Merkel will Paketlösung für Öffnungen - Schnelltests verzögern sich

Schritte, Stufen, Pakete - die Politik überlegt fieberhaft, wie der
Corona-Lockdown weiter gelockert werden kann. Allen Hoffnungen stehen
aber wieder steigende Infektionszahlen entgegen. Auch bei einem
anderen wichtigen Baustein gibt es einen Rückschlag.

Berlin (dpa) - Wegen der Ausbreitung der ansteckenderen Varianten des
Corona-Virus ist in Deutschland kein Ende des Lockdowns in Sicht.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich am Montag in Berlin
für eine Strategie der Öffnung verschiedener Bereiche in «Paketen»

aus. Zugleich mahnte Merkel zur Vorsicht. Lehrer und Erzieher sollen
nun voraussichtlich früher geimpft werden. Ein weiterer wichtiger
Baustein im Kampf gegen die Pandemie, die geplanten kostenlosen
Schnelltests, wird sich jedoch wahrscheinlich verzögern.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte zuletzt immer wieder
angekündigt, dass ab 1. März das Angebot für alle Bürger kommen
solle, sich kostenlos von geschultem Personal mit
Antigen-Schnelltests testen zu lassen - etwa in Testzentren, Praxen
oder Apotheken. Darüber solle nun aber erst bei den
Bund-Länder-Beratungen am 3. März gesprochen werden, erklärte
Regierungssprecher Steffen Seibert nach einer Sitzung des
Corona-Kabinetts.

«Die Verschiebung der #Schnelltests ist bedauerlich», twitterte
FDP-Chef Christian Lindner. «Testen, Testen, Testen ist ein Baustein
für mehr Freiheit. Die Enttäuschung beim Impfstart darf sich nicht
wiederholen. Wieso funktioniert in Österreich schon in der Praxis,
was bei uns verschoben wird?»

Zur Absicherung von Kita- und Schulöffnungen sollen Erzieherinnen und
Erzieher sowie Lehrkräfte früher geimpft werden. Nach einem Entwurf
des Gesundheitsministeriums rücken «Personen, die in
Kinderbetreuungseinrichtungen, in der Kindertagespflege und an
Grundschulen tätig sind», von der dritten in die zweite Gruppe der
Impf-Reihenfolge. Die geänderte Impfverordnung könnte an diesem
Mittwoch in Kraft treten. Die Gesundheitsminister der Bundesländer
sprachen sich bei einem Treffen ohne Gegenstimmen für diese neue
Regelung aus, wie Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU)
mitteilte.

Die Bundeskanzlerin plädierte angesichts der Sorgen vor einer dritten
Corona-Welle erneut für eine vorsichtige Strategie. Öffnungsschritte
müssten mit vermehrten Tests gekoppelt und klug eingeführt werden,
sagte Merkel nach Angaben von Teilnehmern in Online-Beratungen des
CDU-Präsidiums. Merkel sieht nach ihren Angaben drei Bereiche für
«Pakete» einer Öffnungsstrategie: persönliche Kontakte, Schulen und

Berufsschulen sowie Sportgruppen, Restaurants und Kultur.

Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) sagte nach diesen Informationen,
die Mutationen des Coronavirus zerstörten leider gerade die gute
Entwicklung. Regierungssprecher Seibert sagte, der Anteil der
ansteckenderen britischen Variante betrage 20 bis 25 Prozent. «Man
muss sicher davon ausgehen, dass dieser Anteil noch weiter zunimmt.»
Öffnungsschritte seien dadurch komplizierter geworden.

Nach rund zweimonatiger Schließung und Notbetreuung öffneten in zehn
Bundesländern am Montag wieder Kindertagesstätten und Grundschulen
teilweise. Bereits dadurch gebe es «ein erhebliches Mehr an Kontakten
und damit auch an Übertragungsrisiken», sagte Seibert. Niemand wolle
Öffnungen wieder zurücknehmen. «Was wir aufmachen, das wollen wir
dann auch durchhalten.» Wichtig sei es nun, ganz genau zu schauen,
wie Schulöffnungen das Infektionsgeschehen verändern.

In den nächsten Tagen soll nach den Informationen aus dem
CDU-Präsidium eine Arbeitsgruppe mit Kanzleramtschef Braun und den
Chefs der Länder-Staatskanzleien zum Thema Öffnungen tagen. Sie soll
die nächsten Bund-Länder-Beratungen am 3. März vorbereiten. Nach
bisherigen Plänen könnten Geschäfte am 7. März wieder öffnen - ab
er
nur in Regionen, wo es drei Tage in Folge nicht mehr als 35
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern binnen sieben Tagen gibt. Am
Montag stieg diese Sieben-Tage-Inzidenz bundesweit aber von 60,2 auf
61,0. Seit mehr als einer Woche liegt sie über 57.

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Michael Müller
(SPD), sagte «Stuttgarter Zeitung» und «Stuttgarter Nachrichten»:
«Auch ein R-Wert deutlich unter 1 und eine sinkende Auslastung der
Intensivmedizin werden wichtige Kriterien für nächste
Lockerungsschritte sein.» Kultur und Gastronomie sollen teils öffnen
können, wenn Bundesländer «stabil über mehrere Wochen» unter den

Sieben-Tage-Inzidenzwerten 35 oder 50 blieben.

CDU-Chef Armin Laschet hingegen sagte diesen beiden Zeitungen
(Dienstag): «Ein Stufenplan, der regelt, welche Inzidenzwerte
erreicht werden müssen, um bestimmte Bereiche wieder zu öffnen,
könnte uns zu sehr binden.» Aus Sicht des nordrhein-westfälischen
Ministerpräsidenten helfen «starre Automatismen» nicht.

Binnen eines Tages wurden 4369 Corona-Neuinfektionen und 62 weitere
Todesfälle verzeichnet. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder mit
Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 67 903.

Wann genau Lehrkräfte an Grundschulen und Kitaerzieherinnen und
-erzieher beim Impfen an die Reihe kommen, ist trotz geplanter
höherer Priorisierung unklar. Betroffen sind laut Statistischem
Bundesamt etwa eine Million Menschen. Spahns früheren Aussagen
zufolge soll die Impfgruppe zwei, zu der die Lehrer gehören sollen,
ab April zum Zug kommen. Auch viele chronisch Kranke und Menschen
über 70 sind hier versammelt.