Ministerin warnt vor dritter Corona-Welle - Ärzte-Projekt zur Impfung

Die Grundschulen starten in den Wechselunterricht, die
Landesregierung will mehr Corona-Schutz für Lehrer und Erzieher. Für
weitere Lockerungen sieht zumindest die Gesundheitsministerin aber
derzeit keinen Spielraum.

Potsdam (dpa/bb) - Vor dem Start der Grundschulen in den
Wechselunterricht an diesem Montag hat Brandenburgs
Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) vor weiteren
Lockerungsschritten gewarnt. Ihr liege jetzt zunächst am Herzen, dass
die vorsichtige Öffnung der Schulen und der Übergang auf
Wechselunterricht an den Grundschulen gut gelinge, sagte die
Ministerin am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Dies müsse durch
gute Hygienekonzepte, Testungen und auch eine Neubewertung der
Impfreihenfolge mit Blick auf Erzieherinnen und Erzieher und Lehrende
an Grundschulen flankiert werden. «Über diesen Lockerungsschritt
hinaus rate ich sehr zur Vorsicht.»

Trotz eines deutlichen Rückgangs bei den Corona-Neuansteckungen in
Brandenburg gibt es nach Ansicht von Nonnemacher (Grüne) keine
Entwarnung beim Infektionsgeschehen. Sie verwies auf die «rasante»
Ausbreitung der ansteckenderen Virusvarianten. «Der Anteil der
ansteckenderen Virusmutanten wurde letzte Woche schon auf 22 bis 23
Prozent beziffert, Tendenz rasch ansteigend», sagte Nonnemacher.
«Auch wenn wir jetzt größere Bevölkerungsanteile als bisher impfen

können, so ist die Gefahr einer dritten Welle sehr real.»

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte zuletzt dafür geworben,
dass Lehrer und Erzieher schon vorzeitig eine Corona-Schutzimpfung
erhalten. Derzeit sind sie in der dritten Prioritätsgruppe
einsortiert und würden voraussichtlich erst in einigen Monaten eine
Impfung erhalten. In einem Schreiben bat Woidke
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) um eine Prüfung, inwieweit
die Impfreihenfolge vor allem mit Blick auf das Präparat von
Astrazeneca angepasst werden könnte.

Am Wochenende verdichteten sich dann auch die Anzeichen dafür, dass
Grundschullehrer und Kita-Beschäftigte in der Impfreihenfolge nach
vorne rutschen könnten. An diesem Montag könnte bei einer
Schaltkonferenz der Gesundheitsminister der Länder (16.00 Uhr) eine
entsprechende Grundsatzentscheidung fallen, kündigte
Baden-Württembergs Ressortchef Manne Lucha (Grüne) an.

Brandenburger Ärzten soll es ab März in einem Modellprojekt
ermöglicht werden, in ihren Praxen oder bei Hausbesuchen
Corona-Impfungen vorzunehmen. Das Interesse der Praxen an dem
Modellprojekt sei «sehr groß», sagte Christian Wehry, Sprecher der
Kassenärztlichen Vereinigung KVBB, am Samstag. Rund 500 Praxen hätten
sich bereits gemeldet, die bei dem Vorhaben der Landesregierung
mitmachen wollten.

Ziel ist es laut KVBB, landesweit insgesamt rund 50 Praxen zu
identifizieren, die sich kurzfristig an dem Projekt beteiligen
wollen. Die geplante Einbindung der Hausärzte bei den
Corona-Schutzimpfungen war ein Ergebnis des Brandenburger
«Impfgipfels» vom Mittwoch. Bislang dürfen die Arztpraxen keine
Corona-Impfungen anbieten. Laut KVBB startete eine Umfrage unter
knapp 1900 Arztpraxen, um Impfkapazitäten zu erfragen.

«Wir werden die Impfungen in einigen Hausarztpraxen erproben», sagte
Gesundheitsministerin Nonnemacher (Grüne) der «Lausitzer Rundschau»
und der «Märkischen Oderzeitung» (Samstag). In größerem Rahmen k
önne
das aber erst funktionieren, wenn ausreichend Impfstoff zur Verfügung
stehe. Zudem müsse der Bund dafür die Impfverordnung ändern, so die
Ministerin. Ziel der Politik sei es, bis Ende September jedem ein
Impfangebot zu machen. «Das bedeutet für Brandenburg 3,5 Millionen
Impfungen. Dazu müssen wir im April 440 000 Impfungen und ab Mai
520 000 Impfungen monatlich verabreichen», rechnete sie vor.

Um das Ziel zu erreichen, müssten die Impfzentren laut der Ministerin
«Volllast» fahren. Zudem müssten die mobilen Impfteams verstärkt
werden, die Kliniken seien gefragt und eben auch die niedergelassenen
Ärzte. Kritik an der Impfstrategie des Landes wies sie in dem
Interview der beiden Zeitungen zurück.

Seit der Probleme mit der überlasteten Impfhotline Anfang Januar sei
die gesamte Impfkampagne dauerhaft in «schlechtes Licht» gerückt
worden. Es sei der Begriff «Impfchaos» gefallen. «Es war nicht
chaotisch. Das weise ich zurück.» Es sei klar gewesen, dass
Impfstoffe anfangs nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen
würden. Trotzdem sei eine enorme Erwartungshaltung geschürt worden,
sagte die Ministerin weiter. Mittlerweile sei die Impfbereitschaft in
Brandenburg Woche um Woche gestiegen. In allen Bundesländern habe man
mit Problemen zu kämpfen. Nonnemacher: «Es ist bei uns nicht
schlechter gelaufen als anderswo.»

Die Zahl der bisher im Land durchgeführten Corona-Schutzimpfungen
liegt bei insgesamt 154 624. 85 192 Menschen erhielten eine erste
Impfung, 69 432 wurden bereits das zweite Mal geimpft. Der Wert neuer
Ansteckungen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche sank für
ganz Brandenburg am Sonntag erneut leicht auf 64,2.