Merkel will Paketlösung für Öffnungen - Infektionszahlen steigen Von Basil Wegener, Sascha Meyer und Jörg Blank, dpa

Schritte, Stufen, Pakete - die Politik überlegt fieberhaft, wie der
Corona-Lockdown nach den Grundschulen vorerst weiter gelockert werden
kann. Allen Hoffnungen stehen aber die steigenden Infektionszahlen
entgegen.

Berlin (dpa) - Ein Ende des Corona-Lockdowns in Deutschland ist wegen

der Ausbreitung der ansteckenderen Virusvarianten vorerst nicht in
Sicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich für eine
Strategie der Öffnung verschiedener Bereiche in Paketen aus und
mahnte zugleich zur Vorsicht. CDU-Chef Armin Laschet will
Öffnungsschritte nicht an Infektionszahlen binden. Ein
Regierungssprecher mahnte, die Wirkung des am Montag wieder
gestarteten Schulbetriebs zunächst abzuwarten.

Zur Absicherung von Kita- und Schulöffnungen sollen Erzieherinnen und
Erzieher sowie Lehrkräfte voraussichtlich früher geimpft werden als
bislang geplant. Nach einem Entwurf des Gesundheitsministeriums
sollen «Personen, die in Kinderbetreuungseinrichtungen, in der
Kindertagespflege und an Grundschulen tätig sind», von der dritten in
die zweite Gruppe der Impf-Reihenfolge rücken. Die geänderte
Impfverordnung könnte an diesem Mittwoch in Kraft treten. Die
Bundesländer hätten sich ohne Gegenstimmen für diese neue Regelung
ausgesprochen, erklärte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek
(CSU) nach einer Sitzung mit seinen Länderkollegen.

Zudem sollen mehr Tests helfen, das Coronavirus zu kontrollieren. Das
Corona-Kabinett befasste sich am Montag mit der geplanten Ausweitung
der Angebote für Schnelltests. Darüber solle nun aber erst bei den
Bund-Länder-Beratungen am 3. März gesprochen werden, erklärte
Regierungssprecher Steffen Seibert. Gesundheitsminister Jens Spahn
(CDU) hatte zunächst angekündigt, dass ab 1. März das Angebot für
alle Bürger kommen solle, sich kostenlos von geschultem Personal mit
Antigen-Schnelltests testen zu lassen - etwa in Testzentren, Praxen
oder Apotheken.

Merkel plädierte angesichts der Sorgen vor einer dritten Corona-Welle
erneut für eine vorsichtige Strategie. Öffnungsschritte müssten mit
vermehrten Tests gekoppelt und klug eingeführt werden, sagte Merkel
nach Angaben von Teilnehmern in Online-Beratungen des CDU-Präsidiums.
Merkel sieht nach ihren Angaben drei Bereiche für Pakete einer
Öffnungsstrategie: persönliche Kontakte, Schulen und Berufsschulen
sowie Sportgruppen, Restaurants und Kultur. 

Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) sagte nach diesen Informationen,
die Mutationen des Coronavirus zerstörten leider gerade die gute
Entwicklung. Regierungssprecher Seibert sagte, der Anteil der
britischen Variante betrage 20 bis 25 Prozent. «Man muss sicher davon
ausgehen, dass dieser Anteil noch weiter zunimmt.» Öffnungsschritten
seien dadurch komplizierter geworden.

Nach rund zweimonatiger Schließung und Notbetreuung öffneten in zehn
Bundesländern wieder Kindertagesstätten und Grundschulen teilweise.
Bereits dadurch gebe es «ein erhebliches Mehr an Kontakten und damit

auch an Übertragungsrisiken», sagte Seibert. Niemand wolle Öffnunge
n
wieder zurücknehmen. «Was wir aufmachen, das wollen wir dann auch
durchhalten.» Wichtig sei es nun aber, zunächst ganz genau zu
schauen, in welchem Umfang die Schulöffnungen das Infektionsgeschehen
veränderten.

In diesen Tagen soll nach den Informationen aus dem CDU-Präsidium
eine Arbeitsgruppe mit Kanzleramtschef Braun und den Chefs der
Länder-Staatskanzleien zum Thema Öffnungen tagen. Vorbereitet werden
sollen die nächsten Bund-Länder-Beratungen am 3. März. Ab dem 7. Mä
rz
sollen den bisherigen Plänen zufolge Geschäfte wieder öffnen können
,
wenn es in Regionen drei Tage lang nicht über 35 Neuinfektionen pro
100 000 Einwohnern und sieben Tagen gibt. Am Montag stieg
die Sieben-Tage-Inzidenz aber von 60,2 auf 61,0. Seit mehr als einer
Woche liegt sie über 57. 

Dass das Virus sich wieder ausbreitet, zeigt auch der bundesweite
Sieben-Tage-R-Wert von am Sonntag 1,10 (Vortag 1,07): 100 Infizierte
stecken rechnerisch 110 Menschen an. Der Vorsitzende der
Ministerpräsidentenkonferenz, Michael Müller (SPD), sagte der
«Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten» (Montag):
«Auch ein R-Wert deutlich unter 1 und eine sinkende Auslastung der
Intensivmedizin werden wichtige Kriterien für nächste
Lockerungsschritte sein.» Kultur und Gastronomie sollen laut Müller
teils öffnen können, wenn Bundesländer «stabil über mehrere W
ochen»
unter den Inzidenzen 35 oder 50 blieben. 

Laschet hingegen sagte diesen beiden Zeitungen (Dienstag): «Ein
Stufenplan, der regelt, welche Inzidenzwerte erreicht werden müssen,
um bestimmte Bereiche wieder zu öffnen, könnte uns zu sehr binden.»
Aus seiner Sicht helfen «starre Automatismen» nicht.

Binnen eines Tages wurden 4369 Corona-Neuinfektionen und 62
weitere Todesfälle verzeichnet. Die Gesamtzahl der Menschen, die an
oder mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 67 903.

Wann Lehrkräfte an Grundschulen und Kitaerzieherinnen und -erzieher
beim Impfen an die Reihe kommen, ist trotz geplanter höherer
Priorisierung unklar. Betroffen sind laut Statistischem Bundesamt
rund eine Million Menschen. Spahns früheren Aussagen zufolge soll die
Impfgruppe zwei, zu der die Lehrer gehören sollen, ab April zum Zug
kommen. Auch viele chronisch Kranke und Menschen über 70 sind hier
versammelt. Familienministern Franziska Giffey (SPD) plädiert im ZDF
dafür, mobile Impfteams an Kitas und Schulen zu schicken.
Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) kündigte in
der ARD an, ab Montag würden Erzieher, Lehrer und Ärzte in seinem
Land geimpft. 

Wie viel später dann Gruppe drei unter anderem mit den 60- bis
70-Jährigen bei einem Vorziehen der Lehrer drankommt, sei Spekulation
und könne nicht vorhergesagt werden, sagte der Sprecher Spahns. Die
Deutsche Stiftung Patientenschutz befürchtet, dass Hochbetagte und
Schwerkranke bei der Impfung ins Hintertreffen geraten könnten, wenn
die Gruppe zwei erweitert wird. Die Gesundheitsexpertin der
Unionsfraktion, Karin Maag, warnte in der «Süddeutschen Zeitung»
(Montag) vor «ganz schwierigen Abwägungen» bei so einem Schritt.