Wie die britische Variante die Corona-Lage in Dänemark prägt Von Steffen Trumpf, dpa

Die Fallzahlen sind in Dänemark stark zurückgegangen, die britische
Corona-Variante aber hat einen immer höheren Anteil an den
Neuinfektionen. Wie passt das zusammen? Und wie wird sich die
Situation bei Deutschlands nördlichstem Nachbarn entwickeln?

Kopenhagen (dpa) - Bereits zum Jahresanfang ahnten die dänischen
Experten, wohin die Reise mit der britischen Variante des Coronavirus
gehen wird. Obwohl sich die ansteckendere Mutante B.1.1.7 zu dem
Zeitpunkt erst geringfügig in Dänemark ausgebreitet hatte, riet das
nationale Gesundheitsinstitut SSI zu weiteren Corona-Maßnahmen, um
die Infektionslage unter Kontrolle zu halten. Eine Expertengruppe um
die Ärztin Camilla Holten Møller prognostizierte: «Die neue Variante

kann hier bereits in 40 bis 50 Tagen die Hälfte aller Infektionsfälle
ausmachen.»

Diese Aussage ist rückblickend beeindruckend: Knapp 50 Tage später
findet sich die nach Schätzungen mindestens 35 Prozent ansteckendere
Virus-Variante in 47,2 Prozent der sequenzierten Corona-Proben der
Vorwoche, wie aus den jüngsten Zahlen des SSI hervorgeht. Holten
Møller und ihre Expertengruppe haben also ziemlich genau ins Schwarze
getroffen. In Kürze wird B.1.1.7 die dominierende Virus-Variante in
Dänemark sein, Anfang März wird sie nach SSI-Schätzungen bereits 80
Prozent aller Corona-Fälle im Land ausmachen.

Und die Variante macht vor Grenzen nicht halt: Wegen der rasanten
Ausbreitung in Flensburg hat die Fördestadt inzwischen eine
nächtliche Ausgangsbeschränkung verhängt. Dort werden nach Angaben
von Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) vom Freitag fast nur noch
Corona-Infektionen mit dem veränderten Virus festgestellt. Für die
Einwohner sind zudem private Treffen vorerst untersagt. Und auch
Dänemark reagiert: Wegen der Infektionslage in Flensburg sind seit
Samstag insgesamt 13 kleinere Grenzübergänge geschlossen, wie die
Regierung am Freitagabend in Kopenhagen angekündigt hatte. An denen,
die offen bleiben, wird zudem intensiver kontrolliert.

In Dänemark sind seit der SSI-Prognose zum Jahresstart die
Neuinfektionszahlen erheblich zurückgegangen. Die täglich gemeldeten
Fallzahlen hatten Mitte Dezember einen Höchststand von über 4000
erreicht, im Februar hielten sich die Tageswerte recht konstant bei
etwa 300 bis 500. Auf die Bevölkerung gerechnet verzeichnete in der
EU zuletzt nur Finnland noch weniger Neuinfektionen pro 100 000
Einwohner als Dänemark, wie aus den jüngsten Vergleichszahlen der
EU-Gesundheitsbehörde ECDC hervorgeht.

Ein rasant steigender Anteil der Virus-Variante, aber insgesamt eine
niedrige Inzidenz - wie passt das zusammen? Gesundheitsminister
Magnus Heunicke hat das kürzlich mit einer Grafik auf Twitter zu
erklären versucht: Darin zu sehen sind die aktuellen R-Werte der
britischen Mutante und anderer Varianten des Coronavirus Sars-CoV-2:
Für B.1.1.7 liegt der Wert demnach bei 1,25, für die anderen bei 0,8.

Das bedeutet: 100 mit B.1.1.7 infizierte Menschen stecken im Mittel
jeweils 125 weitere an - 100 mit den anderen Erregern Infizierte
derzeit nur noch 80. Während die Ausbreitung der britischen Variante
immer mehr zunimmt, geht die der anderen zurück. Der Minister dazu:
«Die Entwicklung von B.1.1.7 verläuft weiter wie erwartet, und die
Variante befindet sich in Dänemark wie in anderen Ländern im
Wachstum.»

Die Dänen spielen auf Zeit: Sie wollen die Corona-Zahlen so lange auf
einem niedrigen Niveau halten, bis ausreichend Menschen im Land gegen
Covid-19 geimpft worden sind - bis vorläufig Ende Februar gelten
deshalb noch umfassende Beschränkungen des öffentlichen Lebens.

Ob die dänischen Corona-Zahlen wegen der britische Variante dennoch
zunehmen werden? Dazu hat SSI-Expertin Holten Møller eine klare
Prognose: «Es ist unsere klare Erwartung, dass wir als Folge der
Entwicklung von B.1.1.7 in der kommenden Zeit einen Anstieg der
Infektionszahlen und Krankenhausaufenthalte sehen werden», teilte sie
der Deutschen Presse-Agentur in Kopenhagen mit. Am Freitag kamen 552
neue Corona-Fälle hinzu, was dem höchsten Wert seit zwei Wochen
entsprach - allerdings vor dem Hintergrund einer höheren Testquote.
Ob das bereits eine Trendwende darstellt, ist darum unklar.

Für Dänemark stehen entscheidende Wochen an. Seit dem 8. Februar
dürfen die Schulkinder bis zur vierten Klasse wieder zur Schule, das
ist die bisher einzige Lockerung der Corona-Maßnahmen. Alles andere -
darunter Geschäfte, Restaurants und die Klassenzimmer der älteren
Schüler - bleibt noch mindestens bis Ende Februar geschlossen. Die
dänische Regierung muss bis dahin eine Entscheidung treffen, ob und
wie strikt die Maßnahmen verlängert werden.