, die noch weiterentwickelt werden kann.
Berlin als Vorsitzland der Ministerpräsidentenkonferenz will den Plan
beim nächsten Bund-Länder-Treffen zum weiteren Vorgehen in der
Pandemie am 3. März einbringen. Eigene Beschlüsse fasst der Senat
dann erst nach dieser Schalte mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Grundlage für Öffnungsschritte sind der Vorlage zufolge Kriterien wie
die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen pro
100 000 Einwohner binnen einer Woche. Hinzu kommen als «dynamische
Faktoren» die Reproduktionszahl (R-Wert), die angibt, wie viele
Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt, sowie die Kapazitäten
bei den Intensivbetten, die Veränderungsrate der Inzidenz und
perspektivisch die Impfquote.

Bei einem Inzidenzwert über 100 - am Montag betrug er in Berlin 57,2
- gilt dem Plan zufolge die erste Stufe (Risikostufe B). Hier gelten
weitgehende Schließungen, lediglich eine Grundversorgung im Handel
und medizinisch notwendige körpernahe Dienstleistungen sollen erlaubt
sein. Die nächste Stufe (Risikostufe A) gilt bei einer Inzidenz von
über 50: Sport in kleinen Gruppen soll dann für Kinder bis 12 Jahren
draußen wieder möglich sein.

Dann wird es kompliziert, auf die beiden Risikostufen folgen vier
weitere Stufen. Cluster 0 greift, wenn der Inzidenzwert sieben Tage
lang unter 50 liegt, Cluster 1, wenn die Inzidenz sieben Tage lang
unter 35 liegt. Cluster 2 gilt, wenn der Inzidenzwert dann für 14
Tage stabil oder sinkend ist, gleiches gilt danach für Cluster 3.
Hinzugezogen werden dem Plan zufolge bei allen vier Cluster-Stufen
dynamische Faktoren wie R-Wert oder Belegung der Intensivstationen.

Beispiel 1: Restaurants sollen nach diesem Muster erst in der vierten
Stufe (Cluster 1) bei einer Inzidenz unter 35 den Außenbereich für
maximal 5 Personen aus zwei Haushalten öffnen dürfen. Ist der
Inzidenzwert 14 Tage stabil oder sinkend, dürften die Restaurants für
sechs Personen aus drei Haushalten öffnen, in der nächsten Stufe dann
für sechs Personen unabhängig von den Haushalten.

Beispiel 2: Auch für den Einzelhandel sind Öffnungsschritte über die

Grundversorgung hinaus ab einer Inzidenz unter 35 (Cluster 1)
vorgesehen: Zunächst soll dann eine Zugangsbegrenzung von 10
Quadratmeter pro Kunde gelten, ab einer Fläche von 800 Quadratmetern
gelten 20 Quadratmeter pro Kunde. In der übernächsten Stufe (Cluster
3) sind dann generell 10 Quadratmeter pro Kunde vorgeschrieben.

Beispiel 3: Theater, Konzerthäuser und Kinos sollen ab Stufe vier
(Cluster 1) Veranstaltungen draußen anbieten dürfen. Erst bei
stabilen oder sinkenden Inzidenzwerten in der nächsten Stufe (Cluster
2) können sie öffnen - mit begrenzter Personenzahl. Bei weiter
stabilen oder zurückgehenden Infektionswerten soll eine weitergehende
Öffnung möglich sein, wenn eine Belüftungsanlage vorhanden ist und
ein Sitzabstand von einem Meter eingehalten wird. Clubs sollen erst
ab Stufe sechs (Cluster 3) schrittweise öffnen können.

Um eine komplette Öffnung ohne Beschränkungen geht es bei dem
Stufenplan nicht. Schulen und Kitas werden in dem Papier wegen ihrer
besonderen sozialen Bedeutung eine Sonderrolle zugebilligt - plädiert
wird für eine schrittweise Ausweitung des Präsenzbetriebes. Bei einer
Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 müssten diese vorsichtigen
Öffnungsschritte allerdings «zur Disposition gestellt» werden, heiß
t
es in der Vorlage. Am Montag hatte die schrittweise Schulöffnung
begonnen, den Anfang machten Schüler der Klassenstufen 1 bis 3.

In Berlin war die Zahl der Corona-Neuinfektionen wohl nicht zuletzt
in Folge des Lockdowns wochenlang kontinuierlich zurückgegangen. Seit
einigen Tagen weist die Inzidenz wieder leicht steigende Tendenz auf.