Expertin: Kita-Kinder-Rückkehr ist große pädagogische Herausforderung

Angst vor Ansteckung und abermals weniger Personal: Aus Sicht einer
Expertin sind Erzieherinnen und Erzieher mit der Rückkehr der Kinder
nach wochenlanger Kita-Pause nun auch pädagogisch besonders
gefordert.

Gütersloh (dpa/lnw) - Mit der Rückkehr aller Kinder in die
nordrhein-westfälischen Kitas ab diesem Montag kommen aus Sicht einer
Expertin große Herausforderungen auf die Erzieherinnen zu. «In dieser
für Familien und Kinder sehr belastenden Zeit bedeutet es nach vielen
Wochen der Isolation eine große Anforderung für die Fachkräfte in den

Kitas, sensibel und ganzheitlich zu schauen, was jedes einzelne Kind
braucht, um wieder gut in den Einrichtungen ankommen zu können»,
sagte die Leiterin des Bereichs frühkindliche Bildung bei der
Bertelsmann Stiftung Kathrin Bock-Famulla der Deutschen
Presse-Agentur. Sie befürchte allerdings, dass in der durch die
Corona-Krise abermals verschärfte Personalsituation, die Kapazitäten
für diese pädagogischen Aufgaben zu gering seien.

Schon vor der Pandemie hatten Studien zufolge viele Erzieherinnen
beklagt, zu wenig Augenmerk auf Bildung und individuelle Förderung
legen zu können, weil es an Zeit fehle. Den Spagat zwischen Anspruch
an die eigene Arbeit und Wirklichkeit empfinden demnach viele als
belastend. «Es geht daher nicht allein um die Ansteckungsgefahr durch
Corona, wir müssen auch die psychische Belastung der Fachkräfte in
den Blick nehmen», sagte Bock-Famulla. Die Reduktion der angebotenen
Betreuungszeit, sei daher ein «kluger Schritt des Ministeriums», um
den Trägern bei der Personalplanung etwas Luft zu verschaffen.

Im Lockdown seit Mitte Dezember waren die Kitas zwar für alle Kinder
geöffnet, deren Eltern keine Betreuung daheim organisieren konnten.
Es galt aber der dringende Appell, kleine Kinder möglichst zu Hause
zu lassen. Im Schnitt hatten nach Angaben aus dem Familienministerium
etwa zwei Drittel auf Kita oder Tagespflegestelle verzichtet. Ab
Montag sind aber in fast allen Städten und Kreisen in NRW wieder
ausdrücklich alle Kinder eingeladen, zurückzukommen. Allerdings
bleibt es zunächst bei einem landesweit pauschal um zehn
Wochenstunden gekürzten Betreuungsangebot und bei festen Gruppen.

Wie die Kinder nach vielen Wochen zuhause in die Einrichtungen
zurückkehren, hänge dabei stark von den Ressourcen der Familien in
den letzten Monaten ab - diese seien etwa durch Faktoren wie
Home-Office oder Sorgen in der Pandemie durchaus vielfach belastet.
So sei davon auszugehen, dass sich ein deutlich isoliertes Leben mit
weniger Kontakten auch auf die Kinder und ihre soziale Entwicklung
auswirke. «Wenn Kinder jetzt in eine größere Gruppe kommen, werden
die Fachkräfte auch schauen müssen, wie es mit der sozialen Kompetenz
unter Gleichaltrigen aussieht», so die Erziehungswissenschaftlerin.

Möglich seien auch etwa Rückstände in der motorischen Entwicklung,
wenn das Leben zu Hause beispielsweise auf begrenzten Wohnraum
beschränkt war oder bei den sprachlichen Fähigkeiten, wenn im
Elternhaus kein Deutsch gesprochen werde. «Die Fachkräfte werden in
jedem Fall ein großes Augenmerk darauf legen, wie stabil die Kinder
emotional sind. Sind sie verängstigt? Welche Erfahrungen haben sie
gemacht und muss vielleicht erstmal neues Vertrauen aufgebaut werden,
um frühkindliche Bildungsprozesse überhaupt möglich zu machen», sag
te
Bock-Famulla.