Kompliziertes Recht: Muss ich bei selbstgedrehten Musikvideos zahlen? Von Christoph Dernbach, dpa

Die «Jerusalema-Challenge» sollte in der Corona-Krise eigentlich die
Stimmung aufhellen. Doch viele Teilnehmer des Tanzwettbewerbs bekamen
stattdessen eine Rechnung ins Haus. Muss man tatsächlich für Videos
auf YouTube, Instagram oder TikTok extra Gebühren bezahlen?

Berlin (dpa) - Nach dem Spaß kam die Ernüchterung. In der
«Jerusalema-Challenge» hatten die Belegschaften von
Verkehrsbetrieben, Krankenhäusern, Polizei- und Feuerwachen sowie
unzähligen Vereinen und Organisationen noch ausgelassen zu dem
gleichnamigen Song aus Südafrika getanzt - und ihre Musikvideos auf
Youtube, Instagram und TikTok geteilt. Doch dann flatterten in vielen
Fällen Rechnungen ins Haus. Der Konzern Warner Music verlangte
nachträglich Lizenzgebühren.

Die Forderungen haben nicht nur den Teilnehmern des Tanz-Wettbewerbs
die Stimmung verdorben. Sie werfen auch ganz grundsätzlich die Frage
auf, ob tatsächlich gesonderte Lizenzgebühren fälligwerden, wenn man

ein Tanzvideo veröffentlicht, in dem urheberrechtlich geschützte
Musik zu hören ist.

Rechteinhaber Warner Music verwies nach einem Aufschrei der
Entrüstung der Betroffenen darauf, es sei in diesen «schwierigen
Zeiten wichtiger denn je, dass Künstler und Künstlerinnen für ihre
Musik bezahlt werden, wenn sie von Dritten genutzt wird, um ihre
Reputation zu steigern.» Aber bekommt das Musiklabel nicht ohnehin
Geld von Youtube, Facebook & Co.? Wie wird diese Extra-Forderung
gerechtfertigt?

Der Song aus der «Jerusalema-Challenge» stammt von dem
südafrikanischen Sänger Kgaogelo Maogi, der unter dem Künstlernamen
Master KG auftritt. Maogi ist Mitglied der südafrikanischen
Verwertungsgesellschaft der SAMRO, die mit der Gema in Deutschland
vergleichbar ist. Und über Verträge, die Verwertungsgesellschaften
weltweit untereinander abgeschlossen haben, fließt auch ohne die
Lizenzrechnungen von Warner Geld aus Deutschland nach Südafrika. Die
deutsche Gema ist nämlich in der Lage, Werke von Künstlern der SAMRO
auch in Deutschland zu lizenzieren, darunter auch den Song
«Jerusalema» von Kgaogelo Maogi.

Die Nutzer von Youtube, Facebook, Instagram, TikTok und Co. bekommen
von diesem Deal nicht viel mit, denn die Gema hat mit den Plattformen
pauschalisierte Lizenzvereinbarungen geschlossen, ähnlich wie mit
Streamingdiensten wie Spotify, Apple Music oder Deezer. Insbesondere
der Deal mit dem US-Unternehmen Google - zu dem Youtube gehört - war
hart umkämpft. Erst nach sieben Jahren Verhandlungen und mehreren
Gerichtsverhandlungen einigte man sich im November 2016 ein neues
Vergütungsmodell für die Bezahlung der Urheber.

Damit werden auch keine Videos mehr gesperrt, nur weil darin ein
lizenzpflichtiger Song abgespielt wird. «Wenn die Werke über YouTube,
Facebook, Instagram, etc. öffentlich zugänglich gemacht werden, dann
rechnen wir die Vergütung direkt mit den Betreibern der Plattformen
ab», sagte eine Gema-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Das
gelte auch für den Song aus Südafrika. «Für die Nutzer, ob Polizei,

Krankenhauspersonal, Schülergruppen, etc. fallen somit also keine
Lizenzvergütungen an die Gema an.»

Aber wie kommt Warner Music nun dazu, neben der Gema die Hand
aufzuhalten? Hier kommt das Konstrukt des «Synchronisationsrechts»
ins Spiel. Dieser Begriff ist allerdings selbst unter Juristen
umstritten und wird auch nicht eindeutig ausgelegt.

«Das so genannte Synchronisationsrecht bezeichnet das Recht, ein
Musikwerk als Filmmusik mit einem Filmwerk zu verbinden. Es wird auch
Filmherstellungsrecht genannt», erläutert Rechtsanwalt Christian
Solmecke, der auf Internet-Recht spezialisiert ist. «Wer ein Video
von seiner Teilnahme an der Tanz-Challenge hochlädt, greift in das
Synchronisationsrecht von Warner Music, dem Rechteinhaber des Songs
«Jerusalema», ein». Die Tonaufnahme von dem Song werde
unberechtigterweise mit einer eigenen Bildaufnahme von dem Tanz
verknüpft. «Dafür benötigt man eine Synchronisationslizenz.» Auf

diese Lizenz hatte auch eine Sprecherin von Warner Music verwiesen.

In den Rechtsabteilungen der Internet-Konzerne steht man allerdings
auf dem Standpunkt, dass dieses Recht bereits mit dem Gema-Vertrag
abgegolten sei - wenn es überhaupt bestehe.

Für Florian Drücke, dem Vorstandsvorsitzenden des Bundesverbandes
Musikindustrie (BVMI), macht es einen Unterschied, ob die Videos aus
einem rein privaten Interesse hochgeladen werden oder ob damit im
weitesten Sinn eine gewerbliche Absicht verbunden ist. «Nutzerinnen
und Nutzer müssen in der Regel keine Erlaubnis für die Verwendung von
Musik auf Plattformen wie z.B. Youtube erwerben, wenn sie Videos dort
veröffentlichen, weil die meisten Musikunternehmen den Plattformen
schon lange Lizenzen dafür einräumen», sagte Drücke der dpa. Im Fal
le
kommerzieller Nutzungen, etwa durch Unternehmen oder Organisationen,
die werbliche oder imagefördernde Videos veröffentlichen, sei es aber
üblich, eine entsprechende Lizenz einzuholen. «Das ist lang
etablierte Praxis.»

Folgt man dieser rechtlichen Auffassung, haben private Nutzerinnen
und Nutzer wenig zu befürchten, wenn sie ihre Tanzeinlagen auf
TikTok, als Instagram Story oder auf Youtube veröffentlichen.
Kommerzielle Influencer, die mit ihren Auftritten Geld verdienen,
aber auch Vereine, Organisationen und Firmen, müssten sich demnach
bei den Rechteinhabern um die obskure Synchronisationslizenz bemühen.
Vor Gericht ausgefochten wurde das aber bislang nicht.

Wem das zu kompliziert sei, müsse auf gemeinfreie Musiktitel
ausweichen, die nicht kommerziell lizenziert werden müssen, meint
Rechtsanwalt Solmecke. «Im Falle der Jerusalema-Challenge ist das ein
geringer Trost.»