Briten wollen in die Sonne - Run auf Tickets und Pauschalreisen Von Christian Ebner und Benedikt von Imhoff, dpa

Der Zeitplan für den britischen Ausstieg aus dem Corona-Lockdown hat
zu einem Buchungsansturm bei den Reiseanbietern geführt. Auch die
Deutschen sitzen auf gepackten Koffern, glaubt die Branche.

London/Frankfurt (dpa) - Kaum stand der Termin für das Ende des
Corona-Lockdowns in Großbritannien fest, haben sich viele Briten
Flüge und Urlaubsreisen in den Süden Europas gesichert. In den
Stunden nach der Rede von Premierminister Boris Johnson seien die
Buchungen um 337 Prozent im Vergleich zur Vorwoche und
Urlaubsbuchungen sogar um 630 Prozent gestiegen, teilte die
Fluggesellschaft Easyjet am Dienstag in Luton mit. Der größte
britische Reiseanbieter Tui UK verzeichnete ebenfalls eine
Versechsfachung der Buchungen. Auf dem Kontinent hoffen die Anbieter
auf einen ähnlichen Boom, doch das Signal bleibt zunächst noch aus.

In Deutschland wollen Anbieter wie der weltgrößte Touristik-Konzern
TUI oder die Lufthansa-Tochter Eurowings im kommenden Sommer rund 80
Prozent ihres Vorkrisen-Niveaus vermarkten. «Je länger die Krise
dauert, umso stärker wächst die Sehnsucht der Menschen zu reisen und
zu fliegen. Sobald Reisebeschränkungen fallen, werden wir in der
Touristik enorme Nachholeffekte sehen», hatte Eurowings-Chef Jens
Bischof schon vor Wochen als Parole ausgegeben. «Es wird insbesondere
in den Sommermonaten einen starken Nachholeffekt geben, so dass es in
den Ferien im Juli und August durchaus wahrscheinlich ist, dass die
Jets auf vielen Strecken im Mittelmeerraum und auf die Kanaren
schnell ausgebucht sein werden», ist auch TUI-Deutschland-Chef Marek
Andryszak überzeugt.

Briten-Premier Johnson hatte am Montag die Regierungspläne für den
Weg des Inselstaats aus dem Corona-Lockdown vorgestellt. Demnach
sollen die Restriktionen schrittweise aufgehoben werden, bis vom 21.
Juni an dann gar keine Beschränkungen mehr gelten. Bereits vom 17.
Mai an könnte Urlaub im Ausland wieder erlaubt werden. Voraussetzung
für jede Lockerung ist, dass die Zahl der Neuinfektionen niedrig
bleibt und das ambitionierte Impfprogramm weiter zügig
voranschreitet.

Die deutschen Anbieter setzen auch wegen des Impfrückstands die
Hoffnung auf einen Mix zwischen Impfnachweis und allseits verfügbaren
Corona-Tests, um Reisen wieder zu ermöglichen. Nach Vorstellungen des
Deutschen Reiseverbands (DRV) soll bei Einreisen aus Risikogebieten
künftig ein negatives Testergebnis ausreichen und die abschreckende
Pflicht zur Selbstquarantäne entfallen. Die Branche fordert zudem
mehr Tempo beim Impfen und eine standardisierte und digitale Form des
Impfnachweises.

Bis dahin sind es noch viele kleine Schritte, wie eine Ankündigung
des Lufthansa-Konzerns vom Dienstag belegt. Danach wird es nun auf
einigen Flügen nach Istanbul und von Newark möglich sein, die
Corona-Testergebnisse vor Flugantritt digital überprüfen zu lassen.
Die Originaldokumente müssten aber weiterhin mitgeführt werden.

Beliebte Reiseziele der sonnenhungrigen Briten sind den Konzernen
zufolge Malaga, Alicante sowie Mallorca in Spanien, Faro an der
Algarve in Portugal sowie die griechische Insel Kreta. Die meisten
Buchungen wurden für August gemacht. «Die Ansprache des
Premierministers hat vielen Kunden in Großbritannien einen dringend
benötigten Vertrauensschub verliehen», sagte Easyjet-Chef Johan
Lundgren der Mitteilung zufolge.

Bei den deutschen Gästen der TUI hat Vorjahressieger Kreta erneut
Mallorca den Rang als beliebtestes Einzelziel abgejagt. Reiseland
Nummer eins werde Spanien bleiben, sagt Andryszak. Auf den Kanaren
und den Balearen sinken die Fallzahlen, so dass noch mit einer
Aufholjagd bei reichlich vorhandenen Kapazitäten zu rechnen sei. Im
Sommer 2020 hatte Eurowings sein Platzangebot nach Mallorca von Juni
auf Juli nahezu verachtfacht, nachdem die Reisebeschränkungen
gefallen waren.

In der britischen Euphorie, die am Dienstag auch die Börsenkurse fast
aller Luftverkehrswerte nach oben schnellen ließ, spielte die
Pandemie-Situation in den Zielländern offenbar nur eine
untergeordnete Rolle. Stand jetzt verbietet derzeit neben den
beliebten Urlaubsländern Frankreich und Spanien auch Deutschland
britischen Touristen die Einreise, weil das Vereinigte Königreich
wegen der dort zuerst entdeckten aggressiven Corona-Mutante als
Hochrisikogebiet gilt. Johnson räumte bereits ein, dass irgendeine
Form von Impfpässen «auf internationaler Bühne kommen» werde. «Wi
r
müssen das ausdiskutieren und wir haben Zeit dafür.» Die Briten
werden sich erneut mit der Europäischen Union verständigen müssen.